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„Die Welt wird
noch viel globaler!“
Wird der Erfolg des Exportes eines Landes von dessen Kultur beeinflusst? Wenn ja, warum ist
Österreich in manchen Märkten erfolgreicher als in anderen? Und wie wird sich die Exportwelt in
der Zukunft wandeln? Wir sprechen mit einer Expertin für Global Studies über all diese Fragen
und stellen fest: Wir müssen Export und Kultur womöglich ganz neu denken, um den globalen
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen zu können.
Wirtschaft und Handel sind wesentliche Akteure lisierung und Lokalisierung zu finden. Dafür gibt
bei der Bewältigung der immer größer werdenden es sogar einen Begriff in der Kulturforschung: die
Herausforderungen unseres Planeten. Für Veroni- Glokalisierung. Betrete ich einen McDonald‘s, sei
ka Wittmann liegt das auf der Hand. Sie ist Assozi- es in Buenos Aires, Tokio oder Wien, weiß ich, was
ierte Universitätsprofessorin für Global Studies an mich dort erwartet. Das Franchiseunternehmen
der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen transportiert gewisse globale Werte. Man ist als
Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz. Konsument:in plötzlich Teil einer globalen Com-
Fragen des Friedens, der Erderwärmung oder des munity mit einer bestimmten Kommunikations-
Verlustes an Biodiversität können wir als Weltge- kultur. Gleichzeitig berücksichtigt McDonald‘s
sellschaft nur dann beantworten, wenn wir lernen, aber auch die lokalen Kulturen. In Indien würde es
zu kooperieren und einander zu verstehen. beispielsweise wenig Sinn machen, Rindfleischbur-
ger zu servieren. Also passt das Unternehmen seine
Wir wollen wissen: Welche Rolle spielt dabei der Produkte an die lokalen Gegebenheiten an und ist
Export? Und welchen Stellenwert nimmt die Kul- damit sehr erfolgreich.
tur ein? Die Antwort mag im ersten Moment über-
raschend klingen: „Erfolgreich werden in diesem Das Eigene im Fremden erkennen
Jahrhundert jene Akteure sein, die verstehen, dass
Kultur nichts Starres mehr ist, sondern etwas Hyb- Alte, starre Konzepte von Kultur brechen nach und
rides. Wir haben ohnehin längst globale Narrative nach auf und führen zur sogenannten Hybridität
von Kultur, nur wer dies in seinem Denken und von Kulturen. Begriffe wie Staat oder Nation wer-
Handeln verankert, wird am globalen Markt be- den dabei bald überholt sein. Vielmehr kommt es
stehen können“, erklärt Wittmann. zu Vermischungen und gegenseitigen Bereicherun-
gen. Das Globale und das Lokale schließen einan-
Glokalisierung als neues Schlagwort der nicht aus, ganz im Gegenteil: Sie können von-
einander profitieren und lernen. Wittmann sieht
Was bedeutet dies konkret? Veronika Wittmann darin jedoch keine Gefahr einer Homogenisierung
nimmt als Beispiel die sogenannte „McDonaldisie- von Kultur.
rung der Welt“, also den globalen Erfolg von Ket-
Text Melanie Kashofer ten wie McDonald‘s, Starbucks oder Coca-Cola. Um die eigene kulturelle Prägung zu verstehen, be-
Foto JKU Diese Unternehmen haben es geschafft, mithilfe darf es allerdings eines Blickes in die Ferne. Witt-
ihrer Franchiseketten einen Weg zwischen Globa- mann zeichnet für uns ein prägnantes sprachliches
Illu Gettyimages
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