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„Im Gegensatz zu
mechanischen Erfindungen
ist es bei der KI manchmal
schwer, dem Patentanwalt
den Erfindungsgehalt zu
kommunizieren.“
Thomas L. Lederer
KI-Spezialist im IP-Bereich,
Anwälte Burger und Partner
Die Herausforderung, dort sind technologiefreundlicher. Während in unse-
KI-Erfindungen zu schützen rer Populärkultur Roboter ein eher schlechtes Image
haben, sieht man in Japan an jeder Ecke einen –
Die Kanzlei „Anwälte Burger und Partner“ ist spezialisiert auf von der Bank bis zur Werbung“, sagt er. Roboter
gewerblichen Rechtsschutz (Intellectual Property, Patente, erfüllen in Asien unabhängig vom Geschlecht die
Marken, Design).Das Patentieren von KI-Erfindungen stellt Funktion eines Spielzeuges und Lernpartners. Welt-
Unternehmen vor besondere Herausforderungen – die größten marktführer im Industrieroboterbereich ist die japa-
im Überblick.
nische Firma Fanuc. „Unsere Fabrik in einem Na-
#1 Patente nicht immer möglich turschutzgebiet am Fuß des Mount Fuji in Japan ist
„Künstliche Intelligenz basiert im Allgemeinen auf Algorithmen – eine der modernsten der Welt – bei uns bauen Ro-
und diese sind vom Patentschutz explizit ausgenommen. Die boter andere Roboter“, so Thomas Eder, Geschäfts-
daraus entwickelten Lösungen gelten nach Auffassung der führer der österreichischen Niederlassung des Unter-
heimischen Ämter meist als nichttechnisch“, erklärt Thomas nehmens. Der Automatisierungsspezialist errichtete
L. Lederer, Patentanwalt bei ABP in München. Ein erfolgreiches in Vorchdorf eine neue Vertriebs- und Servicenieder-
Patentbegehren müsse in Europa deswegen immer eine technische lassung für ganz Österreich. Das Unternehmen will
Lösung bieten, wie etwa eine konkrete Nutzung eines neuronalen
Netzwerks für einen speziellen technischen Anwendungsfall. In damit nach eigenen Angaben ein klares Signal an
den USA ist das anders – dort sei es generell möglich, Algorithmen den österreichischen Markt senden.
patentieren zu lassen.
Sowohl für Japan als auch Österreich sei KI eine
#2 Skeptische Entwickler:innen Schlüsseltechnologie. „Beide Länder gehören von
Erfinder:innen oder Softwarearchitekt:innen sind nicht selten den Lohnkosten her zu den teuersten der Welt, ohne
der Meinung, Software würde sich gar nicht patentieren lassen. Automatisierung wird der Standort nicht zu halten
Lederer: „Diese Aussage ist grundlegend falsch. Für eine sein“, sagt Eder. Aufgrund der starken Industrie neh-
technische Erfindung, auch wenn sie computerimplementiert me Österreich international einen guten Mittelfeld-
ist, kann ein Patent erteilt werden.“ Viele Programmierer:innen platz beim Einsatz von Robotern ein. Eder: „Dabei
seien auch aus ideologischen Gründen Patenten gegenüber
eher skeptisch – begründet ist das in der Opensource-Software- findet KI immer stärker Einzug – Maschinen arbei-
Bewegung. ten selbstständiger, warten sich selbst vorbeugend
und gestalten die Fertigung effizienter.“ Als Leucht-
#3 Fehlendes Bewusstsein für Erfindungen turmkunden in Österreich nennt der Geschäftsfüh-
Um etwas zu patentieren, muss zudem erkannt werden, dass rer den Sondermaschinen- und Anlagenbauer Fill in
überhaupt etwas erfunden wurde. Das passiert in vielen Fällen aber Gurten. „Dort wird sehr stark auf intelligente Auto-
nicht. „Programmierer:innen lösen am laufenden Band technische matisierung gesetzt“, sagt Eder.
Probleme mit technischen Mitteln – oft ist ihnen gar nicht bewusst,
dass sie etwas erfunden haben“, sagt Lederer, „die Rechtsabteilung Dort nutzt man seit Anfang 2019 auf eigene KI-Lö-
im Unternehmen kann es dann logischerweise auch nicht wissen.“
sungen. „Wir setzen Künstliche Intelligenz in der
#4 Herausfordernde Kommunikation industriellen Bildverarbeitung und bei Maschinen-
„Im Gegensatz zu mechanischen Erfindungen ist es datenanalysen ein“, sagt Verena Stanzl, die als Da-
bei Softwareerfindungen manchmal schwieriger, den ta-Scientistin bei Fill arbeitet. Das Interview findet
Patentanwält:innen den Erfindungsgehalt zu kommunizieren“, sagt nicht in Gurten, sondern in der Strada del Startup
Lederer, „besonders wenn diese selbst noch nie programmiert in der Linzer Tabakfabrik statt, wo die KI-Abtei-
haben.“ Softwareentwicklung ist ein mehrstufiger Prozess – wird lung von Fill beheimatet ist. Für Fill sei es wichtig,
die Entstehung der Software im kleinsten Detail von Anfang eigene KI-Lösungen für die eigenen Maschinen zu
an erzählt, sei dies sehr zeitintensiv. In einigen Fällen sei die entwickeln. „Wir haben den Ansatz, dass es bei uns
Patentierung von Softwareerfindungen zudem nicht der richtige alles aus einer Hand gibt – und dass wir unsere eige-
Schritt. „In dem Moment, in dem die Patentanmeldung öffentlich nen Maschinen am besten kennen“, erklärt Stanzl.
wird, kann jedermann die Software nachbauen. Wird dann kein
Patent erteilt, kann man dies auch nicht verhindern. Deswegen Durch KI-Lösungen werden etwa die Taktzeit von
kann es manchmal sinnvoll sein, Softwareentwicklungen als Maschinen und unproduktive Nebenzeiten verringt,
Geschäftsgeheimnis zu betrachten“, sagt der Experte. um den Output zu erhöhen.
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