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Dass die KI viele Berufe und Aufgaben des Men-  die Entwicklung in Richtung Elektromobilität.
            schen übernehmen wird, sei bereits jetzt Tatsache   „Ich bin überzeugt, es wird eine hundertpro-
            und unvermeidbar. Seine eigene Profession, die   zentige Umstellung auf Elektroautos geben.“
            des Designers, mit eingeschlossen. „Gut mög-  Auf die Frage, warum er da so sicher sei, sagt er:
            lich, dass es die Designer sehr hart trifft, obwohl   „Ich war einmal in einer HTL. Ein Gerät, das
            sie bisher im Gegensatz zu den Fotografen noch   viel, viel weniger drehende Teile hat und gleich
            verschont geblieben sind.“ Veränderung ist aber   gut funktioniert, ist ein viel besseres Gerät, das
            ohnehin Teil der Menschheit. Im Laufe seiner   seltener kaputt geht. Es wird eine Umstellung ge-
            Karriere hat er CD-Cover für die Rolling Stones   ben, wurscht, ob das die deutsche Autoindustrie
            gestaltet, heute sind gedruckte Cover ein Ni-  wahrhaben will oder nicht.“ Das sei wie mit dem
            schenprodukt. „Der Rest sind kleine Images auf   Pferd und dem Auto: „Du kannst kein schnelleres
            Spotify, die eine viel geringere Rolle spielen. Zum   Pferd erfinden.“
            Leidwesen der Grafiker, aber auch zum Leidwesen
            der Musiker – die meisten haben keine Ahnung,   Den Grund, warum er trotz Klimakrise zuver-
            wie die Band aussieht.“ Das Musikerdasein sei   sichtlich für die Zukunft gestimmt ist, findet man
            durch die technologische Entwicklung schwieri-  wieder beim Blick in die Geschichte: „Wir haben
            ger geworden, „gleichzeitig gibt es aber durch   auch in den letzten Jahrzehnten schon einige
            diese Entwicklung heute viel mehr professio-  globale Katastrophen bewältigt – den sauren
            nelle Musiker. Und es ist möglich geworden, dass   Regen zum Beispiel, selbst beim Ozonloch ma-
            man durch die Technologie organisch bekannt   chen wir riesengroße Fortschritte. Mit globaler
            werden kann.“                               Zusammenarbeit können Probleme wie diese
                                                        beseitigt werden.“ Was vielen nicht bewusst ist:
            Kaum jemand wisse Bescheid, wie die Menschen   „Die Generation meiner Großmutter, die nicht
            vor 100 oder 200 Jahren tatsächlich gelebt haben.   mal ein Auto besessen hat und nie in ein Flug-
            „90 Prozent waren damals in Österreich von   zeug gestiegen ist, hatte dennoch einen doppelt
            extremer Armut betroffen, die Wahrscheinlich-  so großen CO -Footprint. Weil die damals so viel
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            keit, nicht genug zu essen zu haben, war sehr   Kohle und Holz verbrannt haben.“
            hoch.“ Deshalb sei seine Ansicht zum Thema
            Technologie eine andere. Außerdem könnten wir
            heute noch gar nicht wissen, was in den nächsten     #3 Weil wir endlich Zeit haben
            20, 50 oder gar 100 Jahren passieren wird. „1896,     für das, was uns Menschen
            zur Zeit der Weltausstellung in Chicago, fragte
            man die Aussteller und Expertinnen, was denn     ausmacht.
            die dominante Technologie des 20. Jahrhunderts
            sein werde. Und da hat niemand das Telefon oder
            das Auto genannt.“ Warum sollten wir es heute   Das sei doch super, sagt Stefan Sagmeister, als wir
            wissen?                                     über die junge Generation sprechen, die nur noch
                                                        30 Stunden arbeiten möchte. „Das müsste ja ein
              #2 Weil wir schon mehrere                 Vorteil der gestiegenen Effizienz unserer Techno-
                                                        logie sein. Früher war das ähnlich – die Genera-
              globale Katastrophen                      tion vor uns hat gesagt: ‚Die faulen Schweine
                                                        wollen nur noch 40 Stunden arbeiten.‘“ Wie
              bewältigt haben.                          viel zeitliche Ersparnis der technische Fortschritt
                                                        bringen kann, könne man gut am Beispiel eines
                                                        Haushalts erklären: „Der durchschnittliche
            Als Stefan Sagmeisters Tante 85 Jahre alt war,   Haushalt im 19. Jahrhundert hat einer Person
            fuhr sie zum ersten Mal in ihrem Leben in die   65 Arbeitsstunden pro Woche abverlangt. Mein
            Schweiz. Und das, obwohl die Grenze zu ihrem   Haushalt benötigt heute in etwa vier Stunden,
            Heimatort in Vorarlberg nur 30 Meter entfernt   was sicher auch daran liegt, dass ich nicht koche.
            lag. „Ich glaube, dass die Möglichkeiten des   Aber laut offiziellen Durchschnittszahlen sind es
            Transportes unser Leben unglaublich bereichert   circa 16 Stunden.“
            haben, aber natürlich sind dadurch auch nega-
            tive Nebeneffekte entstanden, in dem Fall die   Darum hoffe Stefan Sagmeister, dass die nächste
            Luftverschmutzung.“ Schon in den 70er Jahren   Generation nur noch 30 oder weniger Stunden
            habe man damit begonnen, diese Nebeneffekte zu   arbeiten muss –  und die gewonnene Zeit dafür
            bekämpfen, damals mit Katalysatoren, heute gehe   nützen könne, wofür sie leidenschaftlich brennt._


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