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Die Coronakrise hat die Wirtschaft getroffen. Das komplette Ausmaß der Folgen ist zum aktuellen
Zeitpunkt noch nicht zu beziffern. Fest steht, dass die Pandemie noch lange Zeit nachwirken
wird und die Zukunft mehr Fragen als Antworten bereithält. Für einen Industriestandort wie
Oberösterreich ist es jedoch jetzt besonders wichtig, in Technologien zu investieren, um sich
langfristig nicht selbst seiner Existenzgrundlage zu berauben.
INVESTIEREN
ALS KRISENSTRATEGIE
Text Daniel Schöppl
Foto WKOÖ, Sparte
Industrie
Der Wohlstand einer Bevölkerung kann nur durch
einen wettbewerbsfähigen Standort sichergestellt
werden – Forschung und Innovation sind dabei
tragende Säulen. Das wissen auch die oberöster-
reichischen Unternehmen: 1,73 Milliarden Euro
stecken sie laut Statistik Austria in Forschung und
Entwicklung. In Summe entspricht das in etwa
drei Vierteln der F&E-Gesamtausgaben des Bun-
deslandes. Es sind also die Unternehmen, die die
zentralen Forschungsaktivitäten finanzieren. Eine
aktuelle Umfrage der Sparte Industrie der WKOÖ
zeigt, dass die Betriebe nun coronabedingt auf
die Finanzierungsbremse steigen. „Die oberöster-
reichischen Unternehmen investieren viel in die
Entwicklung neuer Technologien, daher stellt eine
wirtschaftsnahe Forschungsförderung einen großen
Hebel dar“, fordert Stephan Kubinger, Obmann-
Stellvertreter der Sparte Industrie der WKOÖ,
eine Unterstützung der Regierung. Im Februar
dieses Jahres wollten noch 45 Prozent der befrag-
ten Unternehmen ihre F&E-Ausgaben steigern, im
Juni waren es nur mehr 18 Prozent. Die Industrie-
betriebe sind also vorsichtiger geworden. Immer-
hin sind es noch 60 Prozent, die das Niveau ihrer
Forschungsausgaben im Vergleich zum Vorjahr
aufrechterhalten wollen. Im Umkehrschluss bleibt
dennoch ein gutes Fünftel übrig, das seine Finan-
zierungsaktivitäten reduzieren wird. „Für die Wirt-
schaftspolitik gilt es daher, dieser Dynamik ent-
gegenzuwirken und entsprechende Maßnahmen
zu setzen“, bekräftigt Martin Bergsmann, Tech-
nologiesprecher der Sparte Industrie der WKOÖ.
Martin Bergsmann erklärt, wieso eine Techno-
logieoffensive der richtige Weg aus der Krise ist.
Von den 45 Prozent der Unternehmen,
die zu Jahresbeginn ihre F&E-Ausgaben
steigern wollten, sind nur noch 18
Prozent übrig geblieben. Was bedeutet
diese Entwicklung für den Standort
Oberösterreich?
BERGSMANN
_Ich gehe nicht davon aus, dass es
sich dabei um eine langfristige Entwicklung han-
delt. Aufgrund der Krise sind die Unternehmen
vorsichtiger geworden und haben geplante Projek-
te auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Wenn
das längerfristig so bleiben würde, wäre das natür-
lich nicht gut, aber wir rechnen damit, dass die
Forschungsaktivitäten in absehbarer Zeit wieder
steigen werden. Die oberösterreichischen Indust-
riebetriebe sind die Forschungstreiber in unserem
Bundesland. Das Bewusstsein für den Stellenwert
von F&E hat auch die Krise nicht geändert.
Warum sollten Unternehmen ausgerechnet
jetzt verstärkt in die Zukunft investieren,
wenn die Zukunft so ungewiss ist?
BERGSMANN
_Nach jedem Tief kommt wieder
ein Hoch. Und dieses Hoch beinhaltet viele Chan-
cen. Eine Krise ändert immer auch die Rahmen-
bedingungen. Deshalb muss man jetzt investieren,
um neue Produkte auf den Markt zu bringen,
wenn die Wirtschaft wieder anzieht – und das wird
sie. Auch vergangene Krisen haben gezeigt, dass
Sparten, die während einer Krise investieren, stär-
ker zurückkommen.
Was sind die zwei wichtigsten
Forderungen, die Sie an die Politik stellen?
BERGSMANN
_Unsere kurzfristige Forderung ist
die zeitlich befristete Erhöhung der Forschungs-
prämie von 14 auf 20 Prozent für 2020/2021. Das
wäre ein Antrieb, der die aktuellen Forschungspro-
jekte wieder ins Laufen bringen würde. Und lang-
fristig gesehen muss auf jeden Fall die Bürokratie
in den Antragsverfahren für Forschungsförderun-
gen minimiert werden. In unserer Umfrage fordern
das auch 95 Prozent der Betriebe. Das Einbringen
der Anträge ist viel zu aufwendig und muss effizi-
enter gestaltet werden._
Die Krise bietet viele
Chancen. Mit Investitionen
in Forschung und
Entwicklung werden
wir sie nutzen.
Martin Bergsmann
Technologiesprecher,
Sparte Industrie WKOÖ