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und diesen Menschen anhand seiner Verhaltens-
weisen im Laufe der Zeit immer besser kennen-
lernen – genauso verhält es sich mit Künstlicher
Intelligenz. „Die Testmethoden, die wir derzeit
entwickeln, funktionieren deshalb noch nicht für
KI-Systeme. Zum aktuellen Zeitpunkt lässt sich
noch schwer abschätzen, ob es überhaupt gelingen
wird, in diesem Bereich automatisierte Testver-
fahren zur Sicherheitsüberprüfung zu entwickeln,
das ist derzeit intensiver Bestandteil unserer For-
schung“, so Ziebermayr. „Bevor man nicht die
fehlerfreie Funktion von KI-basierten Systemen
nachweisen kann, werden wir kein KI-System
erleben, das eine Produktion vollständig leitet.“
#3
Hoffnungs-
(energie)
träger
Der Bedarf an Wasserstoff in Österreich wird stei-
gen. Schon jetzt findet das Element in der Metall-
erzeugung Anwendung, in Zukunft wird es auch
als Treibstoff im Verkehr und als Energieträger,
etwa in Gasheizungen, immer wichtiger werden.
„2030 rechnen wir mit einem österreichweiten
Bedarf von ungefähr zwei Millionen Tonnen“,
sagt Peter Moser, Vizerektor der Montanuniversi-
tät Leoben. Dort leitet er Forschungsarbeiten zur
Gewinnung von Wasserstoff und Kohlenstoff aus
Methan und Erdgas.
Im Moment wird Wasserstoff zumeist noch als
Nebenprodukt anderer industrieller Prozesse ge-
wonnen. Soll er das Hauptprodukt sein, wird
Wasserstoff momentan durch Elektrolyse herge-
stellt, bei der Wasser mittels elektrischen Stroms
in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauer-
stoff zerlegt wird. Der Stromverbrauch dabei ist
enorm. Würde die voestalpine ihren wachsenden
Wasserstoffbedarf allein durch Elektrolyse abde-
cken wollen, müssten drei neue Donaukraftwerke
gebaut werden. Zudem bedingt jedes Kilo Was-
serstoff, das bei der Elektrolyse erzeugt wird, 20
bis 30 Kilogramm CO
2
-Ausstoß. Die Nachfrage
in den nächsten dreißig Jahren mit erneuerbaren
Energien zu decken, ist also nach heutigem Stand
der Technik praktisch unmöglich.
SPARE IN DER ZEIT,
SO HAST DU IN DER NOT
In Leoben forschen Moser und sein Team des-
halb an einer Alternative: Wasserstoffgewinnung
durch Pyrolyse. Dabei werden Methan oder Erd-
gas mithilfe flüssiger Metalle in ihre Bestandteile,
Wasserstoff und Kohlenstoff, zerlegt. Für diese
Lösung spricht vieles: Die Pyrolyse braucht nur
etwa ein Viertel der Energie, die für die Elekt-
rolyse aufgewendet werden muss. Zudem lassen
sich Pyrolyseanlagen in das bereits bestehende
europäische Erdgasnetz einbauen. Das Gas könn-
te direkt aus den Pipelines in die Anlagen geleitet
werden. Dort wird es in Wasserstoff, der über die
Pipelines weiter an seinen Verwendungsort flie-
ßen kann, und Kohlenstoff geteilt.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Mon-
tanuniversität sind die möglichen Anwendungs-
bereiche dieses Kohlenstoffs. „Bei dem Prozess
entsteht hochreiner Kohlenstoff, der sehr porös
ist“, sagt Moser. In Zusammenarbeit mit der
Universität für Bodenkultur in Wien forscht das
Team um Moser an Verwendungsmöglichkeiten
in der Landwirtschaft. „Der Kohlenstoff könnte
etwa Wasser und Düngemittel speichern. Der
Dünger kann dann nicht mehr vom Regen ausge-
spült werden und die Wurzeln der Pflanzen könn-
ten ihn nach Bedarf aus dem Kohlenstoff ziehen“,
so Moser. Die Aufgabe der Montanuniversität ist
es, den Kohlenstoff in der richtigen Konsistenz
zu liefern. Außerdem könnte Kohlenstoff in der
Bauindustrie angewendet werden, indem er Be-
ton beigemengt wird und diesen leichter macht.
Auch in die Wasserstoffmobilität könnte er Ein-
zug halten, als Kraftstoffspeicher. Ein weiterer
wichtiger Bestandteil der Forschung ist die Frage,
wie groß der CO
2
-Ausstoß mit der Pyrolyse sein
wird. „Ganz einfach gesagt wollen wir wissen, ob
wir etwas anstellen, wenn wir diesen neuen Weg
gehen“, sagt Moser. „Wir wollen mit den Res-
sourcen, die uns zur Verfügung stehen, möglichst
sparsam umgehen.“
Wir wollen
mit den
Ressourcen,
die uns zur Verfügung
stehen, möglichst
sparsam umgehen.
Peter Moser
Vizerektor,
Montanuniversität
Leoben