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das Geschehen dadurch natürlich hautnah mit-
bekommen. Erst jetzt werden langsam wieder
Veranstaltungen möglich, aber nicht in der Form,
wie es vorher war.
Und das ist für viele vor allem eine
finanzielle Herausforderung.
PICHLBAUER
_Ja, genau, die Frage ist: Schaffen
es alle finanziell? Es gibt ja neben den institutio-
nalisierten Betrieben wie staatlichen Museen oder
Theatern, die vom Land oder Bund betrieben wer-
den, diese große, bunte Palette der Kulturvereine.
Und für die ist das natürlich noch viel härter, weil
da eben keine Institution dahintersteht, die die
finanziellen Einbußen abfedern kann. Hier muss
man wirklich schauen, dass die nicht alle auf der
Strecke bleiben. Die ergeben letztlich das inter-
essante, vielfältige Bild der Kunst und Kultur in
diesem Land.
Fast schneller als die Pandemie hat
sich die Einsicht verbreitet, wer in
unserer Gesellschaft systemrelevant
ist: Pflegepersonal, Ärzte, Verkäufer,
Landwirte, Polizisten – von
Kulturschaffenden war nie die Rede.
Wie relevant ist Kultur?
PICHLBAUER
_Kultur ist in dem Sinn system-
erhaltend, weil sie lebenserhaltend ist. Was hat
man in der Zeit getan, als man nur zuhause war?
Man hat Bücher gelesen, Musik gehört, digitale
Angebote konsumiert – das ist ja alles Kunst- und
Kulturgenuss. Und wenn man diese geistige Nah-
rung weglassen würde, dann bliebe nicht sehr viel
übrig. Dann existiert man einfach. Und insofern
ist Kultur sehr wohl systemrelevant – in Kunst
und Kultur werden sehr viele relevante Fragen be-
handelt, die eine Gesellschaft weiterentwickeln.
Eine dieser relevanten Fragen könnte
sein: Wie verändert diese Krise die
Gesellschaft? Wie wird die Kultur diese
Frage aufnehmen und verarbeiten?
PICHLBAUER
_Das ist schon im Gange, da wird
jetzt und in den kommenden zwei, drei Jahren
viel passieren – in sämtlichen Ausprägungen von
Kunst und Kultur. In der Planung der Landes-
ausstellung 2021 werden wir dieses Thema auch
berücksichtigen. Einer der Standorte wird sich
nämlich mit dem Thema Arbeitswelt auseinan-
dersetzen. Da werden Fragen aufgegriffen wie:
Müssen große Bürokomplexe sein? Was haben wir
durch die Krise in Sachen Homeoffice gelernt?
Wie wirkte sich die Krise auf die Arbeitswelt aus?
Apropos Homeoffice:
Wie ging es Ihnen damit?
PICHLBAUER
_Wir waren circa acht Wochen im
Homeoffice – es war eine spannende Erfahrung.
Ich behaupte sogar, dass die Effizienz nicht dar-
unter gelitten hat – man kann sich im Homeoffice
viel mehr auf das Wesentliche konzentrieren, die
Gespräche zwischendurch fallen weg. Aber natür-
lich fehlt das Zwischenmenschliche, denn Arbeit
ist auch ein Austausch. Und irgendwann stoßen
Videokonferenzen auch an ihre Grenzen – kreati-
ve Arbeit ist schwierig auf diese Art. Aber Termi-
ne, die mit langen Reisen verbunden sind, kann
man auch in Zukunft gut über Videokonferenzen
abwickeln. Das ist sicher ein positiver Schluss,
den man aus der aktuellen Situation ziehen kann.
Für ein eingespieltes Team war es
natürlich einfacher, auf Videokonferenzen
umzustellen, als für jemanden, der ganz
neu in einem Bereich startet. So ging
es Alfred Weidinger, der seine Stelle
als Chef des Oberösterreichischen
Landesmuseums genau zu Beginn der
Coronakrise angetreten ist. Trotzdem sagt
er: „So schwierig die Phase derzeit ist, sie
begünstigt eine neue Denkweise.“ Welche
Denkweise könnte das Ihrer Meinung nach
in der Kultur sein?
PICHLBAUER
_Wir müssen die Projekte jetzt so
denken, als wären die Maßnahmen noch gültig.
Man muss da jetzt ganz neue Wege in der Kul-
turvermittlung gehen – das ist eine Herausforde-
rung, aber letztlich entstehen so Dinge, die man
in Zukunft weiterführen kann.
Das heißt, die Landesausstellung
wird so geplant, dass sie auch mit
Abstandsregeln funktioniert?
PICHLBAUER
_Ja, aber dass sie auch gleichzeitig
nicht als Mindestvariante empfunden wird, wenn
keine Maßnahmen notwendig sind. Das ist in der
Planung jetzt die Kunst.
Und was ist inhaltlich bei der
Oberösterreichischen Landesausstellung
2021 in Steyr geplant?
PICHLBAUER
_Wir gehen gerade auch in Steyr
noch einmal ganz bewusst neue Wege. Mit dem
Thema „Arbeit, Wohlstand, Macht“ versuchen
wir, die ganze Stadt zu bespielen. Wir gehen nicht
nur in drei Häuser und machen dort Ausstel-
lungen, sondern wir integrieren die ganze Stadt
in die Ausstellung. Wir erschließen neue Plätze,
neue Wege und öffnen neue Perspektiven. Es wird
konsumfreie Zonen geben, Rastzonen, Nach-
denkzonen. Es wird ein großes Gesamterlebnis –
vom Kulturellen bis zum Kulinarischen, das kann
ich schon versprechen!_