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in andere Marktsegmentbereiche zu diversifizie-
ren. Wir haben gesehen, wie aufwendig es war,
Schutzausrüstungen, Geräte und anderes medizi-
nisches Equipment zu bekommen. Unternehmen
aus der Automobil- und Kunststoffbranche haben
ihre Reinräume für Medizintechnikanwendungen
geöffnet.“ Die Krise habe globale wirtschaftliche
Abhängigkeiten bewusst gemacht, eine vermehr-
te Zusammenarbeit von Firmen und Branchen
am Standort war spürbar: „Unternehmen wie die
Goldhauben-Webe, Hager Job Fashion, Lenzing,
Greiner oder SML sind spontan in andere Berei-
che eingestiegen oder haben zusammengearbeitet,
um medizinische Schutzbekleidung oder Hygie-
neprodukte zu produzieren.“ Die meisten Unter-
nehmen sind aber trotz Krise ihrem Kerngeschäft
in puncto Innovation treu geblieben.
RESILIENZ UND FLEXIBILITÄT
Das große Learning aus der Krise? Resilienz und
Flexibilität. Für Pamminger die wichtigsten Be-
wältigungsmechanismen einer Krise: „Resilienz
für Unternehmen bedeutet, flexibel in Krisenzei-
ten handeln zu können. Hier haben wir aus der
Coronakrise viel gelernt und gesehen, wie schnell
manche Unternehmen auf Ausnahmesituationen
und vermehrte Nachfragen reagieren konnten.“
Eine weitere Lehre aus der Krise kann bezüglich
Ein Beispiel für
Innovation in der Coronakrise ist das Linzer
Start-up
AMB technology. Die Lösungen des Start-ups sollen
für mehr Sicherheit in der Covid-19-Krise sorgen und sind in der
Lage, die Personenanzahl zu ermitteln, Besucherstromanalysen
und Temperaturscreenings durchzuführen und erkennen, ob ein
Mund-Nasen-Schutz getragen wird.
Das Start-up hat eine Technologie entwickelt, die den
menschlichen Körper mit einer beliebigen Kamera genauestens
vermisst und rekonstruiert. Adressaten sind alle Industrien, die
sich auf den menschlichen Körper beziehen: Mode, Gesundheit,
Medizin, Sicherheit und Ergonomie. In der Markteinführungsphase
liegt der Fokus auf der Produktsparte True Size und der
Digitalisierung von globalen Echt-Körperdaten für die
Modeindustrie.
Single Sourcing gezogen werden: „Das Beziehen
von bestimmten Waren oder Gütern über nur
einen einzigen Lieferanten soll stärker vermieden
werden. Wenn ich etwa nur einen Lieferanten in
Bergamo habe, dann habe ich ein Problem, wenn
dieser nicht mehr liefern kann. Wenn ich aber ei-
nen zweiten Lieferanten in Hamburg habe, dann
habe ich Flexibilität.“ Als Standortagentur möchte
man Zulieferanten wieder zurückholen und regio-
nale Unternehmen besser vernetzen: „Bei einer
kritischen Zulieferstruktur möchte man die Lie-
feranten wieder in der Nähe haben, um Ausfälle
zu verhindern.“
Trotz regionaler wirtschaftlicher Bemühungen
dürfe man aber nicht vergessen, dass zwei Drittel
der Wirtschaftsleistung im Ausland erzeugt wer-
den. Pamminger: „Einfach zu sagen: ‚Zurück zu
den Nationalstaaten, zurück zu den nationalen
Grenzen und wir machen wieder alles selbst: vom
Schuh bis zum Flugzeug, vom Auto bis zum Han-
dy‘, das funktioniert nicht. Es hat einen guten
Grund, warum sich die Menschheit spezialisiert
hat und warum man arbeitsteilig arbeitet.“ Am
Prinzip der freien Märkte und des globalen Frei-
handels sollte man angesichts dieser Krise nicht
rütteln, nur weil man „einmal zwei Wochen lang
keine Masken aus China bekommen hat. Für uns
als sehr kleines Land mit Binnenmarkt ist es exis-
tenzsichernd, dass wir auch weiterhin exportieren
können und dass jemand den Stahl der Voest und
die Feuerwehrfahrzeuge von Rosenbauer kauft.
Denn dafür wird es nicht nur in Oberösterreich
Abnehmer geben“, sagt Pamminger.
MUT UND ZUVERSICHT.
AUCH IN KRISENZEITEN.
Um neue Bilder der Zukunft zeichnen zu können,
benötigt man vor allem eines: Mut. „Mutig in die
neuen Zeiten zu gehen, bedeutet auch, in Krisen-
zeiten mit Zuversicht in die Zukunft blicken zu
können“, sagt Pamminger. Die Politik spiele hier-
bei eine große Rolle: „Es hängt sehr stark vom
politischen Leadership ab, das im Idealfall auch
in eine gleiche Richtung agiert. Der Bevölkerung
und den Unternehmern soll Zuversicht vermittelt
werden.“ Entscheidend sei die Wertschätzung vom
Unternehmertum in Krisenzeiten. „Am Ende sind
es Unternehmen in allen Ausprägungen und Grö-
ßen, Dimensionen und all ihren Tätigkeiten, wo
Werte geschaffen werden und wo Geld verdient
wird.“ Durch Wertschätzung entstehe Wertschöp-
fung. Und durch Wertschöpfung funktioniere der
öffentliche Sektor, das Gesundheitswesen, der So-
zialstaat. Pamminger: „Man muss vorsichtig sein,
dass jetzt nicht die Mentalität entsteht: Der Staat
wird es schon für alle richten und kann sich ja
eh verschulden. Irgendwo wird das Geld schon
herkommen. Nein, diese Wertschöpfung passiert
im Unternehmen und durch unternehmerische
Tätigkeit.“_
Die Linzerin Anna Maria
Brunnhofer gründete
das Hightech-Start-up
AMB technology.