32

beln muss, produziert man eben nur das, was man 

wirklich haben möchte.“ Im Versuchslabor gelin-

gen diese Experimente bereits, von einer kommer-

ziellen Nutzung des Laborfleisches sind wir aber 

noch ein gutes Stück entfernt. „2013 hat die Ös-

terreicherin Hanni Rützler vor laufender Kamera 

einen Laborburger gegessen. Wenn man alles zu-

sammenzählt, was da hineingeflossen ist, hat dieser 

Burger damals ungefähr 250.000 Euro gekostet. 

Mittlerweile sind die Kosten für so einen Burger 

bei 500 bis 600 Euro – deutlich weniger, aber na-

türlich immer noch viel zu viel für die kommerziel-

le Nutzung. Die Entwicklungen gehen allerdings 

in diese Richtung“, blickt Jochum in die Zukunft. 

„Wenn der Fleischverzehr in Asien als Teil des 

Wohlstandes definiert wird und die Asiaten auch 

so viel Fleisch wie die Europäer und die Ameri-

kaner essen wollen, dann wird man eine gewisse 

Menge dieser Nachfrage nur über solche Alternati-

ven decken können. So viele Tiere können wir auf 

der Erde gar nicht halten.“ 

In der Folge erleben wir eine enorme Kommerzia-

lisierung der Landwirtschaft mit schwerwiegenden 

Folgen für die Bauern: „Das sind Hightechverfah-

ren. Natürlich benötigt man auch Nährstoffe aus 

der Landwirtschaft, wenn man Muskelzellen und 

Fleisch im Labor züchtet. Aber dieses Fleisch ist 

kein Thema mehr für die klassische Landwirtschaft. 

Das ist ein Kapitalthema. Das sind Fonds, die riesi-

ge Milliardenbeträge investieren. Wenn sich dieser 

Bereich tatsächlich kommerziell weiterentwickelt 

und etabliert, ist das eine massive Konkurrenz für 

die flächengebundene, klassische Landwirtschaft.“

AUTARKES ÖSTERREICH?

Zurück in die Gegenwart: Der Selbstversorgungs-

grad in Österreich ist sehr hoch. Betrachtet man 

die vorhandenen Lebensmittel, könnte sich das 

Land rein theoretisch eigenständig ernähren – 

praktisch jedoch nicht. „Und das hat uns Corona 

nur punktuell aufgezeigt. Die Versorgungsketten 

sind sehr lange und hoch komplex, wodurch sie 

sehr vulnerabel sind. Durch die Grenzsperren ha-

ben wir schon bemerkt, dass wir nicht ausreichend 

Erntehelfer haben, die für Nachschub in den Su-

permarktregalen sorgen. Was aber in den Medien 

total untergegangen ist, war die Problematik mit 

den LKW-Fahrern. Die sind zu Beginn der Pande-

mie teilweise überhastet nach Hause gefahren und 

haben dann bemerkt, dass sie ohne zweiwöchige 

Selbstquarantäne nicht mehr zurückkommen dür-

fen. Das war kurzfristig sehr kritisch. Außerdem 

gab es Engpässe beim Verpackungsmaterial. Italien 

ist ein großer Kunststoffproduzent und diverse 

Teile waren eine Zeit lang behindert. Wir hatten 

für den Moment nicht genügend Deckel, um die 

verarbeitete Ware abzupacken und auszuliefern.“ 

In der Selbstversorgungsdebatte gebe es darüber 

 # 

gefragt.

Stefan Kaineder, 

Klimaschutz-Landesrat 

Oberösterreich

Bedingt durch die Krise ist der Wunsch der Konsumenten nach 

regionalen Lebensmitteln stärker geworden. Alles nur ein Hype? 

Oder findet tatsächlich ein Veränderungsprozess statt?

KAINEDER_Aus meiner Sicht ist das jetzt ein Trend. Aber es muss das 

Ziel der Politik sein, diesen Trend zu verstärken. Ich stehe mit vielen 

regionalen Produzenten in Kontakt und die Umsätze sind praktisch 

überall sprunghaft angestiegen. Diesen Rückenwind gilt es jetzt zu 

nutzen. Bisher musste man immer sehr viel rudern, um im Bereich 

der Regionalität etwas zu bewegen. Wenn wir jetzt die Segel richtig 

setzen, kann ein nachhaltiger Veränderungsprozess stattfinden.

Welche Rahmenbedingungen sollte die Politik schaffen, um den 

Veränderungsprozess zu unterstützen?

KAINEDER_Als Teil der oberösterreichischen Landesregierung kann 

ich nur für mein Ressort sprechen. Wir versuchen im Bereich des 

Umwelt- und Klimaschutzes unseren Beitrag zu leisten. So haben wir 

in Kooperation mit der Bio Austria das Projekt „Appetit auf Zukunft“ 

ins Leben gerufen. Das Projekt unterstützt und fördert Konsumenten, 

Produzenten sowie Gemeinden bei der Gründung lokaler Initiativen 

für eine biologische, regionale und saisonale Lebensmittelversorgung. 

In Zukunft werden wir dieses Konzept auch auf nachhaltige Anbieter 

abseits der Lebensmittelindustrie ausdehnen. Eine weitere gute 

Initiative, die wir im Umweltressort unterstützen und finanzieren, 

ist die App „Gutes Finden“. Die App ist ein einfaches Hilfsmittel für 

Menschen, die sich in Oberösterreich regional versorgen möchten. 

Auf „Gutes Finden“ sind ausschließlich Betriebe gelistet, die sich 

durch Qualität, Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit auszeichnen. 

Es ist wichtig, dass man regionale Versorgung digitalisiert, um sie 

einer breiten Öffentlichkeit einfach und unkompliziert zugänglich zu 

machen.

Was sollten wir aus der Coronakrise lernen?

KAINEDER_Wenn wir die Maßnahmen, die wir jetzt setzen, immer 

mit Blick auf den Klimaschutz setzen, schaffen wir es, zwei Krisen 

gleichzeitig zu bekämpfen. Ich wünsche mir, dass wir weg von einer 

Industrialisierung, hin zu einer Ökologisierung kommen. Im Bereich 

der Agrarförderungen, die großteils aus der EU kommen, braucht 

es unbedingt Umschichtungen – weg von der Industrie und hin 

zu kleinregionaler, ökologischer Unterstützung der Bauern. Eine 

nachhaltige Landwirtschaft produziert kürzere Wege und schont 

die Umwelt. Der Klimawandel ist in den Köpfen der Menschen 

angekommen und wird sehr ernst genommen. Eine regionale und 

nachhaltige Lebensmittelversorgung ist nicht nur für den Klimawandel 

gut, sondern hält uns darüber hinaus auch noch gesund.