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kraften. Deshalb ist es so wichtig, dass wir versu-
chen, mit der Krankheit so umzugehen, dass wir
sie in Ausmaßen halten, die das Gesundheitssys-
tem bewältigen kann. Ich glaube, dieses Bewusst-
sein ist in breiten Kreisen der Bevölkerung da.
Was ist eigentlich schwieriger: die
Bewältigung der Gesundheitskrise
oder jetzt das Bewältigen des
Wiederhochfahrens der Wirtschaft?
STELZER
_Wir haben die gesundheitlichen Fol-
gen der Coronakrise bisher gut in den Griff be-
kommen, nun arbeiten wir mit aller Kraft am
wirtschaftlichen Wiedererstarken. Dank unseres
„Chancen statt Schulden“ Kurses besitzen wir
dafür auch die nötige finanzielle Stärke. Dennoch
ist es eine Herkulesaufgabe, den Standort im
Sinne von Wirtschaft und Arbeitsplätzen wieder
stark zu machen. Es ist nun dringend notwendig,
besonders betroffenen Branchen unter die Arme
zu greifen, in Arbeitslosigkeit geratenen Men-
schen zu helfen, Arbeitnehmer zu entlasten und
kräftig in Wirtschaft, Ökologisierung und Re-
gionen zu investieren. Mit unserem eigenen 580
Millionen OÖ. Paket setzen wir – zusätzlich zu
den Unterstützungs- und Investitionspaketen des
Bundes – ganz konkrete Schritte in diese Rich-
tung. Dadurch wollen wir es schaffen, möglichst
viele Menschen in Beschäftigung zu halten oder
wieder in Beschäftigung zu bringen, die heimi-
schen Betriebe zu unterstützen und Investitionen
anzukurbeln. Ich bin mir sicher, dass wir diese
Krise meistern werden, wenn wir das tun, was
uroberösterreichisch ist – nämlich uns nach vor-
ne orientieren und trotz der Lage versuchen, uns
wieder stark zu machen.
In Zeiten so massiven Umbruchs entstehen
auch Möglichkeiten, die so schnell nicht
wiederkommen werden. Viele haben jetzt
aber weder den Mut noch das Kapital, um
in Innovationen zu investieren.
STELZER
_Es braucht Anreize und eine gewisse
Hilfestellung, eine große Risikophase in Angriff
zu nehmen. Das können wir durch Start-up-För-
derungen, durch Haftungsmodelle unterstützen.
Aber man muss schon eines deutlich sagen: Den
unternehmerischen Spürsinn, den Mut und die
Bereitschaft zum Risiko wird’s immer brauchen,
wenn jemand ein Unternehmen gründen oder
sich unternehmerisch umorientieren möchte. Als
Öffentlichkeit können wir hoffentlich einen guten
Rahmen und eine gute Basis bieten und daran arbei-
ten, dass Verwaltungsabläufe beschleunigt werden.
Eine Erkenntnis aus der Krise: Unter den
Menschen, die an Covid-19 verstarben,
hatte nur ein sehr geringer Anteil keine
Vorerkrankungen wie Bluthochdruck,
Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs.
Rauchen, ungesunde Ernährung, wenig
Bewegung und Stress begünstigen solche
Krankheiten nachweislich. Sollte ein
gesunder Lebensstil demnach in Zukunft
nicht mehr nur Privatsache sein, sondern
Teil gesamtgesellschaftlicher Prävention?
STELZER
_Ein gesunder Lebensstil ist sicher
wichtig und deshalb bin ich froh darüber, dass
wir in diesem Zusammenhang schon viel erreicht
haben: Vorsorgeuntersuchungen, Bewusstseins-
bildung im Bildungssystem in Bezug auf gesunde
Ernährung und Bewegung. Aber letztlich ist der
persönliche Lebensstil schon immer auch eine
Frage der Eigenverantwortung.
Aber warum kommt es beim gesunden
Lebensstil mehr auf die Eigenverant-
wortung an als bei der Entscheidung
für oder gegen eine Impfung? Sie
haben sich für eine Corona-Impfpflicht
ausgesprochen.
STELZER
_Mein Grundzugang für gesellschaft-
liches Zusammenleben ist, dass man auf ma-
ximale Freiheit und damit aber als Partner der
maximalen Freiheit auf viel Eigenverantwortung
setzt. Warum ich mich in dem Fall bei der Covid-
19-Erkrankung für eine Impfpflicht ausspreche:
Weil im Leben unserer Generation nichts so tief
in unsere Gesellschaft, in die Gesundheit, in die
Wirtschaft eingegriffen hat wie Corona. Eine ver-
lässliche Impfung, die eine Erkrankung verhin-
dern kann, befürworte ich daher bei so einer ge-
waltigen Herausforderung. Aber natürlich muss
diese gut erforscht und getestet sein.
Viele sehnen sich nach der „alten
Normalität“ zurück. Könnte eine „neue
Normalität“ nicht besser sein?
STELZER
_Wir wollen uns natürlich alle mög-
lichst viel von unserem gewohnten Leben zurück-
holen, das ist verständlich. Weil wir ein sehr gutes
Leben hatten und wir es im weltweiten Vergleich
immer noch haben. Aber natürlich, wenn ich an
uneingeschränkte Reisefreiheit und fast unbe-
grenzte unternehmerische Möglichkeiten denke,
dann gibt’s da noch ein großes Feld, das vor uns
liegt. Und das kann anders als bisher aussehen,
es können andere Schwerpunkte kommen. Ge-
rade wenn ich an die Wirtschaft denke. Es kann
vielleicht für uns die Medizintechnik noch inter-
essanter werden, es können andere Produktions-
schritte, andere Forschungsgebiete interessanter
werden. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir wieder
viele Möglichkeiten vor uns haben.
Wird man diese Möglichkeiten jetzt
anders ergreifen als vor der Krise?
STELZER
_Den Investitionsschub, den wir jetzt
brauchen, um wieder stark zu werden, kann man
sehr gut mit dem Klimaschutzgedanken koppeln –
zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr und um-
weltgerechter Industrieproduktion. Arbeitspro-