137
Wie aussagekräftig sind teure und große
Autos? Sind diese noch wichtig?
SCHIRL
_Mit Sicherheit! Ein Auto ist Teil unserer
Persönlichkeit, es drückt aus, wer wir sind,
welchen Status wir haben. Stellen Sie sich vor, Sie
fahren als CEO einer großen Firma ein kleines,
altes Auto und neben Ihnen parkt die Assistentin
mit dem fetten SUV. Das passt nicht. Aus der Ver-
kehrspsychologie wissen wir: Wenn ein schwerer,
großer SUV kommt, weichen kleine Autos aus.
KÜHMAYER
_Ich halte das für ein veraltetes Bild.
Wir wissen aus Untersuchungen, dass das Auto
nur noch für etwa ein Viertel der Menschen als
Statussymbol gilt – und dieser Wert sinkt Jahr für
Jahr. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz von
alten Machtdarstellungen verändert sich: Dass sich
etwa ein Manager für das Titelblatt eines Magazins
vor seiner Luxus-Dienstlimousine fotografieren
lässt, ist heutzutage undenkbar geworden. Und aus
meiner persönlichen Erfahrung mit Vorständen
von Topunternehmen kann ich nur sagen: Den
CEO, der seine Bedeutung daran festmacht, ob er
ein größeres Auto als eine Mitarbeiterin fährt, gibt
es nicht.
Wie viel Selbstwert kaufe ich
mir mit einem teuren Auto?
SCHIRL
_Sicher viel! Das heißt aber nicht, dass
sich jeder, der wenig Selbstwert hat, ein teures
Auto kauft. Das Auto ist allerdings eines der sicht-
barsten Statussymbole und Prestigeobjekte, die wir
haben können. Es drückt auch aus, dass ich Sinn
für Ästhetik habe, dass ich es geschafft habe und
vor allem, dass ich es mir leisten kann. Ähnliche
Signale senden Markenkleidung und teure Uhren.
Nur, das Auto sieht jeder.
KÜHMAYER
_Es ist ein typisches Merkmal reifer
Märkte, dass Status nicht nur materiell definiert
ist. Natürlich sind ein hohes Einkommen und die
damit ermöglichten Anschaffungen weiterhin Aus-
druck sozialen Aufstiegs. Aber was uns wertvoll ist,
und auch woran andere unsere Stellung erkennen,
drückt sich zunehmend auch in einer Kategorie
aus, die man als „Besser statt mehr“ bezeichnen
könnte. Beim Auto wird beispielsweise die Innova-
tionskraft immer wichtiger: Tolles Infotainment ist
wichtiger als PS und ein schlaues Elektroauto be-
kommt mehr Aufmerksamkeit als ein fetter SUV.
Corona scheint der Verkehrswende
einen Strich durch die Rechnung zu
machen. Warum ist mir das Auto
lieber als der Bus?
SCHIRL
_Mein Auto ist meine verlängerte Identi-
tät. Wörtlich bedeutet Automobil „Selbstbeweger“
(griechisch autós = selbst, lateinisch mobilis = be-
weglich, Anm.). Wenn ich ein Auto fahre, das mir
entspricht, fühle ich mich ganz anders: Wenn ich
morgens mit den Öffis in die Arbeit fahre, habe
ich ein ganz anderes Gefühl, als wenn ich in mein
angenehm temperiertes Auto steigen kann, wo ich
noch dazu Geruch, Klima, Musik und Fahrtrich-
tung bestimmen kann. Gerade in Zeiten von Co-
rona steigen die Menschen wieder viel lieber in ihr
Auto statt in Öffis, weil sie sich beschützt fühlen.
Das Auto ist unsere zweite Haut, unser Kokon, da
fühlen wir uns sicher.
KÜHMAYER
_Ein kollektiver Schock wie Corona
steigert kurzfristig das Bedürfnis nach Sicherheit,
Rückzug, Schutz. Aber wie sich Corona lang-
fristig auf die Mobilität auswirkt, können wir
erst erahnen. Die intensivste Zeit der Einschrän-
kungen des Lebens liegt ja gerade erst hinter uns.
Wir haben beispielsweise gesehen, dass einiges
an Büroarbeit auch gut von zu Hause erledigt
werden kann, das wird sicher Einfluss auf die
Arbeitswelt haben und darauf, ob wir uns auch
künftig wieder täglich ins Büro stauen wollen.
Und auch wenn er in den letzten Wochen aus
der Öffentlichkeit verdrängt wurde: Der Klima-
wandel ist nach wie vor unsere größte Herausfor-
derung. Das ist der überwiegenden Mehrheit der
Bevölkerung auch völlig klar, darum wird es den
Schritt zurück in die Welt der benzinschlucken-
den Dinosaurier nicht mehr geben. Da sind wir
schon einen Schritt weiter._