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etwa ein Auto zu hundert Prozent in Österreich
bauen würden, wäre das natürlich für viele un-
bezahlbar. Regionale Vorteile der Globalisierung
sind das Erfolgsgeheimnis unseres Wohlstandes,
viele arme Länder sind durch die globale Vernet-
zung der Armut entkommen. Unser System beruht
auf einer sozialen Marktwirtschaft, nur durch Ex-
porterfolge können wir uns unser ausgeprägtes So-
zial- und Gesundheitssystem leisten. Man sieht in
dieser Krise außerdem deutlich, dass Staaten und
Regionen, die in guten Zeiten Schulden abbauen
und über gesunde Haushalte verfügen, in schlech-
ten Zeiten durch ihre Reserven einen Vorteil
haben.
Die vier wichtigsten Exportmärkte für
Österreich – Deutschland, die USA, Italien
und Frankreich – sind teils schwer von
der Coronakrise getroffen worden. Wie
stabil sind die Handelsbeziehungen zu den
Ländern? Welche Branchen sind betroffen?
HAINDL-GRUTSCH
_Jene Branchen, die sehr
komplexe Lieferketten haben, wie die Automobil-
industrie, sind natürlich eingebrochen. Die Auto-
industrie hängt sehr stark von Zulieferungen aus
Italien oder Spanien ab, diese blieben aus und
führten zum Stillstand von Automobilwerken.
Andere Branchen konnten zum Glück weiterar-
beiten. Wir haben intensiv darum gekämpft, dass
nicht auch die Industrie von der Politik zugesperrt
wird, sonst wäre der wirtschaftliche Schaden noch
erheblich größer gewesen. Die Kurzarbeit werden
wir noch länger brauchen, weil projektspezifische
Branchen wie etwa der Anlagenbau die Krise erst
viel später spüren werden.
Welche Chance sehen Sie in der Corona-
krise für Oberösterreichs Wirtschaft?
Welche innovativen Ideen wurden aus
der Notsituation heraus geboren?
HAINDL-GRUTSCH
_In der Privatwirtschaft
haben Firmen während des Shutdowns in sehr
kurzer Zeit Schutzausrüstungen produziert: Be-
atmungsgeräte, die innerhalb von vierzehn Tagen
entwickelt und zertifiziert waren, Schutzmasken,
die durch Kunststoffspritzguss produziert wer-
den oder Schutzwesten, die zu piepen beginnen,
wenn sich Menschen zu nahe kommen. Generell
werden durch die Krise Digitalisierung und Auto-
matisierung beschleunigt. Viele Unternehmen
streben eine stärkere Diversifizierung von Liefer-
ketten an. Technologie und Forschung werden
1)
Die Finanzkrise 2008 ist vielen noch gut in Erinnerung.
Damals wurde eine düstere Zukunft vorausgesagt, Österreich
und die meisten betroffenen Staaten haben sich aber wieder
rasch von der Rezession erholt und es folgte ein zehnjähriger
Wirtschaftsaufschwung. Wie gut lässt sich die aktuelle
Coronakrise mit der Finanzkrise 2008 vergleichen?
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Auslöser der
jetzigen Krise von außen kam und auf eine gesunde Wirtschaft
traf. In der Finanzkrise entstand die Krise aus dem System heraus
und war dann vor allem eine Bankenkrise. Bisher hat sich aber
das Bankensystem sehr stabil gezeigt. Umgekehrt führte die
Finanzkrise nie zu einem völligen Lockdown der Wirtschaft – das
ist das gänzlich neue Element der aktuellen Krise. So etwas gab
es eigentlich überhaupt noch nie – den praktisch kompletten
Stillstand der Wirtschaft. Insofern hat natürlich jede Krise ihre
eigenen Merkmale und Herausforderungen.
2)
Sie sind der Meinung, dass die Tiefe bzw. die Folgen der Krise
sehr stark davon abhängen, wie schnell die Wirtschaft wieder
hochgefahren werden kann. Wie bewerten Sie die bisherige
Vorgehensweise Österreichs zum Hochfahren der Wirtschaft?
Im Großen und Ganzen hat die Regierung gute Arbeit geleistet.
Das Hochfahren scheint auch einigermaßen gut zu funktionieren,
zumindest besser als man befürchtete. Das Szenario einer völlig
zerstörten Wirtschaft hat sich zum Glück nicht bewahrheitet.
Die Herausforderungen bleiben aber, vor allem für diejenigen,
die starke finanzielle Einbußen erlitten haben. Wenn die
Stimmung der Konsumenten zu alter Stärke zurückfindet und
es der Regierung gelingt, Anreize für Investitionen und neue
Arbeitsplätze zu setzen, dann können wir durchaus optimistisch
in die Zukunft blicken.
3)
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der G20-Staaten
zur Bewältigung der Finanzkrise 2008 lief sehr gut. Der
gemeinsame Kampf gegen die Corona-Pandemie lief dagegen
zögerlich an. Selbst innerhalb der EU schlossen Staaten im
Alleingang Grenzen. Welche Auswirkungen hat die Coronakrise
auf das Image der EU?
Für die EU stellt die Coronakrise die bisher größte
Herausforderung dar. Aber von europäischer Solidarität und
gemeinsamem Handeln war in den letzten Wochen sehr
wenig zu spüren. Anstatt von Europa wurde viel von der
Stärkung der eigenen Region gesprochen. Deutschland bzw.
Frau Merkel scheint nun aber gewillt, hohe Summen für den
„Wiederaufbau“ der EU einsetzen zu wollen. Die zentrale
Frage bleibt, wer schlussendlich für all diese Rettungs- und
Unterstützungsmaßnahmen zahlen wird. Momentan werden von
bereits stark verschuldeten Staaten am Kapitalmarkt weitere
Kredite aufgenommen. Die müssen aber zurückgezahlt werden.
Spätestens durch unsere Kinder.
3
Fragen
an …
… Teodoro Cocca
Wirtschaftswissenschafter
an der JKU Linz
Für die EU stellt
die Coronakrise
die bisher größte
Herausforderung dar.
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