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FAMILIE & BERUF –
IT’S A MATCH?
Text Valentin Lischka
Foto Mader: Rußmann;
Moritz: Lisi Specht;
Hintenaus: HYPO OÖ
Illu Gettyimages
Auch wenn die Erwerbsquoten der Frauen in Österreich seit den 1970er-Jahren konstant
angestiegen sind, stehen immer noch vor allem Mütter vor der Herausforderung, Familie und
Beruf zu vereinbaren. Wie muss ein Sozialsystem aussehen, damit Menschen möglichst ohne
finanzielle Nachteile und Diskriminierung frei wählen können? Und wie hat sich das Bewusstsein
für das Thema bei den Unternehmen selbst verändert?
Meetings nach 17 Uhr? In Skandinavien meist
undenkbar – aus Rücksicht auf Eltern, die sich
um diese Uhrzeit daheim um ihre Kinder küm-
mern müssen. Aber nicht nur das Bewusstsein
für das Thema ist in den nordischen Ländern ein
anderes, auch das Sozialsystem unterstützt mit
zahlreichen Maßnahmen: In Schweden etwa mit
einem garantierten Recht auf einen Kindergar-
tenplatz ab dem ersten vollendeten Lebensjahr,
Recht auf ganztägige Betreuung bis zum zwölften
Lebensjahr und einkommensabhängigem Eltern-
geld. Noch besser ist die Situation für Mütter in
Island. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich
Island als Best-Practice-Beispiel herauskristalli-
siert, dort wurde nach der Wirtschaftskrise sehr
viel in Richtung Gleichstellung getan“, sagt Ka-
tharina Mader vom Institut für Heterodoxe Öko-
nomie der Wirtschaftsuniversität Wien. „Dort
gibt es etwa ein verpflichtendes Karenzsystem, das
zeitlich gedrittelt ist – ein Drittel entfällt auf die
Mutter, ein Drittel auf den Patner und das dritte
Drittel ist frei wählbar“, erklärt Mader.
Während die Väterkarenzquote in Island bei über
90 Prozent liegt, sind es hierzulande etwa vierzehn
bis fünfzehn Prozent. „Österreich würde ich, was
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft,
im europäischen Vergleich etwa im Mittelfeld
angesiedelt sehen“, sagt Mader, „besonders das
Angebot flächendeckender Kinderbetreuung ist
schlecht.“ Ähnlich sieht das Ingrid Moritz, Leite-
rin der Abteilung „Frauen – Familie“ der Wiener
Arbeiterkammer (AK): „Bei der Kinderbetreuung
sind wir sicher deutlich unter dem Durchschnitt,
oft ist es schwer, in erreichbarer Nähe ein kosten-
günstiges und gutes Angebot zu finden.“ Die Fol-
ge: Im internationalen Vergleich hat Österreich
sehr lange Berufsunterbrechungen von Müttern,
auch die Teilzeitquote ist hoch. Zwar gibt es in
Österreich relativ neue Angebote wie den Fami-
lienzeitbonus, der Väter finanziell unterstützt,
die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes aus-
schließlich der Familie widmen. „Dieser Bonus
wird dann aber wieder vom Kinderbetreuungs-
geld abgezogen, was schade ist“, sagt Moritz.
Auch bei grundsätzlich guten Angeboten wie dem
Papamonat gebe es noch einige Hürden. „Zusätz-
lich könnte man bei Punkten wie dem Kinder-
betreuungsgeld noch weitere Anreize in Richtung
partnerschaftliche Teilung der Betreuung setzen.“
BETRIEBE MIT EIGENINITIATIVE
Mütter und Väter haben in Österreich nach der
Karenz einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung
oder eine Änderung der Arbeitszeit – zumindest,
wenn sie in Betrieben mit mehr als 20 Arbeit-
nehmern arbeiten. „Alle in kleineren Betrieben
haben nicht die Möglichkeit auf familienfreund-
liche Arbeitszeiten, dabei wäre das eine wichtige
Maßnahme, um die Vereinbarkeit zu erleichtern“,
erklärt Moritz. Unabhängig von den rechtlichen
Richtlinien beobachtet sie aber teilweise einen
Wandel der Unternehmenskulturen. Moritz: „Be-
sonders jene Unternehmen, die vom Fachkräfte-
mangel betroffen sind, erhöhen auf eigene Ini-