109

Glauben Sie, dass jetzt der richtige 
Zeitpunkt für einen Neuanfang ist?

STINGEDER

_Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht. 

Wobei es nicht gleich ein Neuanfang sein muss, es 

geht darum, zu überdenken und hinterfragen. Und 

viele der Terminanfragen in meiner Praxis haben ge-

nau diesen Hintergrund: Die Menschen wollen ihr 

bisheriges Leben weiterentwickeln, wollen den Sinn 

dahinter sehen, warum sie auf der Welt sind. 

Aber in einer derart unsicheren Zeit 
einen Neuanfang zu wagen, birgt ein 
großes Risiko in sich. Sollte man da nicht 
zunächst abwarten, wie sich die Wirtschaft 
entwickelt?

STINGEDER

_Jeder Tag trägt ein Risiko in sich. Es 

braucht daher immer Mut. Es stimmt, im Moment 

können wir nichts planen, wir wissen nicht, ob ein 

weiterer Lockdown kommt. Aber diese Unsicherheit 

bringt wieder eine Chance mit. Die Chance, im Hier 

und Jetzt zu leben. Und nachdem wir kaum vierzehn 

Tage vorausplanen können, werden wir gezwungen, 

im Hier und Jetzt zu leben. Das hindert uns auch ein 

Stück weit daran, wieder in das alte Muster zu fallen –  

einen Termin nach dem nächsten zu planen, privat 

wie beruflich. Das ist eigentlich einer der zentralen 

Punkte meiner Arbeit: das Heute zu nutzen. 

Ist das so einfach, wie es klingt?

STINGEDER

_(lacht) Das klingt jetzt makaber, aber 

in meiner Praxis arbeite ich dazu gern mit dem Tod. 

Da geht es nicht darum, Angst zu machen, sondern 

das Bewusstsein zu schaffen, dass wir nicht ewig 

leben, aber die Zeit, die wir hier zur Verfügung ha-

ben, bewusst nutzen können. Der Tod ist dazu ein 

Bewusstseinsinstrument. Wenn man das jetzt auf die 

Coronakrise umlegt: Wir wissen nicht, ob die Infekti-

onszahlen wieder ansteigen oder wann sie wieder an-

steigen. Ich kann also nicht weit planen. Und damit 

ist heute der wichtigste Tag in meinem Leben. „Car-

pe diem“ ist ein wunderbarer Spruch. Aber diesen 

wirklich vom Kopf ins Gefühl zu bekommen, ist ein 

Prozess. Dazu braucht es meist Unterstützung von 

außen. Im Hier und Jetzt zu leben ist eine Worthülse, 

das Füllen ist ein Bewusstseinsprozess. 

Planen ist jetzt also nicht drin. Dabei ging 
es doch in sämtlichen Seminaren immer 
darum, sich Ziele zu setzen. 

STINGEDER

_Es macht natürlich schon Sinn, sich 

Gedanken zu machen: Was ist meine Vision? Wohin 

will ich generell im Leben? Welche Talente habe ich 

und wie kann ich sie nutzen? Es ist auch gut, sich 

sowohl erreichbare als auch schwer erreichbare Ziele 

zu setzen. Aber wir sollten aufhören, von einem Ziel 

zum nächsten zu hetzen und privat wie beruflich 

ohne Rast permanent Zielen hinterherzueifern. Jetzt 

geht es darum innezuhalten, durchzuatmen und von 

einem Ziel zum nächsten reflektieren, was sich am 

Weg vielleicht verändert hat, warum ich mir dieses 

Ziel gesteckt habe – vielleicht nur, um mich besser 

darzustellen? Oder weil ich gar nicht weiß, dass es 

auch anders geht? Corona hilft uns, viel besser zu re-

flektieren – warum mache ich das Ganze? Und dieses 

Warum ist für mich essenziell. 

Manche hat die Krise aber so hart 
getroffen, dass sie sich nicht die Warum-
Frage stellen, sondern vielmehr die Frage: 
Wie schaffe ich das jetzt überhaupt noch?

STINGEDER

_Meistens kommen die Menschen zu 

mir, wenn sie verzweifelt sind – egal ob aus beruf-

lichen oder privaten Gründen. Meine Aufgabe ist 

es zu versuchen, die andere Seite zu beleuchten. Bei 

Schicksalsschlägen kann ich meine Wut und Ängste 

nach außen transferieren – dem Virus oder der Re-

gierung die Schuld geben. Oder ich setze mich hin 

und frage mich: Was will mir das Leben damit sagen? 

Mein Lebensgrundsatz war immer schon: Wenn dir 

das Leben Zitronen reicht, dann kannst du dir damit 

in die Augen spritzen oder du machst einen Saft da-

raus. Um diese zweite Seite, diese Möglichkeit zu se-

hen, braucht es aber wieder ein gewisses Bewusstsein, 

um nicht in Verzweiflung zu erstarren. Diese Ver-

zweiflung ist ja berechtigt, aber Selbstmitleid bringt 

mich nicht weiter. Weiter bringt es mich, wenn ich 

die äußeren Umstände, die ich nicht ändern kann, 

akzeptiere und versuche, das Beste daraus zu machen.  

Inwiefern kann die Humanenergetik dabei 
helfen, das Beste daraus zu machen?

STINGEDER

_Die Humanenergetik hat unterschied-

lichste Methoden und Möglichkeiten, um unterstüt-

zend einzugreifen. Von Biofeedback und Bioresonanz 

über Kinesiologie und Magnetfeldanwendungen bis 

hin zu Cranio Sacraler Energiearbeit. Auf der Seite 

humanenergetiker.co.at sind alle Methoden aufgelis-

tet und auch die Kontakte zu den jeweiligen Human-

energetikern. Oft hört man aber auch einfach über 

Mundpropaganda, wer am besten zu einem passt. 

Was werden wir in einem Jahr 
über den Frühling 2020 sagen?

STINGEDER

_Ich wünsche mir, dass wir sagen wer-

den: Dieser Frühling war notwendig, um gewisse The-

men anzugehen, um neue Chancen zu nutzen – und 

die Welt ist nun eine andere, eine bessere als zuvor._ 

Ich sehe die Coronazeit als 
Riesenchance, sich persönlich 
weiterzuentwickeln.

Michael Stingeder

diplomierter Humanenergetiker, Fachverbands-
obmann persönliche Dienstleister WKÖ, Bundes-
berufsgruppensprecher Humanenergetik WKÖ