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Glauben Sie, dass jetzt der richtige
Zeitpunkt für einen Neuanfang ist?
STINGEDER
_Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht.
Wobei es nicht gleich ein Neuanfang sein muss, es
geht darum, zu überdenken und hinterfragen. Und
viele der Terminanfragen in meiner Praxis haben ge-
nau diesen Hintergrund: Die Menschen wollen ihr
bisheriges Leben weiterentwickeln, wollen den Sinn
dahinter sehen, warum sie auf der Welt sind.
Aber in einer derart unsicheren Zeit
einen Neuanfang zu wagen, birgt ein
großes Risiko in sich. Sollte man da nicht
zunächst abwarten, wie sich die Wirtschaft
entwickelt?
STINGEDER
_Jeder Tag trägt ein Risiko in sich. Es
braucht daher immer Mut. Es stimmt, im Moment
können wir nichts planen, wir wissen nicht, ob ein
weiterer Lockdown kommt. Aber diese Unsicherheit
bringt wieder eine Chance mit. Die Chance, im Hier
und Jetzt zu leben. Und nachdem wir kaum vierzehn
Tage vorausplanen können, werden wir gezwungen,
im Hier und Jetzt zu leben. Das hindert uns auch ein
Stück weit daran, wieder in das alte Muster zu fallen –
einen Termin nach dem nächsten zu planen, privat
wie beruflich. Das ist eigentlich einer der zentralen
Punkte meiner Arbeit: das Heute zu nutzen.
Ist das so einfach, wie es klingt?
STINGEDER
_(lacht) Das klingt jetzt makaber, aber
in meiner Praxis arbeite ich dazu gern mit dem Tod.
Da geht es nicht darum, Angst zu machen, sondern
das Bewusstsein zu schaffen, dass wir nicht ewig
leben, aber die Zeit, die wir hier zur Verfügung ha-
ben, bewusst nutzen können. Der Tod ist dazu ein
Bewusstseinsinstrument. Wenn man das jetzt auf die
Coronakrise umlegt: Wir wissen nicht, ob die Infekti-
onszahlen wieder ansteigen oder wann sie wieder an-
steigen. Ich kann also nicht weit planen. Und damit
ist heute der wichtigste Tag in meinem Leben. „Car-
pe diem“ ist ein wunderbarer Spruch. Aber diesen
wirklich vom Kopf ins Gefühl zu bekommen, ist ein
Prozess. Dazu braucht es meist Unterstützung von
außen. Im Hier und Jetzt zu leben ist eine Worthülse,
das Füllen ist ein Bewusstseinsprozess.
Planen ist jetzt also nicht drin. Dabei ging
es doch in sämtlichen Seminaren immer
darum, sich Ziele zu setzen.
STINGEDER
_Es macht natürlich schon Sinn, sich
Gedanken zu machen: Was ist meine Vision? Wohin
will ich generell im Leben? Welche Talente habe ich
und wie kann ich sie nutzen? Es ist auch gut, sich
sowohl erreichbare als auch schwer erreichbare Ziele
zu setzen. Aber wir sollten aufhören, von einem Ziel
zum nächsten zu hetzen und privat wie beruflich
ohne Rast permanent Zielen hinterherzueifern. Jetzt
geht es darum innezuhalten, durchzuatmen und von
einem Ziel zum nächsten reflektieren, was sich am
Weg vielleicht verändert hat, warum ich mir dieses
Ziel gesteckt habe – vielleicht nur, um mich besser
darzustellen? Oder weil ich gar nicht weiß, dass es
auch anders geht? Corona hilft uns, viel besser zu re-
flektieren – warum mache ich das Ganze? Und dieses
Warum ist für mich essenziell.
Manche hat die Krise aber so hart
getroffen, dass sie sich nicht die Warum-
Frage stellen, sondern vielmehr die Frage:
Wie schaffe ich das jetzt überhaupt noch?
STINGEDER
_Meistens kommen die Menschen zu
mir, wenn sie verzweifelt sind – egal ob aus beruf-
lichen oder privaten Gründen. Meine Aufgabe ist
es zu versuchen, die andere Seite zu beleuchten. Bei
Schicksalsschlägen kann ich meine Wut und Ängste
nach außen transferieren – dem Virus oder der Re-
gierung die Schuld geben. Oder ich setze mich hin
und frage mich: Was will mir das Leben damit sagen?
Mein Lebensgrundsatz war immer schon: Wenn dir
das Leben Zitronen reicht, dann kannst du dir damit
in die Augen spritzen oder du machst einen Saft da-
raus. Um diese zweite Seite, diese Möglichkeit zu se-
hen, braucht es aber wieder ein gewisses Bewusstsein,
um nicht in Verzweiflung zu erstarren. Diese Ver-
zweiflung ist ja berechtigt, aber Selbstmitleid bringt
mich nicht weiter. Weiter bringt es mich, wenn ich
die äußeren Umstände, die ich nicht ändern kann,
akzeptiere und versuche, das Beste daraus zu machen.
Inwiefern kann die Humanenergetik dabei
helfen, das Beste daraus zu machen?
STINGEDER
_Die Humanenergetik hat unterschied-
lichste Methoden und Möglichkeiten, um unterstüt-
zend einzugreifen. Von Biofeedback und Bioresonanz
über Kinesiologie und Magnetfeldanwendungen bis
hin zu Cranio Sacraler Energiearbeit. Auf der Seite
humanenergetiker.co.at sind alle Methoden aufgelis-
tet und auch die Kontakte zu den jeweiligen Human-
energetikern. Oft hört man aber auch einfach über
Mundpropaganda, wer am besten zu einem passt.
Was werden wir in einem Jahr
über den Frühling 2020 sagen?
STINGEDER
_Ich wünsche mir, dass wir sagen wer-
den: Dieser Frühling war notwendig, um gewisse The-
men anzugehen, um neue Chancen zu nutzen – und
die Welt ist nun eine andere, eine bessere als zuvor._
Ich sehe die Coronazeit als
Riesenchance, sich persönlich
weiterzuentwickeln.
Michael Stingeder
diplomierter Humanenergetiker, Fachverbands-
obmann persönliche Dienstleister WKÖ, Bundes-
berufsgruppensprecher Humanenergetik WKÖ