108

… dann wollen wir die am besten gleich wieder zurückgeben. Und alles wie 

vorher haben. Keine Existenzängste, keine Umsatzeinbußen. Einfach wieder 
die Welt, wie sie vorher war, die alte Normalität. Weil das aber nicht möglich 
ist, fragen wir Michael Stingeder, wie man aus diesen verdammten Zitronen 
Limonade machen kann.

WENN UNS DIE WELT 

ZITRONEN GIBT …

 Text Susanna Wurm

 Foto Gettyimages,                     
 

 Mario Riener 

 

Illu  Alexandra Auböck

sehe die Coronazeit als Riesenchance, sich persönlich 

weiterzuentwickeln. Das eine ist das Virus, das andere 

ist, dass die Welt scheinbar eine Zäsur gebraucht hat. 

Es ging nicht mehr höher, schneller und weiter. Und 

obwohl diese Zeit natürlich eine große Herausforde-

rung ist, bietet sie auch die Möglichkeit, nicht nur 

den Kleiderschrank auszumisten, sondern auch sein 

Inneres. Um sich Fragen zu stellen wie: Wie geht es 

mir mit meinem Leben? Will ich wie bisher weiter-

leben? Viele wollen zurück zur alten Normalität, aber 

es braucht eine neue Normalität, eine Weiterentwick-

lung, um einen nächsten Schritt zu machen.

Aber wie gelingt es, diesen Schritt nach 
vorne statt wieder nach hinten zu machen?

STINGEDER

_Wenn Klienten bei mir sind, geht es 

meistens darum, Muster zu überwinden, das ist im-

mer eine Herausforderung. Das Wichtigste ist daher 

zunächst, sich bewusst zu sein, dass die Gefahr des 

Rückfalls droht. Weil es natürlich bequemer ist, ein-

gefahrene Geschichten weiterzubetreiben. Aber wenn 

ich achtsam bin, erkenne ich die Gefahren besser, die 

mich wieder in ein altes Rad zurückfallen lassen wür-

den. Als Beispiel: Viele haben während der Corona-

zeit zu sporteln begonnen. Und jetzt ist es plötzlich 

wieder verlockender, stattdessen im Gastgarten drei 

Bier zu trinken. Diese Achtsamkeit zu üben, das ist 

eine große Chance der Krise. 

An den 13. März dieses Jahres erinnert sich Michael 

Stingeder noch ganz genau. Der diplomierte Hu-

manenergetiker und Bundesberufsgruppensprecher 

für Humanenergetik der WKÖ will gerade in sein 

Auto steigen, um zu einem Workshop nach Wien 

zu fahren, als die Bundesregierung die Maßnahmen 

zur Eindämmung des Coronavirus bekannt gibt. 

„Ich muss gestehen, dass ich das Thema Corona da-

vor noch gar nicht so ernst genommen habe.“ Den 

Workshop sagt er ab. Es folgen acht Wochen zuhause 

mit seiner Familie, er ist Vater von drei (mehr oder 

weniger pubertierenden) Söhnen. „Wir wurden ge-

zwungen, zur Ruhe zu kommen“, sagt er. Und er 

sagt das mit einem Lächeln. Was er daraus gelernt 

habe? „Dass auch Onlinecoachings sehr gut funktio-

nieren können.“ Im Interview erzählt er, was die gro-

ße Chance dieser Krise ist. Und wie man sie nutzen 

kann. 

Wir reden über gesundheitliche 
und über wirtschaftliche Folgen der 
Coronakrise. Aber was sind eigentlich die 
psychischen Folgen, was macht so eine 
Ausnahmesituation mit unserem Inneren?

STINGEDER

_Das grundsätzliche Thema ist: Wie 

gehe ich mit Situationen um, die ich momentan nicht 

ändern kann? Das ist eine der größten Herausforde-

rungen. Aber auch eine der größten Chancen. Ich