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wie, wann und wo sie ihren Gestaltungs-
willen ausüben“, so Schernthaner.
Vor allem Mitarbeiter, die aus patriar-
chisch geführten Familienunternehmen
und aus großen Konzernen kommen, tun
sich anfangs schwer, diesen Freiraum aus-
zuleben. „Die vermissen 800 Seiten, auf
denen ihnen genau gesagt wird, wie sie rei-
sen dürfen, wann sie Pause machen kön-
nen, wann sie anwesend sein sollen. Die
sind gewohnt, dass es für alles Richtlinien
gibt. So haben sie verlernt, frei zu den-
ken, weil es für jeden Arbeitsschritt eine
Beschreibung und Vorgabe gibt.“ Nach
drei Monaten komme meist der Knack-
punkt, wo manche dieser Mitarbeiter
die Firma wieder verlassen, weil sie mit
so viel Freiraum nicht zurechtkommen,
andere werden von der Dynamik mitge-
zogen. „Es gibt keinen Leitfaden, man
kann es nur on the job lernen.“ Und die
junge Generation an Mitarbeitern fordere
ohnehin zunehmend diesen Gestaltungs-
freiraum.
2012 gegründet, spezialisiert
sich die Schur Flexibles Holding
GesmbH auf Verpackungen, vom
Rohstoffeinkauf bis zur Herstel-
lung. Mittlerweile beschäftigt der
Konzern mit Hauptsitz in Wiener
Neudorf und einem Jahresum-
satz von circa 550 Millionen Euro
1.750 Mitarbeiter in 23 Produkti-
onswerken. Neben der Lebensmit-
telindustrie zählen auch Betriebe
aus den Bereichen Pharmazeutik,
Kosmetik sowie Tabakwaren zu
den Kunden von Schur Flexibles.
Schur Flexibles
Das klingt erst einmal nach paradiesischen
Arbeitsbedingungen. Urlaub machen, so
oft und wann immer man will. Jederzeit
Homeoffice-Tage einlegen. Nicht vor zehn
erscheinen. Und um vier zum Sporttrai-
ning abdampfen. Aber übt genau diese
Freiheit nicht noch mehr Druck aus als
gewisse Regeln und die Grenze zwischen
Freizeit und Arbeitszeit? Kommt dann
nicht der Druck hinzu, sich umso mehr
beweisen zu müssen? Michael Schern-
thaner antwortet mit einer Gegenfrage:
„Brennt man jemals aus, wenn man ein
Hobby macht?“ Klar könne es Tage ge-
ben, wo man’s übertreibt. Aber wie beim
Sport gehe es dann darum, zu lernen, auf
die Signale seines Körpers zu achten. Der
Begriff „Work-Life-Balance“ würde ver-
schwinden, ist Schernthaner überzeugt.
Man versuche nicht mehr, Arbeit und
Leben zu trennen, wie das Hobby sei die
Arbeit ein Teil des Lebens. Macht etwa
ein Mitarbeiter sieben Wochen Urlaub im
Jahr, dann „wird er sich im Hotel einen
Raum suchen, wo er immer wieder Zeit
für seine Arbeit hat – so wie er sich Zeit
nimmt, laufen zu gehen“, erklärt der CEO.
Der Führungsstil bewirke nicht, dass je-
mand mehr oder weniger arbeitet, sondern
effizienter.
Fairness? Ja, das geht.
Wäre da nicht die Sache mit dem Neid.
Der Kollege ist fast nie da, während man
selbst das Gefühl hat, den Laden quasi al-
lein schmeißen zu müssen. Wenn da mal
keine Konflikte vorprogrammiert sind.
„Fairness funktioniert nur mit leistungsab-
hängigen Parametern“, sagt Schernthaner.
Deshalb habe er ein System mit einem
variablen Anteil des Gehaltes eingeführt.
Am Anfang des Jahres werden gemeinsam
Ziele vereinbart, großteils persönliche und
natürlich das verbindende Ziel des wirt-
schaftlichen Erfolges des Unternehmens.
Im Halbjahr wird Zwischenbilanz gezogen
und dann kann es natürlich vorkommen,
dass jemand am Ende des Jahres nur 80
Prozent seiner Ziele erreicht hat. Weil er
etwa seinen Fokus auf etwas anderes in
seinem Privatleben gelegt hat. „Damit es
fair bleibt, bekommt derjenige dann 80
Prozent des variablen Gehaltanteils.“ Und
was, wenn jemand 150 Prozent der ausge-
machten Ziele erreicht, also so euphorisch
gearbeitet hat, dass er weit mehr erreicht
hat, als vereinbart wurde? „Das wird zwar
vom Unternehmen nicht erwartet, aber
auch das wird abgegolten“, so Scherntha-
ner. Ob so ein Führungsstil auch ohne
leistungsabhängige Parameter funktionie-
ren könnte? Schernthaner schüttelt den
Kopf. „Ich glaube nicht. Zumindest nicht
auf faire Weise.“
Nichts fürs große Ego.
Für jeden Unternehmer sei dieses System
aber nicht geeignet. „Wer so viel Verant-
wortung seinen Mitarbeitern übergibt,
braucht Geduld, sollte nicht der struk-
turliebendste Mensch sein und sollte vor
allem nicht das ausgeprägteste Ego haben“,
sagt der Geschäftsführer und lacht. „Denn
hier sind Sie als CEO nicht der Generaldi-
rektor von Österreich, der in jeder Zeitung
erscheint und das Unternehmen immerzu
nach außen vertritt.“ Hier vertreten viele
Leute das Unternehmen, tragen viele Leu-
te das Wertesystem und „hier interpretiert
man mich als Teil des Unternehmens“.
Sein Ego halte das aber sehr gut aus, fügt
er hinzu. Schwierig sei hingegen die Ge-
setzeslage für so eine Arbeitsweise. Denn
wo ist der Mitarbeiter versichert, wenn er
nicht im Unternehmen arbeitet? In jeder
Betriebsvereinbarung braucht man eigent-
lich eine Gleitzeitregelung. „Das heißt,
man stoßt immer wieder an gesetzliche
Grenzen, wenn man dieses System wirk-
lich durchsetzen möchte“, erklärt Schern-
thaner. Die gesetzliche Regelung sieht
außerdem vor, dass der Geschäftsführer
derjenige ist, der sich im Fall des Falles vor
Gericht verantworten muss. „Und solange
das so ist, sollte man dem Geschäftsfüh-
rer auch das Recht geben, die finale Ent-
scheidung zu treffen.“ Das störe aber in
so einem System nicht. „Gestaltungswille
bedeutet hier, etwas zur Entscheidung
beizutragen, seine Ideen berücksichtigt zu
wissen“, so Schernthaner. Dass er es am
Ende ist, der die Entscheidung schließlich
trifft, finde unter seinen Leuten große Ak-
zeptanz. „Dabei ist nur eines wichtig: Dass
ich erkläre, warum ich so entschieden
habe. Sodass die Leute verstehen können,
warum ihr Beitrag diesmal auf diese oder
jene Art miteinbezogen wurde.“_