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Traditionelle Rollenbilder und unflexible Arbeitsmodelle erschweren nach wie vor die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
. Mutige Vorreiterunternehmen zeigen, wie man die
rechtlichen Möglichkeiten sinnvoll nutzt, neue Freiräume schafft und dadurch langfristig
die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter gewinnt.
WO KINDER DIE KARRIERE FÖRDERN
Absagen gehören zu jedem Bewerbungs-
prozess dazu, aber verblüfft war Franziska
Thalmaier (Name von der Redaktion ge-
ändert) dann doch über die plumpe Ehr-
lichkeit so mancher Begründung: Man
rechne damit, dass sie als junge Frau mög-
licherweise bald in Karenz gehe, und habe
daher einem männlichen Bewerber den
Vorzug gegeben, erzählt die 30-Jährige.
„Solche Fragen sind nicht erlaubt“, stellt
Katja Kapfer, Personalverantwortliche der
Bundesbeschaffung GmbH, klar. „Ich rate
Bewerbern, sie nicht zu beantworten.“
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ist auch im Jahr 2019 keine Selbstver-
ständlichkeit – selbst wenn mittlerweile
ein (damals noch) amtierender Vizekanz-
ler auf Papamonat geht und die Obfrau ei-
ner Oppositionspartei sechs Wochen nach
der Geburt ihres Kindes in ihren Beruf
zurückkehrt. „Die rechtlichen Möglich-
keiten sind da“, sagt Manuela Vollmann,
die sich als Geschäftsführerin von ABZ
Austria für die Gleichstellung von Frauen
einsetzt. „Der größte Stolperstein ist das
traditionelle Bild, welche Rolle Frauen
und Männer in der Wirtschaft und der
Gesellschaft einnehmen sollen.“ Beim
Aufbrechen dieser Stereotype kommt Un-
ternehmen eine Schlüsselrolle zu: Denn
von kreativen Lösungen und einem wech-
selseitigen Entgegenkommen profitieren
beide Seiten – Arbeitnehmer genauso wie
Arbeitgeber.
Gütesiegel für
Familienfreundlichkeit
„Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf stärkt die Motivation und Loyalität der
Mitarbeiter“, erklärt Michael Hintenaus,
Redaktion_Bernhard Lichtenberger
Illustration_Alexandra Auböck
Fotografie_Kapfer: Bundesbeschaffung GmbH, Hintenaus & Brunhofer: Hypo OÖ,
Kirchmayr: OÖVP-Klub/Hermann Wakolbinger, Vollmann: Volker Hoffmann, Gettyimages
warum er als Personalchef der Hypo Ober-
österreich auf eine familienfreundliche
Personalpolitik setzt. Vor zwölf Jahren war
die Bank eines der ersten Unternehmen
im Land, das sich für das Gütesiegel „Fa-
milie und Beruf“ auditieren ließ. Mittler-
weile findet die Überprüfung des Hauses
zum fünften Mal statt. „Das Engagement
in diesem Bereich ist beim Recruiting ab-
solut wichtig“, erklärt die zuständige HR-
Managerin Sandra Brunhofer.
Auch die Bundesbeschaffung GmbH hat
sich im Vorjahr erstmals zertifizieren lassen.
„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ist für Bewerber ganz wichtig und hilft uns
darüber hinaus, bestehende Mitarbeiter zu
binden“, schildert Kapfer, warum sich das
Unternehmen in 100-prozentigem Besitz
des Bundes für das Audit entschieden
hat. „Neben dem Zertifikat werden auch
Familie