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Wenn die Karriere so etwas wie eine Bergtour ist, dann ist die neue Führungsposition wohl
der Gipfel. Oben angekommen, erst mal die Füße hochlagern und die frische Bergluft
genießen? Keine gute Idee. Wer ganz oben ist, kann auch verdammt tief fallen.
Wie der
Start als neue Führungskraft gelingt
, wie man sich Respekt erarbeitet, Vertrauen aufbaut
und warum das Bedürfnis nach Harmonie hier fehl am Platz ist.
DIE ERSTEN 100 TAGE
die Kultur des Unternehmens informieren
und die Auswirkung jeder Entscheidung
gezielt abwägen.“ Um dann in Ruhe, aber
ganz konsequent, Entscheidungen zu tref-
fen. Außerdem rät der Experte von An-
kündigungen großer Reformschritte ab.
„Weil es bei der Ankündigung bleibt und
nie umgesetzt wird. Zur Umsetzung muss
man zuerst das Team gewinnen – denn das
sind die Fachleute, die schließlich operativ
etwas umsetzen können.“
02
Vertrauen aufbauen,
Respekt erarbeiten.
Vertrauen erntet man dann, wenn man
glaubwürdig ist. Und glaubwürdig ist man
dann, wenn Worte und Taten überein-
stimmen. „Dazu braucht die Führungs-
kraft wirtschaftliche sowie soziale Kom-
petenz“, erklärt Pataki. Ist man nach einer
guten Vorbereitung überzeugt von einer
Entscheidung, dann müsse man dazu ste-
hen. „Man muss den Mut haben, auch un-
sympathische Entscheidungen zu treffen,
und davon überzeugt sein. Provokant for-
muliert: Jemand, der harmoniebedürftig
ist, ist fehl am Führungsplatz.“ Eine Füh-
rungskraft müsse nämlich nicht unbedingt
beliebt sein, die Organisation müsse ihr
vertrauen und folgen können. Ein wichti-
ger Baustein beim Aufbau von Vertrauen:
Offenheit. „Alles, was heimlich passiert,
kommt irgendwann an die Öffentlich-
keit“, ist Pataki überzeugt. „Vertrauen auf-
bauen heißt, transparent kommunizieren.“
„In der ersten Führungsebene gibt es kei-
ne Schonfrist“, warnt Karoly Pataki. Jede
Entscheidung, die eine Führungskraft
trifft, habe rechtliche, gesellschaftliche
und wirtschaftliche Auswirkungen. Pataki
weiß das. Er hat selbst 25 Jahre Erfahrung
als Führungskraft, war unter anderem
Vorstandsvorsitzender einer international
agierenden Unternehmensgruppe. Und
hat sich nun mit der Gravitas GmbH auf
die Entwicklung von Führungskräften
spezialisiert. Er bereitet diese vor, den glo-
balen Anforderungen der heutigen Welt
gerecht zu werden – nämlich sozial, wirt-
schaftlich, gesellschaftlich und auch um-
welttechnisch. Keine einfachen Anforde-
rungen, die in der obersten Führungsetage
auf einen zukommen. Deshalb solle man
sich wirklich gut überlegen, ob man die
Herausforderung annehmen möchte.
„Man sollte sich ethisch, moralisch nicht
verstellen, um eine Führungskraft zu wer-
den. Man darf der Firma und auch sich
selbst nicht schaden, nur um weiterzu-
kommen.“ Genau das sei aber oft schwie-
rig. Denn „die drei Buchstaben CEO
glänzen. Die sind wie der Olymp, wo die
Ehrgeizigen hinwollen“. Doch diesen Gip-
fel dürfe man nicht mit Kompromissen
erklimmen. Man müsse sorgfältig abwä-
gen, was die wirtschaftlichen, rechtlichen,
gesellschaftlichen und sozialen Interessen
der Stakeholder sind. Stimmen diese mit
den eigenen Vorstellungen überein? „Eine
Führungskraft ist kein Ja-Sager. Sie muss
Redaktion_Susanna Wurm
Fotografie_Nuno Filipe Oliveira / www.nunofofo.co
Illustration_Alexandra Auböck
auch den Mut haben, zu begründen, wa-
rum sie anders entscheidet, als es von ihr
vielleicht erwartet wird.“
Die ersten 100 Tage beginnen demnach
meist schon vor dem (eventuellen) Ar-
beitsantritt. Entscheidet man sich schließ-
lich für die Stelle, beginnt die Zeit, in der
man als Manager die Weichen für die Zu-
kunft des Unternehmens stellen kann. In
der man Vertrauen aufbauen und Respekt
gewinnen muss. Während man von Kol-
legen, Mitarbeitern, Eigentümern, Auf-
sichts- und Betriebsräten mit Argusaugen
beobachtet wird. Worauf es ankommt in
dieser aufregenden Zeit:
Wie man als neue
Führungskraft
Vertrauen,
Respekt,
Anerkennung
gewinnt.
01
100 Tage Vorbereitung.
So schnell wie möglich zeigen, was man
kann, rasche Entscheidungen treffen und
auf einen „quick win“ hinsteuern – „das
würde ich nicht empfehlen“, warnt Karoly
Pataki. „Bevor man überhaupt Entschei-
dungen treffen kann, muss man sich über
Ohne Team, das hinter
ihr steht, ist eine
Führungskraft eine
Visitenkarte ohne Inhalt.
Karoly Pataki
CEO, Gravitas