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Roboter sind ja nun wirklich praktisch.
Zwar können sie auch mal einen Defekt
haben, aber der ist meist schnell beho-
ben. Sie geben, wenn gewünscht, in 24
Stunden an sieben Tagen die Woche:
alles. Ohne deshalb an Nackenverspan-
nungen, Kopfschmerzen oder Erschöp-
fungserscheinungen zu leiden. Schnup-
fen bekommen Roboter auch nicht und
ein Burn-out nur dann, wenn der Blitz
einschlägt. Dafür haben Roboter aber ein
gehöriges Defizit in Sachen emotionaler
Intelligenz sowie Kreativität, und vor
Charme sprühen sie auch nicht gerade.
Ohne Menschen geht’s also sowieso nicht.
Wenn Menschen aber alles geben und
wie Maschinen arbeiten, dann sieht das
anders aus als bei Robotern. Gravierend
anders. Rückenschmerzen, Schlafstörun-
gen, Verdauungsprobleme, Kopfschmer-
zen, geistige Erschöpfung – die Liste
der Beschwerden als Folge von zu wenig
Bewegung und zu viel Stress ist lang. Eh
wurscht, gibt ja für fast jedes Wehweh-
chen ein Mittelchen. Und die helfen auch
noch superschnell. Sehr praktisch. Denkt
man.
Krankheit. Ein
schleichender Prozess.
Bis einem klar wird, was man da eigent-
lich macht: Man dämmt die Symptome
ein, an der Ursache ändert sich nichts.
Oder anders ausgedrückt: Man behan-
delt die Spitze des Eisberges, nicht den
Eisberg selbst. Günther Beck, Arzt und
Geschäftsführer des Villa Vitalis Medical
Health Resorts in Aspach, vergleicht das
gern mit einem Auto: „Das ist, wie wenn
ich in einen schleichenden Patschen im-
mer wieder Luft pumpe. Nach den nächs-
ten 20 Kilometern muss ich mir wieder
Luft von der Tankstelle holen ... glücklich
bin ich dabei aber nicht.“ Um das Prob-
lem in Griff zu bekommen, müsse man
den Reifen wechseln. „Genau so ist es,
wenn man immer wieder nur die Symp-
tome bekämpft. Der Körper passt sich an,
ich brauche dann vielleicht eine höhere
Dosis oder ein zweites Präparat und bin
schnell in einem Teufelskreis drin“, so
Beck.
Das leuchtet ein. Aber! Wenn man wie
gerädert aufwacht, der Kopf brummt
und das stundenlange Meeting ansteht
(bei dem es einfach um alles geht), dann
geht’s nun mal nicht ohne Kopfwehtab-
lette. Und wenn man zwar selbst spürt,
dass man lieber das Bett hüten sollte,
die To-do-Liste aber kilometerlang ist,
dann – mal ganz ehrlich – kann einem
die Suche nach der Ursache den (schmer-
zenden) Buckel runterrutschen. Der
Leistungsdruck ist nun mal verdammt
groß. Vielleicht ist es ein bisschen wie
mit einem Schnellzug. Ist man erst ein-
mal eingestiegen, egal ob das nun der
Lebensstil-Waggon, der Berufs-Waggon
oder der Gesellschafts-Waggon ist, dann
kann man nicht eben mal aussteigen.
Könnte man natürlich schon. Aber dann
ist der Zug abgefahren. Oder? „Im Grun-
de kann man sich jeden Tag aufs Neue
entscheiden“, findet Günther Beck. Das
Schwierige daran sei aber, auf sich selbst
zu hören und nicht auf externe Faktoren
im Sinne von „Was denken denn die an-
deren, wenn ich das mache?“. Er merke
sehr wohl, wie schwer es für die meis-
ten Menschen ist, wenn sie einmal auf
einen gewissen Zug aufgesprungen sind.
„Dann die Notbremse zu ziehen oder bei
der nächsten Station auszusteigen, fällt
schwer – selbst wenn sie schon merken,
dass ihnen dieser Lebensstil nicht guttut.“
Unter der Oberfläche
tut sich was.
Es ginge dabei aber keineswegs darum,
ein völlig stressfreies Leben zu führen.
„Stress per se ist ja nichts Schlechtes“, so
Beck. „Jedenfalls dann nicht, wenn unse-
re körpereigenen Regulationssysteme gut
funktionieren.“ Sind die aber erschöpft,
können sie die vielen Reize nicht mehr
verarbeiten. Die Rede ist also vom be-
rühmten Fass, das irgendwann überläuft.
„Viele, viele Kleinigkeiten füllen das Fass
und dann bringt plötzlich ein Tropfen
#1
Läuft’s noch oder
zwickt’s schon?
Wer immer nur die Symptome
bekämpft, ist schnell in einem
Teufelskreis drin.
Günther Beck
Geschäftsführer, Villa Vitalis
Medical Health Resort