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höhe begegnen kann. Dafür stehen auch 

die Flügel im Organisationsnamen: für 

die Individualität und Freiheit eines je-

den Einzelnen im Unternehmen. Die 

Mitarbeiter sind zu Eigenverantwortung 

aufgerufen. 

Filzwieser habe irgendwann bemerkt, 

dass man durch Hierarchien Barrieren 

baut und die Vielfalt nicht mehr wirken 

kann. Im Unternehmen gibt es daher 

nun 18 Verantwortungsfelder mit jeweils 

einem Feldverantwortlichen sowie eine 

zweite Verantwortungsebene mit sieben 

Verantwortlichen, worunter auch einer 

der Eigentümer selbst ist. In der zweiten 

Ebene werden Dinge mit Mehrheitsprin-

zip beschlossen. Filzwieser selbst hat auch 

nur eine Stimme und in drei Fällen ein 

Vetorecht: bei großen Investitionen und 

bei Entscheidungen gegen die Grund-

richtung des Unternehmens oder die 

spezielle neue Organisationsform. „Im 

Inneren gibt es keinen Geschäftsfüh-

rer mehr“, erklärt Filzwieser, dass er die 

Funktion nur mehr am Papier habe und 

sich nun als Lotse sieht. Er habe sich aus 

dem operativen Tagesgeschäft zurückge-

zogen und widme sich nun auch mehr 

seiner zweiten Leidenschaft, der Fotogra-

fie. Wenn es den Geschäftsführeranzug 

einmal braucht, wird dieser kurz aus dem 

Schrank geholt und dann schnell wie-

der reingehängt, denn im Unternehmen 

begegne man sich auf Augenhöhe und 

Lotse Filzwieser ist für die Navigation der 

Grundrichtung zuständig. In eine Rich-

tung, die es erfordere, „ein Stück weit weg 

vom eigenen Ego zu gehen“ und viele 

einzelne Dinge zu machen, die man in 

einem Industrieunternehmen so gar nicht 

erwarten würde._

verwendet.“ Filzwieser selbst habe aber 

unter Beachtung seiner zwei zu Beginn 

aufgestellten Prämissen Schritt für Schritt 

die gesamte Organisation neu aufgestellt 

und dieser den Namen „Organisation 

Wurzeln und Flügeln“ gegeben. Abge-

leitet ist der Name aus der Natur: „Die 

Organisation ist ein Stück weit ein le-

bendiges System, das wir jeden Tag neu 

mit Leben füllen müssen.“ Die Wurzeln 

stehen für „alles, was nachhaltig ist, wie 

unsere Identität sowie Handlungswerte“. 

Letztere wurden formuliert, um den Mit-

arbeitern gewisse Leitsätze „in die Hand 

geben“ zu können. Dazu gehört etwa der 

Grundsatz, dass Gewinnmaximierung 

kein Unternehmensziel ist. Man wolle 

aus dem „Rennen im Hamsterrad“ aus-

steigen und stattdessen kurze Wege zum 

Ziel gehen. Es wird alles hinterfragt, viele 

Gewohnheiten radikal weggeschmissen 

und verändert. Heißt in der Praxis: Jours 

fixes wurden abgeschafft. „Wir machen 

nur mehr dann Besprechungen, wenn es 

auch etwas zu besprechen gibt.“ Es wer-

den keine langfristigen Zukunftspläne 

mehr erstellt: „Dafür ist sehr viel Zeit 

draufgegangen und im Endeffekt wurde 

eh wieder alles anders.“ Weiters wurde de-

finiert, dass man sich als „Lösungsfinder“ 

auf dem Gebiet der Kunststofftechnik 

verstehe und für „die richtigen Kunden“ 

Mehrwert generieren wolle. Denn nur, 

wenn das eigene Können und die Vor-

aussetzungen zu den Anforderungen der 

Kunden passen, könne man die besten 

Lösungen finden. Dazu passe auch die 

schon Jahre zuvor getroffene Entschei-

dung, die Niederlassung in China mit ei-

ner völlig anderen Kultur aufzulassen. Es 

seien auch keine Auslandsniederlassun-

gen geplant: „Ein Unternehmen mit 100 

Mitarbeitern hat im deutschsprachigen 

Raum genug Möglichkeiten.“

Selbstverantwortung

Aber noch einmal zurück zur Aussage 

„richtiger Kunde“. Dazu Filzwieser: „Das 

war ein Punkt, bei dem mich die Mit-

arbeiter mit großen Augen angeschaut 

haben und gedacht haben, der spinnt ja 

und soll froh sein, dass wir überhaupt 

Kunden haben.“ Überhaupt würde sein 

Weg immer mal wieder Kopfschütteln 

auslösen. Aber davon lasse er sich nicht 

abhalten, es seien auch mehr und mehr 

Unternehmer auf der Suche nach etwas 

Neuem. Für Filzwieser war es immer klar, 

dass ein begleitender Diskussionsprozess 

im Unternehmen notwendig sei. Diese 

Aufgabe habe seine Frau übernommen, 

die zuvor nicht im Unternehmen tätig 

war und eine entsprechende Ausbildung 

dafür hat. Filzwieser hatte anfangs Zwei-

fel, ob es funktioniert, wenn die Frau des 

Chefs den Mitarbeitern für Gespräche 

zur Verfügung steht. Doch die Mitarbei-

ter hätten das freiwillige Angebot, mit 

seiner Frau im Vertrauen sprechen zu 

können, rasch angenommen: „Es hat sich 

gezeigt, dass es den Menschen ein un-

heimliches Bedürfnis ist, über Dinge, die 

sie bewegen, zu sprechen.“ Das Angebot 

sei eigentlich nur für die wesentlichen 

Verantwortungsträger gedacht gewesen, 

doch es seien dann schnell Leute aus allen 

Bereichen des Unternehmens gekommen. 

„Und das war auch gut so“, erklärt Fil-

zwieser. Das Ergebnis der Gespräche habe 

sehr viel zu dem Klima beigetragen, dass 

nun ganz entscheidend für das Unterneh-

men sei: nämlich eine Organisation ohne  

Hierarchien, wo man sich auf Augen- 

Jeder, der nicht kritisch das 

Warum der Digitalisierung 

hinterfragt, wird am Ende ein 

Opfer davon sein.

Gerhard Filzwieser

Lotse, Industrietechnik  

Filzwieser