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Von höher, schneller, weiter hatte Unternehmer Gerhard Filzwieser genug. Das Ergebnis: ein
Industrieunternehmen mit einer völlig neuen Organisation
mit dem Namen „Wurzeln und Flügeln“.
Klingt etwas irreal. Ist es aber nicht, denn die Rede ist von einem erfolgreichen Kunststoffverarbeiter
in Gaflenz mit knapp 100 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von 16 Millionen Euro.
WARUM?
in Kooperation mit
Redaktion_Sabrina Kainrad
Fotografie_Gerhard Filzwieser
Illustration_Alexandra Auböck
mer nur darum gehen, wie man die Effi-
zienz noch weiter steigern könne. Filzwie-
ser vermisst dabei die Beschäftigung mit
der Rolle des Menschen: „Wir reden nur
mehr über Digitalisierung und Künstli-
che Intelligenz und wo wir diese einsetzen.
Aber wir fragen nicht, was den Menschen
ausmacht, wo wir diesen mit welchen Fä-
higkeiten auch in Zukunft brauchen. Wir
sollten uns in derselben Intensität, mit der
wir uns mit der Digitalisierung beschäf-
tigen, auch mit den Menschen beschäf-
tigen.“ Er plädiert für eine „Natürliche
Intelligenz“.
Freiheit
Ungewohnte Worte für einen Eigentü-
mer eines Industriebetriebes, der mit drei
Folien-Extrusionsanlagen, 21 Spritzguss-
maschinen sowie einem eigenen Werk-
zeugbau 16 Millionen Euro erwirtschaf-
tet. Doch Filzwieser stellt klar: „Ich bin
kein Weltfremder und verweigere mich
den anstehenden Dingen nicht. Wir ge-
hen nur viel zu unreflektiert in das Thema
rein. Jeder, der nicht kritisch das Warum
der Digitalisierung hinterfragt, wird am
Ende ein Opfer davon sein.“ Und genau
dieses Warum habe er begonnen, für sich
und sein Unternehmen zu hinterfragen,
und dadurch seinem Unternehmen „eine
Identität“ gegeben. Die dabei für ihn zen-
tralste Frage war: Warum gehen die Men-
Es fällt schwer, nach einem Besuch beim
Kunststoffverarbeiter Filzwieser in Gaf-
lenz und dessen Eigentümer Gerhard
Filzwieser zu entscheiden, worüber man
als Erstes schreiben soll. Über die Ent-
scheidung, dass Wachstum kein Unter-
nehmensziel mehr ist? Oder darüber, dass
es keine Jours fixes mehr gibt und keine
langfristigen Budgetpläne mehr erstellt
werden? Oder doch darüber, dass sämt-
liche Hierarchien im Betrieb abgeschafft
wurden? Das sind alles Punkte, die man
in einem Industrieunternehmen nicht
erwarten würde, und daher sind sie
auch berichtenswert. Aber es würde zu
kurz greifen, mit solch einer einzelnen
Maßnahme zu beginnen, wenn man das
Familienunternehmen Industrietechnik
Filzwieser vorstellt. Eigentümer und Ge-
schäftsführer – pardon – Lotse Gerhard
Filzwieser begann vor drei Jahren, mit
seinem Unternehmen einen völlig neuen
Weg einzuschlagen. Zum Lotsen kom-
men wir später noch, beginnen wir von
vorne.
„Ich folgte im Job und im Sport auch lan-
ge Zeit dem klassischen Motto ‚höher,
schneller, weiter’. Aber irgendwann habe
ich gemerkt, dass es sich nicht mehr rich-
tig anfühlt und es uns Menschen nicht
gut tut“, erzählt Filzwieser darüber, wie er
begonnen hat, sein Tun zu hinterfragen.
Beim Thema Digitalisierung würde es im-
Wachstum
Mittelstand
HERAUSFORDERUNG
WIRTSCHAFT 4.0
Digitalisierung