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Redaktion_Susanna Wurm
Kreativdirektion_Alexandra Auböck
Fotografie_Mario Riener, Zeppezauer:
Kneidinger Photography, Werk X: Daniel Wolf
Assistenz_Martin Anderl
Visage & Hair_Carola Staudinger Hair Salon & Spa
Und plötzlich ist da nichts mehr. Nichts anderes. Das Handy vibriert in der Tasche? Unbemerkt.
Jeder Gedanke, der eben noch so wichtig war, wird weggeschoben. Was links, rechts, über oder
unter einem passiert – irrelevant.
Die ganze Aufmerksamkeit
ist nach vorne gerichtet. Auf diesen
einen Menschen. Der die Bühne für sich einnimmt, als wäre sie sein Wohnzimmer. Der Blickkontakt
aufnimmt, als würde er ein Vier-Augen-Gespräch führen.
Es gibt Menschen, die ziehen das Publi-
kum in ihren Bann. Philipp Hochmair ist
so ein Mensch. Wenn er den Jedermann-
Monolog aus seinem tiefsten Inneren
nach außen kehrt, dann vergisst man
als Zuseher schon mal aufs Atmen. Wir
treffen ihn in Wien zum persönlichen
Gespräch. Kurz danach kommt auch
Hubert Wolf zum Interview. Er weiß mit
seiner langjährigen Schauspielerfahrung
eines ganz gewiss: Wer fürs Publikum
präsent sein will, der muss da sein. Im
Hier und Jetzt. Und dann sprechen wir
noch mit Iris Zeppezauer. Die Sekunde-
Eins-Gründerin beschäftigt sich damit,
wie man Aufmerksamkeit gewinnt – sie
coacht Manager ebenso wie Start-up-
Gründer für ihre Auftritte auf der Büh-
ne oder auch im Meetingraum. Die drei
Persönlichkeiten haben unterschiedliche
Zugänge, wie sie ihr Publikum begeistern,
aber in einem sind sie sich einig: Die
Bühne ist der richtige Ort, um ordentlich
Spaß zu haben. Die nächste Keynote, der
nächste Vortrag vor 300 Menschen, der
Pitch vor potentiellen Investoren, die
Ansprache vor der gesamten Belegschaft
oder einfach das Meeting im kleinen
Rahmen können kommen!
#Philipp Hochmair
„Wenn du deine
eigene Begeisterung
rauslässt, ziehst du
andere in den Bann.“
„Philipp Hochmair plus Band quälen mich
und treten näher, als mir lieb ist. Aber ich
kann nicht aufhören zu lauschen – er zieht
mich in den Bann, der Jedermann.“ Das ist
nur eine (brokensilence) von vielen begeis-
terten Kritiken zur Jedermann-Reloaded-Per-
formance von Philipp Hochmair. Er macht
dabei Hugo von Hofmannsthals Stück zu
einem mehrstimmigen Monolog, eingebettet
in die Elektrobeats seiner „Elektrohand Got-
tes“ – oder anders erklärt: Er macht aus dem
hundert Jahre alten Mysterienspiel etwas, das
so niemand erwartet hätte. Und genau darum
gehe es, ist Hochmair überzeugt: „Aufmerk-
samkeit gewinnst du, indem du irritierst.“
Aber dazu später. Wir warten im WerkX, ei-
ner Theaterbühne am Petersplatz in Wien, auf
jenen Mann, den wir alle als Verkehrsminister
Joachim Schnitzler aus der ORF-Serie „Vor-
stadtweiber" kennen. Und seit Sommer 2018
als den gefeierten Schauspielstar, der quasi
über Nacht bei den Salzburger Festspielen für
den erkrankten Tobias Moretti als Jedermann
eingesprungen ist – die Antwort darauf: Stan-
ding Ovation von Publikum und Presse.
Es ist der 13. April. Ein Samstag. Nicht ir-
gendein Samstag. Es ist der Tag der Romy-
Verleihung. Aber noch weiß Philipp Hoch-
mair nicht, dass er in ein paar Stunden den
österreichischen Publikumspreis überreicht
bekommen wird. Um Punkt 11 Uhr springt
er aus dem Taxi. Und dann ist er plötzlich da.
Also so richtig da, im Sinne von präsent. Er
nimmt den Raum für sich ein, als wäre die-
ser ein Land, das er regiert. Als wären wir sein
Volk, das ihn wählen soll. Und ja, wir werden
ihn wählen, es bleibt uns gar nichts anderes
übrig, denn er macht das, was er auch auf der
Bühne macht: Er zieht uns in seinen Bann.
Wie das geht? Wir fragen ihn. Zuvor bittet er
den Visagisten, ihm doch ein paar Stunden
Schlaf zu schminken, davon bekomme er im
Moment zu wenig. Von einem Drehort geht’s
zum nächsten. Man sieht ihn neben Kinofil-
men in den Serien „Blind ermittelt“, „Vor-
stadtweiber“ und in der Freud-Thriller-Serie
für Netflix. „Fast ein halbes Jahr ohne Pause
drehen, das war schon sehr intensiv“, sagt er,
gähnt dabei aber nicht, sondern grinst.
Woher kommt all diese Energie?
BÜHNE FREI!
Hochmair_Aus der Begeisterung für die Sa-
che. Da werden Körperkräfte wach, die man
vielleicht im ruhenden oder zufriedenen Zu-
stand so nicht mobilisieren kann.
Zufrieden und ruhig, das sind Sie
also nicht. Das ist jetzt keine Frage,
mehr eine Feststellung.
Hochmair_Sagen wir so: Ich strebe keinen
Zustand an, in dem ich „zu-Frieden“ bin,
sondern eben „be-Geistert“. Innerer Frieden
ist etwas ganz Kostbares, aber im kreativen
Prozess für mich nicht brauchbar. Die Geister
wachrufen! Wenn alles geschafft ist, sehr ger-
ne, aber währenddessen sieht das anders aus.
Wenn Sie Ihre ersten Bühnenauftritte
mit jenen von heute vergleichen, wie
haben Sie sich weiterentwickelt?
Hochmair_Man lernt sich mit der Zeit im-
mer besser kennen und immer besser mit sei-
nen Geistern, also mit seiner Angst und seiner
Freude umzugehen … auch mit dem eigenen
Wahn. Schauspiel hat sicher viel mit Wahn
zu tun. Und diesen Wahn positiv einzusetzen,
für sich zu nutzen, zu zähmen, ist bestimmt
eine wichtige Aufgabe. Jetzt bin ich fast 25
Jahre in dem Beruf – und die Umwandlung
von Talent in Können ist ein entscheidender
Schritt. Man muss das Talent erst erkennen
und dann anwenden lernen. Die richtige Um-
setzung und Platzierung dieser inneren Kräfte
ist entscheidend.
Warum hat Schauspiel etwas
mit Wahn zu tun?
Hochmair_Auf der Bühne muss eine Ener-
gie entstehen, die die Leute in den Bann zieht.
Aber wie geht das? Die Zuschauer wollen viel-
leicht wie im Zoo oder auf Safari wilde Tiere
sehen. Und die Bühne ist vielleicht eine Art
Arena, wo die wilden Tiere aus dem Käfig ge-
lassen werden. Und ich suche dieses wilde Tier