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Egal ob Sonne, Regen oder Unwetter – kaum ein anderer Faktor
beeinflusst die Wirtschaft
so sehr
wie das Wetter. Rund 80 Prozent der globalen Weltwirtschaft hängen von der Witterung ab. Wie
sich Unternehmen der Wetterabhängigkeit stellen und warum diese in gewisser Weise sogar etwas
Positives ist. Ein Schwerpunkt zum Wetter.
SOMMER, SONNE, … UNWETTER!
Wenn es regnet, sinkt die Lust auf Eis
und Spritzer, Tierparks und Open-Air-
Festivals haben sinkende Besucherzahlen.
Gleichzeitig jubeln Einkaufszentren und
Hallenbäder über steigende Umsätze. Das
Wetter ist immer des einen Freud und des
anderen Leid. Dementsprechend viel wird
darüber geklagt. Zu Unrecht, wie Mete-
orologe und Unternehmensberater Josef
Rohregger erklärt: „Das Wetter ist kein
Faktor, den Unternehmen fürchten müs-
sen – darauf kann man sich zumindest
einstellen.“ Anders als man im ersten Mo-
ment oft glaubt, sei die Witterungsabhän-
gigkeit im Unterschied zu vielen anderen
Faktoren wie etwa Kundenverhalten oder
politische Regulatoren seriös vorherseh-
bar: „Ein verregneter Sommer ist für einen
Eisverkäufer eine Katastrophe, aber die
Ausfälle sind zumindest prognostizierbar.“
Witterungsabhängigkeit
berechnen
Bei dieser Prognose unterstützt Rohregger
Unternehmen seit 2013 als einziger me-
teorologisch tätiger Unternehmensberater
in Österreich. Dafür wird in einem ersten
Schritt ein Modell erstellt, das die Witte-
rungsabhängigkeit eines Unternehmens
abbildet. In einem zweiten Schritt kann
ein Unternehmen anhand des Modells
seinen Geschäftsverlauf mit der aktuellen
Wettervorhersage prognostizieren. Für das
Modell werden die Absatzzahlen der ver-
gangenen Jahre den dabei herrschenden
Wetterverhältnissen gegenübergestellt und
die Abhängigkeiten analysiert. Rohregger
nennt ein Beispiel: Bei einem Freibad
könnte man etwa zu dem Ergebnis kom-
men, dass man an Tagen mit einer Min-
desttemperatur von 25 Grad und mehr
als sieben Sonnenstunden die maximale
Besucheranzahl erreicht. Werden beim
Wetterbericht zukünftig diese Parameter
gemeldet, kann man sich für den Ansturm
mit genügend Personal und Vorräten am
Buffet ausstatten. Wichtig bei der Arbeit
mit Wettervorhersagen sei zu wissen: Jede
seriöse Wettervorhersage endet nach fünf
bis maximal sieben Tagen, alles darüber ist
unseriös. Prognosen mit Wettervorhersa-
gen sind daher nur für Betriebe geeignet,
in denen Planungen in diesem kurzen
Zeithorizont möglich sind. Bei Unterneh-
men mit längeren Laufzeiten könne es laut
Rohregger aber Sinn machen, dass man
am Ende des Geschäftsjahres die Ergebnis-
zahlen um das Wetter bereinigt. So könn-
te sich ein Getränkehersteller ausrechnen,
wieviel Prozent des Umsatzwachstums
dem guten Wetter und wie viel einem hö-
heren Marketingbudget zu verdanken sind.
Ausbildung zum Wetterfrosch
Was generell die Arbeit mit Wetterprog-
nosen anbelangt, sagt Rohregger: „Viele
interessieren sich für das Wetter und da-
her wurde es zu einer optimalen Werbe-
plattform. Es gibt mittlerweile scheinbar
unendlich viele Wetterinformationen.“
Rohregger bietet daher für Firmen, die
für ihre tägliche Arbeit Wetterprognosen
brauchen, Schulungen für den Umgang
mit Wetterdaten an. Ziel dabei: „Am Ende
des Tages soll der Mitarbeiter nicht acht
Wetterdienste kennen, sondern mit zwei
gut arbeiten können.“
Es gibt grundsätzlich zwei große globa-
le Wettermodelle: das kostenpflichtige
europäische Modell sowie das kostenlose
amerikanische, das von fast allen Wetter-
seiten benutzt wird. Rohregger empfiehlt,
sich jeweils beide anzuschauen. Wenn
die Vorhersagen übereinstimmen, ist die
Wahrscheinlichkeit schon einmal hoch,
Redaktion_Sabrina Kainrad
Illustration_Alexandra Auböck
Fotografie_Doppler/2019, Mario Riener,
Vitalwelt, Luisenhöhe
Wie wird
das Wetter?
dass sie stimmen, bei Unterschieden sollte
man alarmiert sein. Bergfex stellt das eu-
ropäische Modell kostenlos zur Verfügung,
für das amerikanische Modell empfiehlt
Rohregger mit wetter24.de den größten
privaten Wetterdienst Europas. Eine Fülle
an fundierten Informationen gebe es auch
bei der ZAMG. Insgesamt hätten Wetter-
texte im Unterschied zu Wettersymbolen
eine höhere Aussagekraft: „Der Satz, dass es
regnerisch und kühl wird, sagt mehr aus als
ein Symbol mit fünf Regentropfen.“
Versicherung
gegen das Wetter
Apropos Regentropfen: Ein verregneter
Sommer kann für einen Eisverkäufer oder
einen Open-Air-Festival-Betreiber schon
einmal dramatische Auswirkungen haben.
In diesem Zusammenhang hört man immer
mal wieder von Wetterversicherungen oder
sogenannten Wetterderivaten. Sobald sich
ein bestimmtes zuvor festgelegtes Wetter-
szenario einstellt, bekommt der Kunde eine
Entschädigung. „Solche Versicherungen
könnten im Einzelfall Sinn machen“, sagt
Rohregger. Gleichzeitig warnt Rohregger:
„Das ist eine Wette mit dem Wetter. Man
muss sich gut überlegen, ob sich diese aus-
zahlt oder ob es lukrativer ist, das finanzielle
Risiko selber zu tragen.“ Insgesamt würden
solche Versicherungen in Österreich auch
keine große Rolle spielen, so Rohregger.
Christoph Zauner, Leiter Retail und Cor-
porate bei der Generali Versicherung, er-
klärt, dass Wetterrisiken wie Sturm, Hagel
und Hochwasser schon immer versichert
werden würden, den Bedarf an darüber hi-
nausgehenden Versicherungen im Zusam-
menhang mit dem Wetter würden einige
Spezialversicherer wie etwa die Österreichi-
sche Hagelversicherung als Spezialist für die
Landwirtschaft abdecken.