75
in internationalen Teams arbeiten. Inter-
kulturelle Kompetenz benötigt jeder von
uns. Man braucht ein offenes Herz und
offene Augen. Um sich damit auf andere
und das Andere einlassen zu können. Die-
se Kompetenz erwerben wir automatisch,
wenn wir Bereitschaft zeigen, voneinander
zu lernen und aufeinander zuzugehen. Es
geht also ums Zuhören, Nachfragen und
um Verständnis. Und hier gibt es Hunder-
te von Möglichkeiten, Integrationsarbeit
zu leisten. In Unternehmen und natürlich
auch außerhalb davon. Die eigene Offen-
heit und interkulturelle Kompetenz wird
dadurch von selbst gefördert.
Welchen Einfluss haben Führungskräf-
te auf das (inter-)kulturelle Bewusstsein
in einem Unternehmen? Worauf sollte
beim Führen interkultureller Teams
besonders achtgegeben werden?
Anschober
_Führungskräfte sollen sich
immer bewusst machen, dass Integration
wie das Training für einen Marathonlauf
ist: Wenn man zielstrebig daran arbeitet,
wird es funktionieren, aber sicher nicht
gleich von heute auf morgen. Durchhal-
tevermögen, Konsequenz und der eigene
Blickwinkel sind hier sehr, sehr wichtig. Es
gibt Führungskräfte, die mir erzählt haben,
dass sie anfangs Berührungsängste und
Schwierigkeiten mit Asylwerberlehrlin-
gen im Unternehmen festgestellt haben.
Im Regelfall haben die neuen Mitarbeiter
dann schnell mit ihrer Leistung und ih-
rer Persönlichkeit überzeugt. Wir haben
in Oberösterreich über 380 Asylwerber
in Lehrberufen – damit ist interkulturel-
les Bewusstsein ein großes und wichtiges
Thema für Unternehmen, ihre Mitarbeiter
und ihre Führungskräfte. Die Unterneh-
mensführung kann hier durch Vorbild-
wirkung viel zu einem wertschätzenden
Umgang mit kultureller Vielfalt beitragen.
Und etwa die Bereicherungen bewusst
wahrnehmen, die kulturelle Vielfalt mit
sich bringt. Ein persönliches Beispiel: Ich
habe vor kurzem in einem Linzer Restau-
rant Apfelschlangerl mit Sternanis geges-
sen. Das schmeckte anders. Aber großartig.
Der Koch hatte eines seiner Lieblingsge-
würze aus seiner Heimat dafür verwendet.
Also ein traditionelles Gericht neu inter-
pretiert. Für mich eine Bereicherung. Na-
türlich gibt es auch Enttäuschungen und
Schattenseiten, das ist normal. Überall,
wo Menschen handeln, gibt es das. Aber
98 Prozent aller Migranten gehen einen
guten Weg. Und das soll auch gezeigt und
erzählt werden.
Sie haben vor gut einem Jahr die Ini-
tiative
„
Ausbildung statt Abschiebung"
gestartet. Wie wollen Sie sich weiter
für dieses Ziel einsetzen?
Anschober
_Wir haben das Unterschrif-
tenziel der Open Petition auf 100.000
erweitert. Über 1.000 Unternehmen un-
terstützen die Petition bereits. Vielen ist
bewusst geworden, dass Zuwanderung
eine Antwort auf den Fachkräfteman-
gel sein kann. Bis dato haben wir über
65.000 Unterzeichner der Petition, 190
Gemeinden mit 2,8 Millionen Einwoh-
nern und viele Prominente, die das Ziel
unterstützen. Wir versuchen auch gera-
de, einen Brief an den Bundeskanzler zu
richten, um die Möglichkeit zu bekom-
men, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Besonders begeistert bin ich von unserer
neuen Integrationskampagne „Wir sind
Oberösterreich“: Ein Feuerwehrhaupt-
mann aus Wilhering wird hier mit einer
Feuerwehrfrau aus Afghanistan zu sehen
sein. Gemeinsam in einer Klammer, die
für unsere Grundwerte steht. Wir brin-
gen die vielen, vielen positiven Beispiele,
um Migration und Vielfalt als Chance u
nd Bereicherung sichtbar und spürbar zu
machen._
Erfolg bedeutet für mich,_dass sich die Gesellschaft ein kleines Stück
weiter in die Richtung eines menschlichen Umgangs miteinander be-
wegt.
Mein größter beruflicher Wunsch ist, dass_wir es schaffen, dass die
Asylwerber, die in einer Lehre sind und von der Abschiebung bedroht
sind, wegen ihrer großartigen Integrationsleistung im Land bleiben
dürfen.
Wie sich dieser Wunsch erfüllen lässt_Wenn es uns gelingt, so stark
in der Gesellschaft zu werden, dass der Bundeskanzler beeindruckt ist,
umdenkt und eine Lösung der Menschlichkeit und der ökonomischen
Vernunft zulässt.
Vielfalt ist_für mich eine Bereicherung meines Lebens.
von Rudi Anschober
Zuwanderung kann eine
Antwort auf den
Fachkräftemangel sein.
Rudi Anschober
Oberösterreichischer
Landesrat
für Integration