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in internationalen Teams arbeiten. Inter-

kulturelle Kompetenz benötigt jeder von 

uns. Man braucht ein offenes Herz und 

offene Augen. Um sich damit auf andere 

und das Andere einlassen zu können. Die-

se Kompetenz erwerben wir automatisch, 

wenn wir Bereitschaft zeigen, voneinander 

zu lernen und aufeinander zuzugehen. Es 

geht also ums Zuhören, Nachfragen und 

um Verständnis. Und hier gibt es Hunder-

te von Möglichkeiten, Integrationsarbeit 

zu leisten. In Unternehmen und natürlich 

auch außerhalb davon. Die eigene Offen-

heit und interkulturelle Kompetenz wird 

dadurch von selbst gefördert. 

Welchen Einfluss haben Führungskräf-

te auf das (inter-)kulturelle Bewusstsein 

in einem Unternehmen? Worauf sollte 

beim Führen interkultureller Teams 

besonders achtgegeben werden?

Anschober

_Führungskräfte sollen sich 

immer bewusst machen, dass Integration 

wie das Training für einen Marathonlauf 

ist: Wenn man zielstrebig daran arbeitet, 

wird es funktionieren, aber sicher nicht 

gleich von heute auf morgen. Durchhal-

tevermögen, Konsequenz und der eigene 

Blickwinkel sind hier sehr, sehr wichtig. Es 

gibt Führungskräfte, die mir erzählt haben, 

dass sie anfangs Berührungsängste und 

Schwierigkeiten mit Asylwerberlehrlin-

gen  im Unternehmen festgestellt haben. 

Im Regelfall haben die neuen Mitarbeiter 

dann schnell mit ihrer Leistung und ih-

rer Persönlichkeit überzeugt. Wir haben 

in Oberösterreich über 380 Asylwerber 

in Lehrberufen – damit ist interkulturel-

les Bewusstsein ein großes und wichtiges 

Thema für Unternehmen, ihre Mitarbeiter 

und ihre Führungskräfte. Die Unterneh-

mensführung kann hier durch Vorbild-

wirkung viel zu einem wertschätzenden 

Umgang mit kultureller Vielfalt beitragen. 

Und etwa die Bereicherungen bewusst 

wahrnehmen, die kulturelle Vielfalt mit 

sich bringt. Ein persönliches Beispiel: Ich 

habe vor kurzem in einem Linzer Restau-

rant Apfelschlangerl mit Sternanis geges-

sen. Das schmeckte anders. Aber großartig. 

Der Koch hatte eines seiner Lieblingsge-

würze aus seiner Heimat dafür verwendet. 

Also ein traditionelles Gericht neu inter-

pretiert. Für mich eine Bereicherung. Na-

türlich gibt es auch Enttäuschungen und 

Schattenseiten, das ist normal. Überall, 

wo Menschen handeln, gibt es das. Aber 

98 Prozent aller Migranten gehen einen 

guten Weg. Und das soll auch gezeigt und 

erzählt werden. 

Sie haben vor gut einem Jahr die Ini-

tiative 

Ausbildung statt Abschiebung" 

gestartet. Wie wollen Sie sich weiter 

für dieses Ziel einsetzen?

Anschober

_Wir haben das Unterschrif-

tenziel der Open Petition auf 100.000 

erweitert. Über 1.000 Unternehmen un-

terstützen die Petition bereits. Vielen ist 

bewusst geworden, dass Zuwanderung 

eine Antwort auf den Fachkräfteman-

gel sein kann. Bis dato haben wir über 

65.000 Unterzeichner der Petition, 190 

Gemeinden mit 2,8 Millionen Einwoh-

nern und viele Prominente, die das Ziel 

unterstützen. Wir versuchen auch gera-

de, einen Brief an den Bundeskanzler zu 

richten, um die Möglichkeit zu bekom-

men, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. 

Besonders begeistert bin ich von unserer 

neuen Integrationskampagne „Wir sind 

Oberösterreich“: Ein Feuerwehrhaupt-

mann aus Wilhering wird hier mit einer 

Feuerwehrfrau aus Afghanistan zu sehen 

sein. Gemeinsam in einer Klammer, die 

für unsere Grundwerte steht. Wir brin-

gen die vielen, vielen positiven Beispiele, 

um Migration und Vielfalt als Chance u 

nd Bereicherung sichtbar und spürbar zu 

machen._ 

Erfolg bedeutet für mich,_dass sich die Gesellschaft ein kleines Stück 

weiter in die Richtung eines menschlichen Umgangs miteinander be-

wegt. 

Mein größter beruflicher Wunsch ist, dass_wir es schaffen, dass die 

Asylwerber, die in einer Lehre sind und von der Abschiebung bedroht 

sind, wegen ihrer großartigen Integrationsleistung im Land bleiben 

dürfen. 

Wie sich dieser Wunsch erfüllen lässt_Wenn es uns gelingt, so stark 

in der Gesellschaft zu werden, dass der Bundeskanzler beeindruckt ist, 

umdenkt und eine Lösung der Menschlichkeit und der ökonomischen 

Vernunft zulässt.

Vielfalt ist_für mich eine Bereicherung meines Lebens.

von Rudi Anschober

Zuwanderung kann eine  

Antwort auf den  

Fachkräftemangel sein. 

Rudi Anschober

 

Oberösterreichischer  

Landesrat  

für Integration