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Menschen im Team die gleichen Charak-

tereigenschaften oder Haltungen haben, 

immer einer zu viel ist. Und das kann 

ich nur unterstreichen. Es kann natür-

lich manchmal kurz ärgerlich sein, wenn 

man etwas genau geplant hat und dann 

ein Impuls kommt, der alles durchein-

anderbringt. Aber das ist wertvoll! Und 

verlangt Offenheit, Bereitschaft und das 

Wichtigste für eine Führungskraft: Am-

biguitätstoleranz, also Spannungen und 

Widersprüchlichkeiten ertragen, in Be-

ziehung treten und daraus Entscheidun-

gen fällen zu können. 

Hintenaus

_Gemischte Führungsteams 

sind bei uns schon seit vielen Jahren 

Standard. Führungspositionen erfordern 

gewisse Fähigkeiten und Talente, die 

gleichermaßen von Frauen als auch von 

Männern erfüllt werden können: Strate-

gische Fähigkeiten, Durchsetzungskraft, 

Entscheidungsfreudigkeit, soziale Kom-

petenz und Verantwortungs-bereitschaft. 

Diewald

_Ja, definitiv! Ich glaube, es 

gibt hier genug Studien und Erfahrungs-

berichte, sodass wir den Erfolg von ge-

mischten Führungsteams nicht in Frage 

stellen müssen. Ich sehe, dass bei uns 

im Unternehmen, unabhängig von Ge-

schlecht, Herkunft, Alter, jeder seine Er-

fahrung miteinbringt und so unmittelbar 

zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. 

Alleine in meinem direkten Team habe 

ich einen guten Mix aus extrem gut aus-

gebildeten Frauen und Männern. 

Lehner-Linhard_

Ich glaube, dass das „Al-

phatierverhalten“ im eigenen Geschlecht 

immer etwas schwieriger ist. Männer und 

Frauen haben manchmal ein anderes Do-

minanzverhalten. Darum können sich 

gemischte Führungsteams super ergänzen. 

Aber natürlich müssen alle eine ähnliche 

Konsensorientierung haben, auch wenn 

jeder dabei seinen eigenen Führungsstil 

hat. Was man als Führungskraft unbe-

dingt benötigt, ist ein starker Wille. Und 

„Willingness“, also große Bereitschaft, et-

was durchzusetzen, länger und intensiver 

zu arbeiten und sich länger und genauer 

über etwas zu informieren. 

#04 

Was ist der Hauptgrund 

dafür, dass es in den meisten 

Branchen noch immer so wenige 

Frauen in Führungspositionen 

gibt? Welche gesellschaftli-

chen, familiären und politischen 

Hindernisse sehen Sie noch auf 

dem Weg zur Chancengleichheit 

in der Karriere für alle 

Geschlechter? 

Lehner-Linhard

_ Ich glaube, der Haupt-

grund ist, dass sich viele Frauen leider 

noch immer keine Spitzenposition zu-

trauen. Woran das aber genau liegt, kann 

ich nicht beurteilen. Vielleicht glauben 

manche Frauen immer noch, dass von 

ihnen eine Unterordnung unter familiäre 

Konzepte leise mitgefordert wird. Man-

che haben auch Angst davor, dass Fa-

milie und Karriere nicht nebeneinander 

bestehen können. Es ist aber natürlich 

auch eine Frage der Lebensziele: Manche 

Frauen möchten einfach mehrere Kinder 

haben und sich so gut und viel wie mög-

lich um diese kümmern. Und das ist ein 

tolles Lebensziel, da darf es nie eine Wer-

tung geben! Wenn ich einen Führungsjob 

ausüben möchte und Familie habe, muss 

ich viel organisieren und strukturieren, 

andere Konzepte finden und einen star-

ken Willen besitzen. Es kann gut funk-

tionieren, wenn ich Unterstützung habe 

und gedanklich zu hundert Prozent dort 

präsent bin, wo ich gerade bin: im Büro 

oder daheim bei der Familie. 

Bogner-Strauß

_Wir müssen es gemein-

sam schaffen, die nach wie vor bestehen-

den Hürden abzubauen. Noch immer 

gibt es traditionelle Strukturen innerhalb 

vieler Unternehmen und festgefahrene 

Denkmuster bei den Verantwortlichen, 

die es Frauen erschweren, in Spitzenpo-

sitionen zu gelangen. Durch Bewusst-

seinsbildung können wir echte Chan-

cengleichheit schaffen. Wir brauchen ein 

Umdenken – sowohl bei Frauen als auch 

bei Männern. Die rechtlichen Rahmen-

bedingungen gibt es. Kindererziehung ist 

Elternarbeit. Wenn sich beide Elternteile 

die Kinderbetreuung partnerschaftlich 

aufteilen, ist es auch für beide möglich, 

Familie und Beruf zu vereinbaren. Un-

sere politische Aufgabe ist es, die Rah-

menbedingungen für Vereinbarkeit von 

Diversity-Management

Diversity-Management wird meist im Sinne von „soziale Vielfalt konstruk-

tiv nutzen“ verwendet. Es hebt die individuelle Verschiedenheit im Sinne 

einer positiven Wertschätzung besonders hervor und versucht, sie für den 

Unternehmenserfolg nutzbar zu machen, indem jeder sein Potential 

optimal einbringen kann. Die Ziele von Diversity-Management sind also, 

eine produktive Gesamtatmosphäre im Unternehmen zu erreichen, soziale 

Diskriminierungen von Minderheiten zu verhindern und die Chancengleich-

heit zu verbessern. Als wirtschaftliche Vorteile sehen viele Unternehmen mit 

einer Diversity-Strategie eine gesteigerte Produktivität der Mitarbeiter, eine 

Steigerung der Managementqualitäten durch einen wechselseitigen Erwerb 

männlicher und weiblicher Kompetenzen, eine zunehmende Kreativität 

bei Problemlösungen und eine schnellere Reaktion auf sich verändernde 

Ansprüche am Arbeitsmarkt.

Charta der Vielfalt

Die Charta der Vielfalt ist eine europäische Initiative zur Förderung 

der Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft – 

unabhängig von Geschlecht, Lebensalter, Herkunft und Hautfarbe, 

sexueller Orientierung, Religion und Weltanschauung sowie körperlicher 

oder geistiger Beeinträchtigung. Die Charta der Vielfalt ist ein öffentliches, 

freiwilliges Bekenntnis. In Österreich wurde die Charta der Vielfalt 2010 

von der Wirtschaftskammer Österreich und der Wirtschaftskammer 

Wien nach einer Idee von factor-D Diversity Consulting gestartet. 

Knapp 200 Unternehmen sind bisher beigetreten.