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gerechnet die zweieinhalbfache Menge
an trockenem Holz benötigt. „Für uns
ist Holz der nachhaltigste und ökono-
mischste Werkstoff.“ Deshalb engagiert
sich das Unternehmen für den Erhalt
der Wälder: In Albanien hat man zum
Beispiel ein zehn Hektar großes Auffors-
tungsprojekt gestartet. Dabei werden
nicht nur Bäume gepflanzt, sondern die
lokale Bevölkerung auch in der nachhal-
tigen Bewirtschaftung des Holzes unter-
richtet.
Theoretisch könnte man den Zellstoff
auch aus anderen Pflanzen oder sogar
Abfällen gewinnen, räumt Doboczky
ein. „Allerdings ist der Umweltaufwand
für den Aufschluss etwa von Elefanten-
gras oder Maisstängeln wesentlich hö-
her.“ Dasselbe gelte für die Wiederauf-
bereitung von Altkleidung, an der man
derzeit forsche: Mischfasern, Nähte
aus Polyester oder Aufdrucke aus Harz
ökonomisch und ökologisch sinn-
voll zu trennen, sei derzeit noch nicht
möglich. Was allerdings dank intensi-
ver Forschung bereits gelungen ist, ist
das Recycling von Verschnittresten aus
Baumwolle: Bei der Refibra-Technolo-
gie verwendet Lenzing die Stoffabfälle
großer Textilhersteller und gewinnt da-
raus eine neue, hochwertige Lyocellfaser.
Textilbranche umkrempeln
Auch in anderen Bereichen arbeitet
Lenzing mit der globalen Textilbranche
zusammen, um sie nachhaltiger zu ge-
stalten: „Viele große Marken kommen
zu uns, ob wir ihnen dabei helfen kön-
nen“, sagt Doboczky. Jährlich werden
weltweit mehr als 100 Millionen Ton-
nen Fasern zu Textilien verarbeitet. Zwei
Drittel davon sind erdölbasierte Fasern
wie Polyester oder Polyamid, die letzt-
lich auf Deponien landen oder als Mik-
roplastik bis zu 500 Jahre in den Ozea-
nen herumtreiben, bevor sie vollständig
abgebaut sind. „Wir arbeiten mit einem
nachwachsenden Rohstoff, der aus CO
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und Sonnenlicht entsteht, und machen
ästhetische, funktionale und emotionale
Produkte, die am Ende ihres Lebenszy-
klus wieder biologisch abbaubar sind“,
unterstreicht Doboczky die Vorzüge der
Lenzing-Fasern.
Diese bestätigt auch der Higg Materials
Sustainability Index (MSI), der unter-
schiedliche Materialien auf ihre Auswir-
kungen auf die Umwelt vom Rohstoff
bis zum fertigen Stoff bewertet: Als Roh-
material schneiden die Viskose-, Modal-
und Lyocellfasern von Lenzing sogar
besser ab als Bio-Baumwolle, ganz zu
schweigen von konventionell hergestell-
ter Baumwolle, die wegen ihres hohen
Pestizid-, Wasser- und Landverbrauchs
eine negative Öko-Bilanz aufweist.
„Wenn wir es schaffen, dass ein Textil-
unternehmen statt 100 Prozent Polyes-
ter nur 90 Prozent verwendet und zehn
Prozent unserer Faser zumischt, leistet
es einen wesentlichen Beitrag zum Um-
weltschutz und steigert zugleich den
Tragekomfort des Produkts“, argumen-
tiert Doboczky.
Der Druck auf die Modebranche, nach-
haltiger zu agieren, werde in Zukunft
weiter steigen, glaubt Doboczky. Da-
her will er als „Role Model“ andere
Führungskräfte inspirieren, sich bereits
jetzt für die UNO-Nachhaltigkeitsziele
einzusetzen, sei es beim Weltwirtschafts-
forum in Davos oder bei der Klimakon-
ferenz in Kattowitz. Zugleich richtet
sich Lenzing verstärkt an die Endkonsu-
menten, um Bewusstsein für das Thema
zu schaffen. „Viele treffen ihre Kaufent-
scheidungen nicht auf Basis von Nach-
haltigkeit. Und wenn sie es tun, ist es