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Greiner
_Die Konjunktur verläuft immer
in Wellenbewegungen, wir haben den Gip-
fel überschritten. Das geringere Wachstum
im nächsten Jahr heißt nicht, dass es ir-
gendwo Rückgänge geben wird. Es wird
zu einer Beruhigung kommen und das ist
sogar hilfreich, wenn wir uns doch wieder
ein Stück weit in einen Normalzustand
begeben. Die extrem gute Konjunktur hat
die strukturellen Probleme der Vergangen-
heit aufgedeckt. Wir haben einen massiven
Fachkräftemangel und trotzdem eine hohe
Arbeitslosigkeit – daran müssen wir wei-
ter arbeiten. Der Fachkräftemangel ist ein
enormer Hemmschuh für eine noch bes-
sere konjunkturelle Entwicklung gewesen.
Der Fachkräftemangel ist seit längerer
Zeit Thema, wie weit sind wir bei der
Problemlösung?
Haindl-Grutsch
_Stichworte „AMS-Re-
form“ und „qualifizierte Zuwanderung“ –
da hat die Regierung schon etwas in der
Pipeline. Der MINT-Fachkräftemangel
ist und bleibt aber die nächsten Jahre die
größte Herausforderung. Wir müssen drei
Ebenen bearbeiten. Erstens: arbeitslose
Menschen in Österreich stärker aktivieren
und ausbilden. Zweitens: Leute aus Euro-
pa nach Österreich holen – in Südeuropa
gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit von
über 30 Prozent. Drittens: qualifizierte
Zuwanderung aus Drittstaaten.
Greiner
_Es ist halt ein sehr mühsamer
Prozess, Menschen für den MINT-Bereich
zu begeistern, wenn ihnen die Freude
daran fehlt. Daher müssen wir schon im
Kindergarten damit anfangen, den Kin-
dern diese zu vermitteln und die Angst vor
der Technik zu nehmen. Aber man kann
natürlich niemanden bevormunden. Wir
müssen einfach immer wieder darauf hin-
weisen, dass es gerade in OÖ in der In-
dustrie im MINT-Bereich sehr spannende
Arbeitsplätze gibt.
Haindl-Grutsch
_Was die Auswahl der
Ausbildung von jungen Leuten anbelangt,
glauben wir in Österreich, in einem selbst-
fahrenden Auto zu sitzen – aber wir haben
noch nicht bemerkt, dass es nicht von sel-
ber fährt. Es gibt kaum ein anderes Land
auf der Welt, das so wenig in die Auswahl
eingreift – mit folgendem Ergebnis: Wir
haben viel zu viele Studienabbrecher und
falsch qualifizierte Leute. Schulen wer-
den gefüllt, Studienrichtungen werden zu
Massenstudien – egal ob die Absolventen
jemand braucht. Österreich steckt sehr viel
Geld in sein Bildungswesen, aber die Er-
gebnisse sind nur mittelmäßig und bei 50
Prozent prüfungsinaktiven Studenten ist
das eine große Geldvernichtungsmaschine.
Die Politik muss endlich den Mut haben,
stärker lenkend einzugreifen und dafür zu
sorgen, dass junge Leute eine gute und
nachgefragte Ausbildung bekommen. Was
nützen uns die akademischen Taxifahrer –
die haben aber viel Geld gekostet …
Im Zusammenhang mit der Sockel-
arbeitslosigkeit kommt auch immer
die Kritik von Seiten der Arbeitneh-
mervertretung, dass man nicht bereit
ist, etwas dagegen zu tun. Gibt es da
Versäumnisse bei der Industrie?
Haindl-Grutsch
_Man muss da unter-
scheiden: In der Industrie sind die Wei-
terbildungsinvestitionen weit vor allen
anderen Wirtschaftsbereichen. Aber die
Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist in
Österreich ein Thema, weil es die ‚Früh-
pensionitis’ immer noch gibt, die älteren
Mitarbeiter durch das Senioritätsprinzip
und die hohen Lohnnebenkosten wesent-
lich teurer sind. Ein Betrieb muss auf seine
Kosten schauen. Aber der Staat könnte es
natürlich so gestalten, dass ältere Mitarbei-
ter am Arbeitsmarkt attraktiver sind.
Wie sollte das ausschauen?
Haindl-Grutsch
_Die Schlupflöcher in
die Frühpension gehören geschlossen und
stattdessen die Weiterbildung forciert so-
wie die Lohnkosten der älteren Mitarbei-
ter günstiger gemacht. Generell befindet
sich in Österreich die Weiterbildung noch
im Dornröschenschlaf.
Die schwarz-blaue Landesregierung in
OÖ ist mittlerweile seit gut drei Jahren
im Amt. Welche Note geben Sie dieser?
Greiner
_Ebenfalls ein „Sehr gut“ – be-
sonders positiv ist die Schuldenbremse.
Gerade in Zeiten einer Hochkonjunktur
muss man versuchen, ein Nullbudget oder
sogar einen Überschuss zu erzeugen, um
Spielraum für schwächere Zeiten zu haben.
Denn das könnte unter Umständen schon
in ein paar Jahren wieder der Fall sein.
Haindl-Grutsch
_Mit der neuen Landes-
regierung ist wirklich ein Drive reinge-
kommen – es ist Halbzeit, nicht nachlas-
sen in der zweiten Spielhälfte!
Im Zusammenhang mit dem Fachkräf-
temangel gibt es immer wieder die
Forderung nach der Erhöhung der
Frauenerwerbsquote – gerade die In-
dustrie ist sehr männerlastig. OÖ ist in
Österreich seit Jahren bei der Kinder-
betreuung Schlusslicht, heuer sorgte
die Einführung von Gebühren für die
Nachmittagsbetreuung für Diskussio-
nen. Wie steht die Industrie dazu?
Haindl-Grutsch
_Vorweg: OÖ war ne-
ben Wien das einzige Bundesland mit
völlig kostenlosen Kindergärten. Das
österreichische Bildungssystem zeichnet
sich dadurch aus, dass es gratis ist und es
bis zur Hochschule kaum Gebühren gibt.
Das hat aber nicht zu einem besseren oder
gerechteren System geführt, sondern das
fördert nur die „Kostenlos-und-umsonst-
Mentalität“: Es ist gratis und daher nicht
viel wert, aber wir nutzen es halt, egal ob
wir es wirklich brauchen. Den Bürgern
muss mehr Eigenverantwortung zugemu-
tet und dafür weniger von seinem Brutto-
gehalt weggenommen werden.
Greiner
_Wir fordern schon lange den
Ausbau der Kinderbetreuung. Die Verein-
barkeit von Familie und Beruf sowie die
Förderung von Frauen ist der Industrie
sehr wichtig und sie tut auch viel dafür.
Natürlich gibt es bei der Vereinbarkeit
noch einiges zu tun – das Thema ist aber
nicht alleine mit Kinderbetreuungsplät-
zen zu lösen, es muss die gesamte Familie
beitragen. Was insgesamt den Zugang von
Frauen in die Technik anbelangt, können
wir nur immer wieder appellieren: Es gibt
keine Unterschiede, Frauen und Mäd-
chen können das gleiche wie Männer und
Jungs – sie müssen sich halt trauen und
es ausprobieren. Leider herrscht in vielen
Familien immer noch ein traditionelles
Rollenbild bei der Berufswahl und dann
muss sich ein junger Mensch erst einmal
gegen die herrschende Familienmeinung
durchsetzen._
Wie Greiner und Haindl-
Grutsch die
Zukunft der
Sozialpartnerschaft
sehen,
warum die IV OÖ Landesrat Rudi
Anschobers Kampf für den V
erbleib
von Asylwerbern in Österreich nicht
unterstützen kann und welche
Leistungsanreize es für die junge
Generation braucht, lesen Sie
auf unserer W
ebsite
.