36

hauptsächlich arbeitet sie selbstständig – sie 

kümmert sich um die Organisation von Ver-

anstaltungen, managt Projekte und erledigt 

Aufgaben, die kreatives Denken erfordern“, 

erzählt er. Die Arbeiten in einem Büro ha-

ben sich in den vergangenen zehn Jahren ge-

waltig verändert. Der Prozess geht weiter, die 

Anforderungen an Büromitarbeiter ändern 

sich noch stärker, weil selbstständiges sowie 

kreatives Denken und empathische Kompe-

tenzen mehr gefordert werden. Gleichzeitig 

wird Künstliche Intelligenz Standard-E-

Mails beantworten, Junk-Mails löschen und 

Memos durch Spracherkennung in Worte 

fassen, ohne sie tippen zu müssen. Schneller, 

automatisierter und angenehmer soll es also 

werden. „Mein Credo ist ja, dass der Mensch 

im 21. Jahrhundert selbst in hochentwickel-

ten Ländern wie Österreich immer noch viel 

zu stark mit Routinetätigkeiten beschäftigt 

ist – und die halten ihn davon ab, hochwer-

tige und wichtigere Dinge zu machen. So-

wohl in der Dienstleistung als auch in der 

Produktion gibt es stets mehr Aufgaben, für 

die Menschen immer notwendig sein wer-

den“, so Haindl-Grutsch. Er sieht vor allem 

viel Potential für neue Dienstleistungen. Wer 

hätte gedacht, dass es im Jahr 2018 Berufe 

wie Blogger oder Youtuber gibt und man da-

bei viel Geld verdienen kann?

Während auf der einen Seite also Berufe weg-

fallen werden, kommen neue hinzu. „Das 

war immer schon so“, sagt Barbara Stöttin-

ger. „Technologische Innovationen führen 

dazu, dass manche Tätigkeiten nicht mehr 

gebraucht werden. Aber das bedeutet auch, 

dass viele Tätigkeiten, die nicht immer das 

Spannendste sind, aufgewertet werden. 

Wenn ein LKW-Fahrer dann etwa nicht 

mehr das Fahrzeug steuert, kann er bei sei-

nen Auslieferungsaktivitäten andere Aufga-

ben übernehmen, die mehr Spaß machen.“ 

Ein Spaß, der meist höhere Qualifikation 

erfordert. Das sieht Stöttinger optimistisch: 

„Natürlich tun sich jüngere Generationen 

leichter damit, weil die neuen Technologi-

en schon viel mehr Bestandteil ihres Lebens 

sind. Aber sowohl die Unternehmen als auch 

die Arbeitnehmer haben jetzt Gestaltungs-

spielraum. Firmen sind in ihren Weiterbil-

dungsaktivitäten gefordert, die sie ihren Mit-

arbeitern zur Verfügung stellen, und auch 

Mitarbeiter sind gefordert, diese Angebote 

aktiv wahrzunehmen – sich umzuschauen 

und ihren Berufsweg für sich selbst in die 

Hand zu nehmen. Wir sind den Veränderun-

gen nicht rettungslos ausgeliefert.“ 

Die Hauptherausforderung für die Arbeits-

welt der Zukunft sei, so auch Haindl-Grutsch, 

das Bildungssystem so flexibel zu machen, 

dass es auf die neuen Herausforderungen ein-

gehen kann. Er spreche aber bewusst nicht 

von einer Bildungsreform, sondern vielmehr 

von einer ständigen Verbesserung, die sich 

immer wieder an die aktuellen Herausforde-

rungen anpasst. Außerdem sieht er ein weite-

res zentrales Handlungsfeld für die Politik in 

der Weiterqualifizierung des Arbeitsmarktes. 

„Es ist völlig unzureichend, wie heute Jobs 

vermittelt und Umschulungen gemacht wer-

den. Das AMS-System hat über Jahrzehnte 

gut funktioniert, aber jetzt ist ein Zeitpunkt, 

wo man überlegen muss, wie man arbeitslo-

se Menschen wieder fit für den Job machen 

und entsprechend umschulen, qualifizieren 

und zum Teil auch aus der sozialen Hänge-

matte holen kann. Der Anreiz, arbeiten zu 

gehen, muss deutlich höher sein und der So-

zialtransfer muss jenen helfen, die’s brauchen, 

aber mit dem Ziel, dass diese Menschen so 

schnell wie möglich wieder auf eigenen Bei-

nen stehen können“, so der Geschäftsführer 

der IV Oberösterreich. Dass es im Jahr 2030 

für weniger qualifizierte Arbeitskräfte keine 

Jobs mehr geben wird, das glaubt er nicht. 

„Es wird auch dann und darüber hinaus viele 

Jobs geben, die mit mittlerer Ausbildung ein 

sehr gutes Berufsleben mit einem vernünf-

tigen Einkommen ermöglichen und nicht 

von Maschinen erledigt werden. Nicht jeder 

Mensch hat die Sehnsucht nach hochkreati-

vem Werken – aber auch für diese Menschen 

wird es gute und erfüllende Aufgaben geben.“

Chance #5

Pioniergeist ist Trumpf.

Die ersten Astronauten, die auf den Mond 

geflogen sind, wussten, wie man ein Raum-

schiff navigiert. Sie hatten auch sehr konkre-

te Vorstellungen, was sie am Mond erwarten 

würde – dazu wurden viele Hypothesen auf-

gestellt. Wie es dann aber tatsächlich sein 

würde, das wussten sie nicht. Es brauchte 

also verdammt viel Mut, um aus dem Raum-

schiff auszusteigen. Und dann funktionierte 

nicht alles so wie geplant. Sie mussten also 

sekundenschnell auf Unerwartetes reagieren. 

So ähnlich sieht Stöttinger die Aufgaben der 

Führungskräfte im Jahr 2030: „Es braucht 

Pionierqualitäten – neben den fachlichen 

Qualifikationen braucht es Eigenschaften 

wie Mut, Selbstreflexion, Emotionale Intel-

ligenz und die Fähigkeit, schnell auf Verän-

derungen reagieren zu können.“ Muss eine 

Führungskraft in Zukunft gleichzeitig ein 

IT-Profi sein? „Man kann diese Technologi-

en, die sich im Moment weiterentwickeln, 

gar nicht im Detail erfassen, weil sie so kom-

plex und miteinander verknüpft sind und 

exponentiell wachsen. Es sei denn, man ge-

staltet sie selbst mit und ist technisch extrem 

nahe dran“, erklärt Stöttinger. Die Aufgabe 

einer Führungskraft sei es daher vielmehr, 

die Anwendungen, Auswirkungen und die 

Geschwindigkeit der Technologien zu verste-

hen. „Das alleine ist schon eine gigantische 

Herausforderung.“ Die Fragen, die sich eine 

Führungskraft daher stellen sollte: Welche 

Wir sind den 

Veränderungen nicht 

rettungslos ausgeliefert.

Barbara Stöttinger

Uni-Professorin und Leiterin 

der WU Executive Academy