130

der einzige, der leer ist, alle anderen Stüh-
le sind besetzt. Von Frauen und Männern 
unterschiedlichen Alters, manche vertieft 
in ein Gespräch, andere mit Blick in eine 

Zeitung. Geht man denn neuerdings in 

den Teesalon anstatt ins Kaffeehaus? „Ich 
beobachte sehr stark, dass sich immer 
mehr junge Menschen für Tee interessie-
ren. Die kommen nicht nur, weil wir hier 
so eine angenehme Atmosphäre haben, 
mit Kuschelecken, Kaminfeuer und Jazz-
abenden, sondern auch weil sie gesund-
heitsbewusst sind und die Ruhe schätzen“, 
erzählt Wu. Tee habe schließlich einiges 
zu bieten: „Kaffee regt auf, Tee regt an“, 
sagt sie und schmunzelt. Tatsächlich sind 
die enthaltenen Koffeine in beiden Ge-
tränken chemisch gesehen zwar gleich, 
sie wirken aber anders. Beim Tee tritt die 
Wirkung verlangsamt und schwächer ein 
als beim Kaffee, hält dafür aber länger 
an. Das Koffein aus dem Kaffee gelangt 
schneller ins Blut und setzt Adrenalin frei, 
das bedeutet eine rasche Wirkung, die al-
lerdings nicht lange anhält. „Tee ist etwas 
zum Genießen, ein stilvoller Begleiter für 
ruhige Gespräche. Tee hat die Energie und 
auch die Gabe, Menschen zu beruhigen.“ 
Da scheint etwas dran zu sein, denn die 
Menschen hier ticken tatsächlich in einem 

Zeitlupen-Modus. Ihre Gespräche sind an-

geregt, aber gleichzeitig ruhig. Ihre Schul-
tern entspannt, die Handys in den Taschen 
verstaut. Und das Ambiente mit warmem 
gedimmtem Licht, die leisen Musikklänge 
sowie der Duft nach Kräutern verstärkt 
diese Ruhe noch mehr. Es ist fast so, als 
würde man hier in einer Zeitkapsel sitzen, 
eine kleine Weiche zur gnadenlos schnell-
lebigen Zeit da draußen. 

Nach drei Minuten ist die Sanduhr durch-
gelaufen, der Tee fertig gezogen, ein sehr 
hochwertiger Grüntee mit dem klingen-
den Namen „White Monkey“ übrigens. 
Mmhh, er schmeckt sehr fein, mild, nur 
leicht grasig. Und plötzlich ist es wieder 
da – so wie vorhin auch im Pianino – die-
ses Gefühl. Das einem leise, aber sehr 
bestimmt zuflüstert: „Hier fühl ich mich 
wohl, ich komme bestimmt bald wieder, 
und meinen Freunden muss ich auch un-
bedingt davon erzählen.“ Dieses Gefühl 
hervorzurufen, das ist die Kunst eines 
Gastgebers. 

Die wichtigsten 

Zutaten für Erfolg 

in der Gastronomie. 

01 

Freude an der 

Dienstleistung

Harald Katzmayr könnte sich jeden Tag 
ärgern. Darüber, dass er genau dann 
arbeitet, wenn seine Freunde frei ha-
ben. Tut er aber nicht. Im Gegenteil. 

„Viele meiner Freunde kommen ohne-

hin zu mir ins Lokal und außerdem 
sind meine Gäste Genussmenschen, 
für sie da zu sein und mit ihnen Zeit 

zu verbringen ist das Schönste, das 
es gibt“, sagt der Gastronom. Ein Wirt, 
der keinen Spaß daran hat, seine Gäs-
te zu sehen, sei in der völlig falschen 
Branche. „Ohne Gastfreundschaft 

kann kein Gastronomiebetrieb über-
leben. Und wer Dienstleistung nicht 

positiv sieht, der ist auch falsch hier – 
dienen und leisten, darum geht’s in der 
Gastronomie. Manche Menschen wol-
len weder dienen noch leisten.“ Wem 
dieses Dienen hingegen Freude macht, 
der sei hier genau richtig. „Ich habe 
den Umgang mit Menschen vor al-
lem von meinem Vater gelernt, er war 
selbstständig im Verkauf von Mode. 
Er liebte den Kontakt zu den Kunden. 
Und so geht es mir auch – natürlich ist 
die Büroarbeit notwendig, damit mein 
Betrieb zahlungsfähig bleibt. Aber die 

Zahlen beeinflussen, das kann ich nur 

am Ort des Geschehens – bei meinen 
Gästen“, erklärt Katzmayr.  

02 

Leidenschaft 

Helen Wu liebt Tee. Das war immer 
schon so. Mit ihrem Interesse an Be-
triebswirtschaft ist es ähnlich. Warum 
also nicht beide Leidenschaften kom-
binieren? „Ich wollte etwas machen, 

HARALD 

KATZMAYR

Die Gastronomie in 30 Jahren_wird 
und muss immer wieder neu auf die 
Menschen und deren Bedürfnisse 

eingehen.

Gastfreundschaft erkennt man_an der 
Freude, mit Menschen umzugehen.

Ein Foodtrend, den ich nicht 

verstehen kann_einen Tag essen, 
einen Tag fasten

Von einer Speisekarte bestelle ich 

niemals_Hunde oder Schlangen.

Ungemütlich finde ich ein Lokal, 

wenn_die Servicemitarbeiter 
unaufmerksam sind.

Vor zehn Jahren dachte ich_dass ich 
unbedingt meine eigene Persönlichkeit 
und meine Vorstellung von 
Gastronomie umsetzen möchte.

Heute weiß ich_dass es mit harter 

Arbeit verbunden ist.