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BEZIEHUNGSSTATUS: ES IST KOMPLIZIERT
Der boomende Onlinehandel lässt die Innenstädte aussterben und das Verkaufspersonal um ihre Jobs
zittern. Die Verbindung von online und stationär ist nur für große Händler interessant, für kleinere gibt es
keine
erfolgsversprechenden Online-Geschäftsmodelle. Ist das alles wahr, können Online- und
stationärer Handel nicht miteinander? Es ist kompliziert. Oder etwa doch nicht?
Bereich verdrängt. So bucht hier mehr
als jeder Zweite (53 Prozent) während
der Suche auch gleich im Internet.
Unterschiedlich,
aber gemeinsam
In dieselbe Kerbe schlägt auch Kinder-
mann: „Ein großer Online-Trend sind
ja mittlerweile Lebensmittel, Frisch-
ware ist online aber ein bisschen ein
Problem. Zudem ist das in Österreich
vergleichsweise schwierig, weil wir
eine sehr hohe Dichte an Lebensmit-
telgeschäften haben. Was online in
dieser Hinsicht zum Beispiel gut funk-
tioniert, ist abgepackte und schwere
Ware. Bei Getränken kann es von Vor-
teil sein, wenn man sie sich nachhause
liefern lassen kann. Auch bei Produk-
ten, die ein sehr langes Haltbarkeits-
datum haben wie etwa Kaffee, ist der
Online-Trend spürbar. Im Endeffekt
werden die mühsam anzuschaffenden
Sachen oder lang haltbare Produk-
te online ausgelagert.“ Während also
nach wie vor viel mehr stationär ge-
kauft wird, informieren sich die Kon-
sumenten aber zusehends im Internet.
REDAKTION_SEBASTIAN LUGER
FOTOGRAFIE_SCHOBESBERGER: HERMANN WAKOLBINGER /
HERVIS / HÖLLERBAUER: DAVID KÖSSL / THINKSTOCK
ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK, THINKSTOCK
Der „Showrooming“-Kunde, der sich
persönlich im Geschäft beraten lässt
und dann online einkauft ist kaum ein
Thema. Ganz im Gegenteil: Dreimal
mehr Kunden recherchieren online
und kaufen bereits informiert stationär.
Der „Showroom“ hat sich ins Inter-
net verlagert, die Online-Auftritte der
Händler werden daher immer wichti-
ger. Wie schafft man eine ausgewoge-
ne Balance zwischen seinem lokalen
Geschäft und dem Online-Auftritt und
damit eine gut harmonisierende Multi-
channel-Strategie? Dazu Kindermann:
„Auf keinen Fall dürfen die beiden Ver-
triebskanäle als seperate Profitcenter,
die miteinander konkurrieren, denn
das demotiviert nur die Verkäufer. Um
diese hingegen zu motivieren sollten
neue Provisionsmodelle angedacht
werden.“ So würden die Vertriebskanä-
le letztlich nicht konkurrieren, sondern
kooperieren. Beim Thema Multichan-
nel trenne sich ohnehin die Spreu vom
Weizen, weil die Qualität des Service
im Geschäft weit auseinandergeht.
Der Grundpfeiler einer erfolgreichen
Verkaufsstrategie über verschiedene
Kanäle liegt nämlich noch immer im
Service des klassischen stationären
HANDEL
„Die Linzer Landstraße und die Wiener
Mariahilferstraße wird es immer ge-
ben“, sagt FH-Professor Harald Kin-
dermann, „es wird nach wie vor mehr
im stationären Handel gekauft als on-
line.“ Diese Ansicht bestätigen auch
die Zahlen der im Mai 2017 von Mar-
ketagent.com in Zusammenarbeit mit
dem Handelsverband Österreich ver-
öffentlichten Studie „Expedition Kun-
de“. Mit wenigen Ausnahmen kaufen
die Leute in allen untersuchten Kate-
gorien quer durch die Branchen nach
wie vor lieber stationär im Geschäft
als online. Wenig überraschend dabei:
Je größer und teurer die Anschaffung
ist, desto lieber wird vor Ort gekauft.
So kaufen etwa 85 beziehungsweise
93 Prozent der Befragten eine Küche
respektive einen Neuwagen nach wie
vor im Geschäft. Aber auch prakti-
sche Gegenstände wie Bohrmaschi-
nen (82 Prozent) oder kleinere Le-
bensmittel wie etwa Schokolade (99
Prozent) kauft man bevorzugt selbst
vor Ort. Lediglich bei Pauschalreisen
haben Bewertungsplattformen mit
Erfahrungsberichten die traditionelle
klassische Beratung im stationären