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Neben der falschen Einschätzung des
Marktes im Hinblick auf dessen teils
recht große Unterschiede in den einzel-
nen Bundesstaaten würden Firmen auch
die Bürokratie unterschätzen. Friedl
rät, besonders am Anfang Beratung in
Anspruch zu nehmen. Als Herausforde-
rung nennt Friedl, dass es „oft gar nicht
so leicht sei, Generalisten mit Hausver-
stand als Mitarbeiter zu finden“.
All-time-High möglich
Die Firmen beobachten die Politik von
Präsident Trump sehr aufmerksam, sei-
en aber nicht in Panik. Dazu komme: Bis
zu 90 Prozent der Entscheidungen, von
denen Firmen betroffen sind, werden auf
Bezirks- oder Bundesstaatenebene ge-
troffen. „Die Geschäfte gehen so gut wie
nie zurvor“, hörte Friedl im Spätsommer
2017 bei 19 von 20 Niederlassungen in
North und South Carolina. Es gibt keine
Rückgänge. Ganz im Gegenteil: Im ersten
Halbjahr 2017 sind die österreichischen
Exporte um fast zehn Prozent gestiegen,
wenn es so weitergeht, könnte es 2017 zu
einem neuen Höchststand kommen und
das Rekordjahr 2015 mit über neun Milli-
arden Euro übertroffen werden.
Von der Politik Trumps hat auch der
Welser Stempelhersteller Trodat noch
nichts bemerkt. Der US-Markt ist für
den laut eigenen Angaben Weltmarkt-
führer bei selbstfärbenden Stempeln
und weltweit größten Stempelhersteller
kontinuierlich zum mittlerweile größten
Einzelmarkt des Konzerns gewachsen.
Der Stempelmarkt ist rückläufig, Tro-
dat wachse weltweit über Austausch
der Handstempel in Selbstfärbestempel
(= Stempel mit integrierten Farbkissen),
geographischer Expansion und Verdrän-
gung von Mitbewerbern. Letzteres ist
2015 in Form einer Akquisition in den
USA
USA passiert. Trodat kaufte einen Mitbe-
werber mit einer Technologie, die man
selbst noch nicht hatte. Als Herausfor-
derung am US-Markt nennt Geschäfts-
führer Roland Rier die auch von Friedl
betonten unterschiedlichen Richtlinien
in den verschiedenen Bundesstaaten:
„Auf dem – auf den ersten Blick – recht
einheitlichen US-Markt gibt es dann
doch sehr viele Unterschiede.“ Eine Be-
sonderheit sei die immer noch weitver-
breitete Anwendung von Schecks, die
Trodat sehr entgegen komme, da diese
abgestempelt werden.
Trump-Effekt
Im gesamten Nafta-Raum macht Trodat
rund 20 Prozent vom gesamten Kon-
zernumsatz von rund 115 Millionen Euro.
Einen „Trump-Effekt“ habe es nur in Me-
xiko gegeben, so Rier: „Wir haben in den
ersten Monaten des Jahres 2017 weniger
verkauft. Investitionen wie Gründungen
oder Genehmigungen, wo unser Produkt
ins Spiel kommt, wurden aufgeschoben.
Die Projekte wurden aber nicht aufge-
löst, wir sind trotzdem auf dem Weg,
unser Umsatzziel zu erreichen.“ Die
Trodat-Produkte für den Nafta-Raum
werden hauptsächlich in der Produktion
in Wels hergestellt, in den zwei anderen
Werken in China und Indien wird ein spe-
zielles Sortiment für deren Markt produ-
ziert. Von der großen Konkurrenz – Rier
spricht von „wahrscheinlich weltweit
mehr als 100 Stempelherstellern“– hebe
sich Trodat durch die Vertriebsstruktur
ab: „Wir haben unseren Vertrieb schon
relativ früh vom Generalvertretersystem
auf eigene Niederlassungen umgestellt.“
Mittlerweile deckt Trodat 80 Prozent des
weltweiten Marktes mit den dreizehn
Tochterunternehmen ab. Die jüngste
Tochter wurde 2016 bei der Übernahme
des Distributors in Mexiko gegründet._
70 Prozent des Wirtschaftswachstums
wird vom Konsum getrieben. „Das er-
öffnet ein enormes Spielfeld für öster-
reichische Unternehmen“, sagt Friedl.
Österreich habe einen guten Ruf in den
USA und es werde auch immer be-
kannter, dass viele neue Technologien
aus Österreich kommen. Auf einem so
großen Markt sei aber auch die Kon-
kurrenzsituation besonders stark. Un-
ternehmen müssten sich vorm Einstieg
genau überlegen, wie sie den Markt
bearbeiten und die Kunden überzeugen
wollen. Den „einen“ US-Markt gibt es
nicht. Die Bundesstaaten seien in al-
len Bereichen wie etwa Gesetzgebung,
Käuferverhalten, Einkommen oder eth-
nische Zusammensetzungen recht un-
terschiedlich. Firmen sollten sich einen
eingegrenzten Pilotmarkt suchen und
mit kleinen Schritten beginnen. Durch
die Größe erreiche man schnell einmal
viele potentielle Kunden: New York als
die bevölkerungsreichste US-Stadt hat
etwa gleich viele Einwohner wie ganz
Österreich, die Wirtschaftskraft rund
um Boston ist mit der österreichweiten
vergleichbar. Wäre Kalifornien ein Staat,
würde er als die sechstgrößte Volkswirt-
schaft weltweit gelten. Friedl warnt vor
falschen Trugschlüssen: „Viele Leute
waren bereits in den USA auf Urlaub,
können Englisch und da die Menschen
so ausschauen wie wir, glaubt man, den
Markt zu kennen.“
In New York werden 800 unterschiedli-
che Sprachen gesprochen, es gibt viele
verschiedene Kulturen. „Da lassen sich
Produkte gut testen, weil die ganze Welt
auf einem kleinen Platz versammelt ist.“
US-Amerikaner könne man nur mit dem
gewinn- und kostensparenden Nutzen
des Produktes überzeugen. Wie und wo
produziert wird, wie alt die Firma ist und
wie diese aufgebaut ist, sei zweitrangig.
680 österreichische Niederlassungen gibt es in den USA, etwa ein Drittel davon
produziert auch aktiv. Sind bei dieser großen Anzahl nicht längst alle möglichen
Firmen am US-Markt vertreten? „Der Markt ist riesengroß und wächst so stark, da
gibt es immer noch Grund für Neue einzusteigen“, ist Michael Friedl, Wirtschaftsde-
legierter in New York, überzeugt.
„Auf dem – auf den
ersten Blick – r
echt
einheitlichen
US-Markt gibt es
dann doch sehr viel
e
Unterschiede.“
Roland Rier
Geschäftsführ
er, Trodat