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WIE FIT (FÜR DIE ZUKUNFT) IST
UNSER GESUNDHEITS-SYSTEM?
Ein Drittel der Menschen ist heute bereits über 50 Jahre alt. Und die Zahl nimmt rasant zu. Je älter wir sind,
desto mehr Leistungen des Gesundheitssystems benötigen wir, desto weniger zahlen wir aber in dieses ein.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Ärztemangel. Gleichzeitig schreitet der medizinische Fortschritt
voran. Zum Glück. Denn heute sind Krankheiten heilbar, die früher noch zu Erblindung oder gar zum Tod
führten. Die Medikamente dazu sind allerdings teuer. Bleibt die Frage:
Wie kann unser System das
alles finanzieren?
144. Die Nummer der Rettung kennt je-
der. Und wenn’s nicht ganz so dringend
scheint, dann fährt man eben selbst
ins Krankenhaus. Das ist manchmal
der einzig richtige Weg. Oft jedoch nur
der teuerste. Jedenfalls für das System.
„Wir haben den Menschen leider in vie-
len Dingen die Gesundheitskompetenz
entwöhnt. Man geht mit der teuren
Ressource Gesundheitssystem oft sehr
leichtfertig um“, sagt Peter Niedermo-
ser, Präsident der Ärztekammer für
Oberösterreich und Pathologe am Kran-
kenhaus der Barmherzigen Schwestern
in Linz. „Wir müssen gemeinsam mit der
Politik den Patienten aufzeigen, wie sie
durch dieses Gesundheitssystem gehen
sollen.“ Etwa, dass man nicht sofort ins
Spital geht, weil das die höchste Versor-
gungsstufe in eben diesem System ist.
Der richtige Weg führe zunächst zum
Hausarzt, dann zum Facharzt und erst
dann in die Spitalsambulanz. „Sonst
werden wir mit all den Herausforderun-
gen, die in Zukunft auf uns zukommen,
einfach nicht mehr zurechtkommen.“ Er
verstehe die Patienten, denn Schmerz
verursache meist auch Angst. Dennoch
sollte man nicht den Hausverstand aus-
schalten, so Niedermoser. Er selbst sei
noch in einer Zeit großgeworden, wo
die Eltern zunächst in einem dicken
Gesundheitsbuch blätterten. „Auch ein
Topfenwickel ist manchmal etwas Gu-
tes, man braucht nicht immer sofort ein
System. Außer in kritischen Fällen na-
türlich!“ Patienten sollten sich bewusst
darüber sein, dass sie mit der richtigen
Vorsorge auch eine Eigenverantwortung
für ihre Gesundheit haben.
Genau da möchte Christine Haberlan-
der, oberösterreichische Landesrätin,
ansetzen. „Prävention spielt eine gro-
ße Rolle, meine Vernetzung der bei-
den Ressorts Gesundheit und Bildung
kommt mir da sehr zugute.“ Sie setzt
sich daher dafür ein, dass sowohl Kin-
dergarten- als auch Schulkindern ge-
sunde Ernährung spielerisch näherge-
bracht und Bewegung als integrativer
Bestandteil des Alltags beigebracht
werden. „Aus diesen Kindern werden
dann hoffentlich gesunde Erwachsene,
die folglich weniger chronische Erkran-
kungen haben“, sagt Haberlander. Und
erwartet sich schließlich weniger Arzt-
besuche. Bis diese Kinder erwachsen
werden, vergehen aber noch einige Jah-
re – die Ambulanzen sind zum Teil jetzt
schon überfüllt und wie Niedermoser
erzählt, ist man „als im Gesundheitsbe-
ruf tätiger Mensch sehr gefordert, man
kommt immer wieder an seine Gren-
zen.“ Das weiß er aus eigener Erfah-
rung, er arbeitet seit 1989 als Arzt, der
Druck habe sich enorm gesteigert. „Die
Zeit, die man für den Patienten zur Ver-
fügung hat, ist geringer geworden, alles
wurde beschleunigt und strukturiert.
Das führt zu mehr Arbeitsbelastung
und Druck.“ Dennoch bezeichnet er das
österreichische Gesundheitssystem als
sehr gut. Im Moment jedenfalls. „Wenn
wir aber weniger Geld für dieses Sys-
tem ausgeben wollen, dann muss man
der Bevölkerung auch ehrlich sagen,
dass es dann nicht mehr diesen Umfang
an Leistungen und diese Qualität geben
kann“, so Niedermoser.
Medizinischer Fortschritt ist teuer.
Rund 64 Millionen Euro mehr als im
Jahr 2017 will Haberlander im Jahr 2018
in den Bereich Gesundheit in Oberös-
terreich investieren. „Der überwiegende
Budgetanteil geht an die Krankenhäu-
ser“, so die Landesrätin. Klingt erst
einmal viel. Doch das relativiert sich
schnell, wenn man bedenkt, wie teu-
er medizinische Leistungen eigentlich
sind. Ein Beispiel: Der medizinische
Fortschritt ermöglicht es, dass alters-
bedingte Netzhauterkrankungen mit
intravitrealen Medikamenteneingaben
in den Glaskörper behandelt werden.
2010 wurden rund 8.000 solcher Leis-
tungen erbracht, im Jahr 2016 waren
es 25.000, die Zahl steigt. Ein anderes
Beispiel: Innovative Medikamente wie
etwa Soliris zur Behandlung seltener
Bluterkrankungen - dadurch entstehen
jährliche Behandlungskosten von bis zu
über 600.000 Euro pro Patient pro Jahr,
die Behandlung ist lebenslang notwen-
dig. „Es gibt laufend neue Medikamen-
te, was auf der einen Seite großartig
ist, das stellt uns aber gleichzeitig vor
enorme finanzielle Herausforderungen
im System“, erklärt Haberlander. Der
medizinische Fortschritt sei nur finan-
zierbar, wenn trotz dieser Zuwächse
bisherige Fehlversorgungen und Dop-
pelgleisigkeiten vermieden werden. Es
brauche daher Effizienzsteigerungen.
„Wir müssen Oberösterreich als Ganzes
sehen und nicht an den eigenen Kran-
kenhausmauern aufhören zu denken.
Auf Empfehlung des Rechnungsho-
fes führen wir im Moment Gespräche
mit den Krankenhäusern, vorerst im
Zentralraum. Wo sehen sie Entwick-
lungsmöglichkeiten, wo wollen sie ihre
Schwerpunkte setzen, wo kann man
Leistungen abstimmen?“ Auch die Häu-
figkeit der Krankenhausaufenthalte und
die Belegsdauer seien Punkte, die noch
effizienter gestaltet werden können. „Es
kann nicht jeder alles machen“, sagt
auch Peter Niedermoser, das wäre
nicht gescheit. „Wir als Ärzteschaft wol-
len uns da einbringen, weil wir jeden Tag
in der Ambulanz und in der Ordination
stehen, wir wissen, was die Patienten
wollen.“ Von der neu gewählten Bun-
desregierung erwartet er sich viel: „Ich
hoffe, die Abgeordneten wissen, dass
wir ein gutes System haben, das man
nicht reformieren muss, sondern dass
man versuchen sollte, nachzujustieren,
wo es Probleme gibt.“
REDAKTION_SUSANNA WURM
KREATIV DIREKTION_ALEXANDRA AUBÖCK
FOTOGRAFIE_MARIO RIENER
ILLUSTRATION_THINKSTOCK