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alles zu verkürzen und mit Lügen zu
garnieren, einen Wahlkampf gewon-
nen. Aber ob er die Amtsdauer als Prä-
sident damit überlebt, ist fraglich. Ich
bin überzeugt, dass Populismus nicht
das Ende der seriösen Politik bedeutet.
Man kann seriöse Politik machen, aber
man muss auch volksnah kommuni-
zieren. Wenn man nur dem Volk nach
dem Mund redet und Mehrheitspolitik
betreibt, dann wird die eigene Politik
vom Agenda-Setter zum Agenda-Sur-
fer und dann kann man keine Richtung
mehr vorgeben. Ein Leader darf nicht
nur die Mehrheitsmeinung vertreten,
sondern muss in eine Richtung gehen
und versuchen, die Menschen mitzu-
nehmen. Er soll vorangehen und aus
Überzeugung kämpfen, anstatt nur zu
imitieren. Ich glaube, man kann mit
Populismus im Internet sehr gut Luft-
schlösser aufbauen, auf Dauer kann
man darin aber nicht wohnen. Trump
ist das beste Beispiel dafür.
Wie möchte hingegen die ÖVP den
Wahlkampf gewinnen?
HATTMANNSDORFER_Natürlich
hat
die Digitalisierung auch für unsere
Kommunikation eine enorme Bedeu-
tung, wenn man bedenkt, dass Sebas-
tian Kurz 690.000 Facebook-Fans hat.
Es gibt eine Unterstützerplattform, die
sehr stark online betrieben wird. Doch
es geht nicht nur um Kommunikation,
sondern auch um Partizipation. Man
muss die Veränderung der Kommuni-
kation als Chance nutzen, aber die Kö-
nigsdisziplin ist es, über das Internet
wieder eine Partizipation zu schaffen.
Die Kunst ist, die Leute, die dir digital
folgen, nicht nur als Follower, sondern
auch als Aktivisten zu gewinnen. Unser
Ziel muss daher sein, die Digitalakti-
visten zu identifizieren. So wie wir den
Zettelverteiler als Aktivisten haben,
brauchen wir auch den Aktivisten im
Internet, der dort seine Meinung ver-
breitet.
Das Internet ermöglicht aber auch, fal-
sche Informationen zu verbreiten.
HATTMANNSDORFER_Ganz entschei-
dend ist die Demokratisierung der
Kommunikation, aber das Problem in
den Social Media Kanälen ist, dass eine
Botschaft ungefiltert verbreitet werden
kann. Und eine Kultur der Widerrede,
der Pro- und Kontraargumentation,
ist im Internet insofern schwieriger,
weil gewisse gesellschaftliche Stan-
dards und Barrieren hier sehr nied-
rig sind. Aber grundsätzlich ist Social
Media nichts anderes als ein digitaler
Stammtisch. Das Argumentieren und
Diskutieren funktioniert gleich, nur
die Verstärkung ist eine andere. Die
große Herausforderung liegt auf zwei
Ebenen. Erstens: Wie kann hinterfragt
werden, was stimmt und was nicht?
Zweitens: Die Zivilcourage muss sich
im Internet erst etablieren. Wenn du
in einen negativen Shitstorm gerätst,
rollt dich die Walze nieder. Damit das
verhindert werden kann, braucht es
Bewusstseinsarbeit. So wie man Kin-
dern beibringt, jemandem aufzuhelfen,
wenn er auf der Straße stürzt oder ein-
zuschreiten, wenn jemand auf einen
Schwächeren losgeht. Dieser Entwick-
lungsprozess der virtuellen Zivilcoura-
ge ist erst in den Anfängen.
Medienwissenschafter Andreas Dörner
sagt: „Wer die Wähler erreichen will,
der muss auch Facetten seines Selbst
che braucht. Digital erfolgreich zu sein
bedeutet, die Agierenden mit gewissen
Befugnissen auszustatten.
Wie immer man zu Donald Trump
stehen mag, er hat es wie kein ande-
rer Politiker geschafft, die digitalen
Kommunikationskanäle während des
Wahlkampfes zu seinem Vorteil zu
nutzen. Er beherzigte dabei aber auch
die Regeln der digitalen Aufmerksam-
keit: personalisieren und dramatisieren
sowie „bad news are good news".
HATTMANNSDORFER_Ich glaube, man
kann online, wo ja vor allem verein-
facht, verkürzt und penetriert wird,
eine Zeit lang gut überleben oder eben
durch einen Wahlkampf kommen. Aber
irgendwann muss man dann auch den
Wahrheitsbeweis antreten. Das ist es,
was Trump gerade in Amerika erlebt.
Und ich denke, das erleben wir jetzt
auch in Österreich, wenn man sich
etwa die Nationalratswahl ansieht. Der
Absturz der FPÖ in allen Umfragen
zeigt, dass es nicht nur darum geht,
gewisse Themen und Stimmungen zu
bedienen, sondern am Ende des Ta-
ges auch den Leistungsnachweis zu
erbringen. Unser Erfolgsrezept ist si-
cher nicht, laut und schrill zu sein. Für
uns muss die Frage sein, wie wir unse-
re Botschaften und unser Programm
emotional übersetzen können. Mit Se-
bastian Kurz ist plötzlich einer da, der
zwar ähnliche Themen bedient, aber
mit dem großen Unterschied, dass er
es auf einer Lösungsseite macht. Der
Populismus im Internet ist weder Stra-
tegie noch Programm. Natürlich sind
populistische Themen und Anti-The-
men im Netz bevorteilt – Donald Trump
hat mit einer starken Antibewegung,
„Pizza verteil
en kann
jeder – ein Land zu
führen bedeutet schon,
bestimmte Eigenschaften,
Fähigkeiten und
Fertigkeiten zu haben,
die es für Leader
ship
braucht.“
Wolfgang Hattmannsdorf
er
Landesgeschäftsführ
er OÖVP