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GERHARD STRASSER
LANDESGESCHÄFTSFÜHRER,
AMS OBERÖSTERREICH
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Welches Potenzial steckt
Ihrer Meinung nach in den
Migranten, die zukünftig auf den
oberösterreichischen Arbeitsmarkt
kommen?
ANSCHOBER
_Es steckt viel
Potential in ihnen. Die große
Herausforderung ist, dieses Potential
auch tatsächlich zu nützen. Wir
haben einen Qualifikationscheck
bei den in den oberösterreichischen
Quartieren lebenden Asylwerbern
gemacht. Da sehen wir, dass 20
Prozent sehr gut ausgebildet
sind und gute Qualifikationen
mitbringen. Wir brauchen schnelle
Nostrifizierungsverfahren – sodass ihre
mitgebrachten Qualifikationen rasch
anerkannt werden. Das dauert derzeit
viel zu lange, geht zu bürokratisch
vor sich, es werden zu hohe Gebühren
verlangt. Wir müssen hier wirklich
verkürzen, beschleunigen, das fordert
auch die Wirtschaft. Es ist mir ein
großes Anliegen, dass wir diese
Gruppe und insgesamt die Asylwerber
viel rascher zur Beschäftigung
zulassen, damit sie rascher eine
Jobintegration schaffen können.
Meine Forderung ist, dass wir die
Mangelberufe generell für Asylwerber
öffnen, sobald sie zum Beispiel sechs
Monate lang Deutsch gelernt haben.
Das wäre ein riesiger Fortschritt für
die Asylwerber, aber auch für die
Wirtschaft, die ja Arbeitskräfte in
diesen Bereichen sucht. Das zweite
Extrem, also die andere Seite, sind
jene 20 Prozent der Asylwerber, die
noch keine Alphabetisierung haben.
Hier müssen wir unbedingt schnell
mit der Qualifizierung starten –
wenn diese Menschen einige Jahre
unqualifiziert bei uns leben, dann
wird es immer schwieriger, dass
sie einen Zugang zum Arbeitsmarkt
finden. Deswegen ist unser Ziel:
Alphabetisierungsmaßnahmen, eine
Basisausbildung und das Nachholen
des Pflichtschulabschlusses in
einem Gesamtpaket für diese Gruppe
anzubieten. Dazu verhandeln wir
gerade mit der Bundesregierung.
Außerdem wissen wir, dass wir im
Jahr 2020 rund 20.000 Facharbeiter
in Oberösterreich suchen werden.
Das Ziel muss also sein, dass
wir möglichst viele Migranten mit
positivem Asylbescheid in den Berufen
der Facharbeiter unterbringen und für
diese qualifizieren, weil das auch ein
Standorterfordernis für Oberösterreich
ist.
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Was waren die bisherigen
Highlights bei der Zusammenarbeit
von zahlreichen Organisationen in
der Asylarbeit?
ANSCHOBER
_Wie viele Stunden
haben Sie Zeit? (
lacht) Es ist eine
ganz große Freude, wie toll dieses
Netzwerk zusammenarbeitet – auf
Landes-, Bezirks- und Gemeindeebene,
wo es überall Steuerungsgruppen
gibt, wo es in einer klaren Struktur
eine sehr enge Zusammenarbeit
der NGOs, der Interessensvertreter
wie der Arbeiterkammer, der
Wirtschaftskammer sowie des
Arbeitsmarktservice und vieler
Unternehmungen gibt. Das
Erfolgsgeheimnis von Oberösterreich
ist, dass hier eine sehr vertrauensvolle
Zusammenarbeit völlig über
Parteigrenzen hinweg Realität ist. Ich
glaube, da sind wir in Österreich am
besten aufgestellt. Die schönsten
Projekte sind jene, die wir im Bereich
Arbeitsmarkt zusammengebracht
haben. Es sind mittlerweile bereits 180
junge Asylwerber in Lehrstellen.
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Welche Entwicklungsmöglichkeiten
sehen Sie kurz- bis mittelfristig im
Bereich der Green Jobs?
ANSCHOBER
_Hier sehe ich große
Entwicklungsmöglichkeiten, weil
Investitionen in die Energiewende
sind nicht nur Investitionen in
ein gutes Leben für die nächsten
Generationen, dadurch entstehen
auch neue Jobs - gerade wenn wir
es schaffen, dass wir in manchen
Bereichen Technologieführer sind.
Und das haben wir in den letzten
zwölf Jahren in Oberösterreich sehr
gut aufgebaut, oberösterreichische
Firmen sind im Bereich der
Biomasse-Heiztechnologien, der
Solartechnologien und auch der
Wasserkrafttechnologien absolute
Weltmarktführer. Das heißt, je stärker
es durch den Pariser Weltklimavertrag
in Richtung globalen Klimaschutz
geht, desto stärker wächst dieser
Markt und desto stärker sind damit
auch unsere Chancen, in der größten
boomenden Branche eine führende
Rolle zu spielen. Und das schafft
automatisch Arbeitsplätze. Derzeit
sind wir im Übrigen laut der letzten
Statistik bei gut 36.000 grünen Jobs
in Oberösterreich. Es ist sehr schwer
zu sagen, wie es in 20 Jahren sein
wird, doch wenn wir jetzt von sechs
Prozent ausgehen, dann bin ich mir
sicher, dass wir deutlich über den
Zehn-Prozent-Anteil am gesamten
Beschäftigungsniveau Oberösterreichs
kommen werden – und das wird nicht
20 Jahre dauern.
Fragen 10-12