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GERHARD WÖLFEL
GESCHÄFTSFÜHRER,
BMW MOTOREN STEYR
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Große Herausforderungen
verlangen nach fertig gedachten
Lösungen. Diskutiert werden zur Zeit
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in
Großstädten und die Abschaffung
der Verbrennungsmotoren innerhalb
weniger Jahre. Ist Ihrer Meinung
nach diese Vorgangsweise realistisch
und die beste Lösung für alle
Betroffenen?
ANSCHOBER
_Innerhalb weniger
Jahre geht gar nichts, davon bin
ich zutiefst überzeugt. Aber man
muss früh beginnen, sehr klare,
engagierte Ziele festzulegen, damit
man die Umstellung innerhalb
eines planbaren und berechenbaren
Zeitraums schaffen kann. Aus meiner
Sicht, und das sagen auch Vertreter
aus der Automobilwirtschaft, ist eine
Umstellung bis zum Jahr 2030/2035
machbar. Ein derartig engagiertes
Ziel müssen wir auch ins Auge fassen,
weil ja die Staatengemeinschaft in
Paris bei der Weltklimakonferenz
unterschrieben hat, dass es bis zum
Jahr 2050 netto keine CO
2
-Emissionen
mehr geben darf. Das ist ein
enormes Ziel, das heißt, da brauchen
wir ein planbares, berechenbares,
schrittweises Umstellen unserer
gesamten Wirtschaftsproduktion
auf Klimaneutralität. Das ist eine
riesige Herausforderung, etwa für die
Planung eines Stahlkonzerns oder
für die Automobilwirtschaft. Aber
wenn wir diese Herausforderung früh
genug angehen und uns ihr stellen,
dann bin ich überzeugt davon, dass
unsere Wirtschaftstechniker das mit
Know-how und Innovationskraft auch
schaffen werden.
08
Wie können Sie dazu beitragen,
die Verunsicherung zum Thema
Diesel zu reduzieren? Was würden
Sie einem Kunden sagen, der sich vor
zwei Jahren einen sauberen, damals
allen Normen entsprechenden
EU5-Diesel gekauft hat und der nun
fürchtet, dass er durch pauschale
Dieselfahrverbote bestraft werden
und sein Auto dadurch an Wert
verlieren könnte?
ANSCHOBER
_Die beste Sicherheit
schaffen die Produzenten von
Dieselfahrzeugen, indem sie Fairplay
machen. Das war in der Vergangenheit
teilweise nicht der Fall. Der große
Dieselskandal schadet sicher der
gesamten Automobilbranche, das ist
überhaupt keine Frage. Das ist auch
für uns ein großes Problem – wir
hätten zum Beispiel in Oberösterreich
keine Grenzwertüberschreitungen
mehr, wenn die angegebenen
Emissionswerte bei den Dieselmotoren
tatsächlich der Realität entsprochen
hätten. Für die Zukunft wird es einfach
notwendig sein, dass man seriösere
Tests macht und dadurch mehr
Transparenz und Glaubwürdigkeit
schafft. Der Konsument muss sich
einfach darauf verlassen können,
dass das Produkt X, für das der
Emissionswert Y garantiert ist,
tatsächlich diesen Normen entspricht
– der legt ja auch viel Geld dafür hin.
Die Glaubwürdigkeit wurde von der
Branche selbst schwer beschädigt.
Aus meiner Sicht wird es notwendig
sein, dass es in allen Bereichen,
wo diese Emissionsvorschriften
nicht eingehalten wurden, zu
Nachrüstungen kommt – ohne dass
der Konsument belangt wird. Das ist
jetzt die große Herausforderung, die
die Automobilwirtschaft bestehen
muss. Ich bin auch dafür, dass es
eine Gleichberechtigung gibt, was die
Besteuerung zwischen Benzin- und
Dieselmotoren betrifft. Derzeit haben
wir ja so etwas wie ein Dieselprivileg.
Das wurde deswegen gestartet und vor
vielen Jahren in Österreich eingeräumt,
weil man davon ausging, dass Diesel
umweltfreundlicher ist. Nachdem das
mittlerweile sehr in Zweifel gezogen
werden kann, glaube ich, dass eine
Gleichberechtigung Sinn macht. Für
die Zukunft ist es wichtig, dass es
eine Nachrüstung sowie ehrliche
Transparenz und Glaubwürdigkeit gibt,
die man sich zurückerarbeitet.
09
Umweltschutz ist ein Thema,
das alle angeht und zu dem jeder
Mensch persönlich beitragen kann
und soll. Vom sauberen Straßenrand
bis zur energieeffizienten Fabrik.
Wie wichtig und notwendig sehen
Sie den Dialog zwischen Politik
und Wirtschaft, um im Bereich
Umweltschutz die besten und
richtigen Entscheidungen zu treffen?
ANSCHOBER
_Ein ganz
zentraler Schlüssel ist es, sich
zusammenzusetzen und darüber zu
reden, was machbar ist, was die Ziele
sind und wie man zusammenhelfen
kann, um diese Ziele zu erreichen.
Meine Erfahrung ist, dass jeder
Wirtschaftsmanager in den zentralen
Führungspositionen im Regelfall
Kinder hat oder Kinder liebt, und für
die eine Welt hinterlassen will, die
noch lebenswert ist. Die Prognosen
zeigen, dass wir in Österreich bis
zum Jahr 2100 ein Klima wie etwa in
Südspanien haben werden, wenn wir
den Umweltschutz nicht forcieren.
Dann hätten wir über 100 Hitzetage
pro Jahr und das würde bedeuten,
dass wir unser gesamtes Leben
völlig umstellen müssten. Ich glaube,
dass das weder ein Umweltschützer
noch ein Wirtschaftstreibender den
nächsten Generationen antun will.
Und damit wir dieses Worst-Case-
Szenario vermeiden, müssen wir
vor allem unsere Technologiekraft
nützen, Visionen haben und rechtzeitig
die Weichen stellen, damit es eben
ein planbarer und berechenbarer
Umstellungsprozess sein kann.
Fragen 07-09