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Die
Roboter kommen in Riesenschritten auf uns zu, sie werden uns regelrecht niedertrampeln, jeden
Job an sich reißen und uns zurücklassen in einer Sinnlosigkeit des Seins. Falls wir dann überhaupt noch
existieren. Denn vielleicht sind die meisten von uns im Dritten Weltkrieg längst ums Leben gekommen.
Vielleicht ist das aber auch alles nur Blödsinn und wir treffen uns beim Greißler um die Ecke auf ein Bier
vom regionalen Produzenten.
Wir schreiben das Jahr 2047. Am Weg
nach Wien. Wer hätte gedacht, dass wir
heute mehr denn je das persönliche
Gespräch suchen und Interviews nicht
mehr nur virtuell führen, sondern auch
wieder von Angesicht zu Angesicht,
hautnah. Ich freu mich auf Hansi Hans-
mann, hab ihn lang nicht mehr gese-
hen – er muss jetzt über 90 sein. Eine
Ehre, dass ich überhaupt einen Termin
bekommen hab, die mittlerweile 80
Start-ups, die er als Business Angel
betreut, brauchen ihn fast rund um die
Uhr. Mmmh, ich lehne mich entspannt
zurück, aktiviere mit einem kurzen Ge-
danken die Massagefunktion des Fah-
rersitzes. Lustig eigentlich, dass man
diese bequeme Schale überhaupt noch
Fahrersitz nennt, ich fahre ja gar nicht
selbst, das Auto fährt völlig autonom.
Meinem unter die Haut implantierten
Chip, der zugleich mein Handy, Lap-
top, Tablet und eigentlich auch Butler
ist, gebe ich den Befehl, mir die „La-
test News“ zu zeigen. Nein, nicht alle.
Nur jene, die für mich relevant sind.
Eine geniale Innovation, diese App. Mit
ihr ist die Informationsüberflutung Ge-
schichte geworden (wurde übrigens
von uns entwickelt, nur so nebenbei).
Danach sehe ich mir – automatisch vor
meine Augenlinsen projiziert – den Re-
daktionsplan für unsere nächste Aus-
gabe an. Ja, richtig, unsere nächste
Printausgabe. Ich weiß, ist schon er-
staunlich, dass es immer noch Print-
magazine gibt, sie waren längst totge-
sagt. Aber unsere Leserschaft wächst
von Jahr zu Jahr, man freut sich auf
digitale Auszeiten, ganz bewusst.
18:45 Uhr. Ich komme pünktlich am
Heldinnenplatz an. „Hach, ist das
schön, dass es keine Staus mehr gibt“,
seufze ich zufrieden. Hinter mir auf
der Rückbank, oder vielmehr im Kin-
derspace, höre ich die Stimme meines
Enkels: „Geh, Oma, was hast du denn?
Was soll bitte ein Stau sein?“ Ich lächle
ihm zu, aktiviere das virtuelle Kinder-
mädchen und lasse ihn im Auto zurück.
Mit meinen ultraleichten Schuhen (mit
denen ich zehn Zentimeter größer bin,
ganz ohne Absätze – ich liebe dieses
afrikanische Start-up, welches sie vor
ein paar Jahren erfunden hat) lasse
ich mich von meinem implantierten
Navi zum Treffpunkt führen. Und da
sehe ich ihn schon: Die Anti-Grauhaar-
Innovation hat er wohl knapp verpasst,
aber ansonsten sieht Hansi Hansmann
aus wie früher (dank der genialen Anti-
Aging-Erfindungen der vergangenen
Jahre).
Ich erinnere mich an das Interview, das
ich vor genau 30 Jahren geführt habe.
Damals, im Frühling 2017, im Café
Prückel. Meine Kollegin Sabrina und
ich hatten es uns zur Aufgabe gemacht,
verschiedene Experten und Meinungs-
bildner nach ihrer Vision der Welt in 30
Jahren zu befragen: neben Hansmann
auch Zukunftsforscher Matthias Horx,
Buchautor und Digitalisierungsexper-
te Kurt Matzler, Innovationsexperte
Christopher Lindinger, Kommunikati-
onsquerdenker Gerhard Kürner und In-
dustriellen-Vertreter Joachim Haindl-
Grutsch. Was waren das für spannende
Gespräche! Nicht alles davon ist heute
wahr geworden, vieles war unvorstell-
bar und ist heute ganz normal, man-
ches ist völlig anders gekommen.