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WIE MAN (IM TOURISMUS) GEWINNT
Eigentlich müsste es doch ganz einfach sein. Wer am schnellsten ist, gewinnt. Im Sport, in der Wirtschaft
und generell im Leben. Gerade er hat das mit 19 Weltcupsiegen und zwölf Jahre lang als einer der
erfolgreichsten Skirennläufer der Welt bewiesen:
Michael Walchhofer. Doch als wir ihn in Zauchensee
in einem seiner drei Hotels, die er gemeinsam mit seinem Bruder führt, treffen, dementiert er das. Und
erklärt, worauf es wirklich ankommt, wenn man gewinnen will.
Wie beginnen alle Märchen? Richtig, ge-
nau: Es war einmal ein sonniger Morgen,
wir fuhren in Linz los und landeten zwei-
einhalb Stunden später in einem Alpen-
dorf am Ende des Tals. Ein märchenhaft
schöner Fleck (offenbar nicht nur im Win-
ter!), wo kleine Segelboote am See fahren,
Kinder jeder Altersstufe unbeschwert
herumtoben und die Zeit scheinbar ste-
hen geblieben ist. 44 (nein, da fehlt keine
Null) Einwohner zählt Zauchensee, der
Rest (der um ein Vielfaches größere Rest)
sind Touristen. Also Menschen, die dem
Alltag entfliehen und sich weder Sorgen
um ihre Kinder noch um ihre eigene Si-
cherheit machen wollen.
Magic Mountains nennt man hier den
Sommer oder der wohl schönste Club in
den Alpen – das würde er aber nicht so
direkt behaupten, dazu ist er schlichtweg
zu bescheiden. Mit „er“ ist einer von den
44 Einwohnern gemeint – Michael Wal-
chhofer. Allerdings wäre er auch zu be-
scheiden, um zuzugeben, dass er an der
Beliebtheit des kleinen Dorfes maßgeb-
lich beteiligt ist. Natürlich ist der Werbe-
wert eines Abfahrts-Weltmeisters hoch.
Drei Hotels führt er hier gemeinsam mit
seinem Bruder. Dabei könnte er einfach
von seinen Erfolgen von damals leben.
Aber wer so oft über die Zielgerade ge-
fahren ist, der will das auch weiterhin
tun - und immer wenn ein Gast zufrie-
den abreist, dann ist das für ihn wie ein
Sieg. Nicht ganz so emotional, aber den-
noch erfüllend. Das Interesse an seiner
Person findet er irgendwie immer noch
überraschend ... ist DAS nicht überra-
schend? Die Größe seines Egos ist also
ganz offensichtlich nicht proportional mit
seiner Persönlichkeit gewachsen. „Hallo,
ich bin der Michi!“, stellt er sich vor und
nimmt sich stundenlang Zeit, um uns das
zu zeigen, was ihn heute erfüllt. Und um
zu zeigen, wie man gewinnen kann. Aber
Vorsicht, einfach so nachmachen emp-
fiehlt er nicht. Dazu später.
Was war die Interviewfrage, die man
dir am häufigsten gestellt hat? Die wird
dir heute erspart, versprochen.
WALCHHOFER_Eine der blödesten Fra-
gen war natürlich „Wo hast du die Zeit
liegen lassen?“ Aber das war früher.
Zeit ist aber ein gutes Stichwort –
wie hast du dich in der Zeit
verändert seit du Hotelier und
nicht mehr Profisportler bist?
WALCHHOFER_Als Sportler konnte
ich meine Topleistungen nie abrufen,
indem ich einfach so der gemütliche,
nette Michi war, sondern musste mich
mental in eine gewisse Spannung ver-
setzen. Ich brauchte unbedingt diesen
Druck – je mehr Druck, etwa vor einem
Rennen wie der Kitzbüheler Streif, des-
to besser konnte ich meine Leistung
abliefern. Das ist nicht bei jedem Sport-
ler gleich – andere waren im Training
besser. Den Druck brauche ich jetzt in
der Form nicht mehr. Natürlich geht’s
für mich als Hotelier auch darum, gute
Leistungen abzurufen, aber nicht mehr
so am Punkt. Ich muss nicht mehr um
12.30 Uhr zum Start in genau der Ver-
fassung sein, damit ich zwei Minuten
lang die Leistung abliefere, für die ich
ein ganzes Jahr lang trainiert habe.
Wenn es nicht der Druck ist, was
treibt dich dann als Hotelier an?
WALCHHOFER_In der Wirtschaft geht’s
ja wie im Sport darum, Ziele vor Augen
zu haben. Für mich müssen die Ziele
zwar schon definiert sein, aber eigent-
lich nur, um zu wissen, was ich dafür
machen muss. Weil wenn ich während
der Arbeit ständig an das Ziel denke,
dann blockiert mich das bei der Umset-
zung. Ich konzentriere mich vielmehr
auf den Weg zum Ziel und das nimmt
mir den Druck.
Welche Ziele sind das,
auf die du hinarbeitest?
WALCHHOFER_Wir haben verschie-
denste Ziele – Auslastungsziele ebenso
wie das Ziel einer sehr hohen Zufrie-
denheit der Gäste. Und nicht zu verges-
sen die Mitarbeiterzufriedenheit. Der
Mitarbeiter ist genauso wichtig wie der
Gast!
Wie gelingt es dir, Mitarbeiter und Gäs-
te gleichermaßen zufrieden zu stellen?
WALCHHOFER_Wir waren immer schon
ein Familienbetrieb, bei dem die Familie
sehr präsent ist im Betrieb. Ich behaup-
te jetzt mal, wir sind nicht einfach da und
schaffen ein bisschen an, sondern sind
überall mit dabei. Und ich glaube, das ist
die beste Motivation für die Mitarbeiter
– wenn sie sehen, dass die Chefs Vorzei-
gearbeiter sind. Dann gelingt es auch,
die Gäste glücklich zu machen.
Wie teilt ihr euch in der
Familie die Aufgaben auf?
WALCHHOFER_Grob gesagt, mein
Bruder ist für den Einkauf zuständig
und ich für den Verkauf. Das heißt, wir
haben ungefähr 500 Betten zu verkau-
fen und das ist mein Part. Natürlich
sind auch unsere Ehefrauen sehr in-
tensiv in den Betrieben tätig, vor allem
im Personalmanagement und an der
Rezeption.
500 Betten zu verkaufen, ist
doch eine sportliche Herausforderung.
Wie schafft man die?
WALCHHOFER_Gute Vorbereitung ist
meist der sicherste Garant zum Erfolg.
Das ist beim Skifahren auch so – je
besser ich trainiert bin, je besser mein
Material ist, desto eher kann ich erfolg-
reich sein. Man fährt zwar allein über die
Streif runter, aber gewinnen kannst du
sie nicht allein, da stecken viele Men-
schen und Faktoren dahinter. Wichtig ist
auch, dass man zwar eine Vorstellung
von der Ideallinie hat, dass man aber
auch flexibel genug ist, diese dann zum
Teil zu verlassen. Auf der Piste genauso
wie im Berufsleben. Denn sonst klebt
man auf der Linie, bremst und kann den
Ski nicht frei laufen lassen.
Was wohl auch bedeutet, dass
man flexibel auf sein Umfeld reagieren
soll. Wie reagierst du auf die