50
ma gegründet und 2007 das „Dom Chle-
ba“ (russisch: Haus des Brotes) als Lager
und Schulungszentrum am Stadtrand von
Moskau eröffnet. „Der Mensch stellt sich
durch das dar, was er in seinem Leben
meistert“ – dieser Satz war der Auslöser
für Augendopler, nach Russland zu gehen.
Das Bäckereiinstitut in St. Petersburg lud
den Firmengründer zu einem Vortrag ein.
Beim Abendessen kam Augendopler mit
der Frau des Eigentümers einer der größ-
ten Bäckereien Russlands ins Gespräch.
Sie erzählte von ihrem Traum, eine eigene,
kleine Bäckerei zu eröffnen und sagte auf
die Frage, warum sie sich das antun möch-
te, wo ihr Mann doch solch einen erfolg-
reichen Betrieb führe, den sich bei Augen-
dopler einprägenden Satz: „Der Mensch
stellt sich durch das dar, was er in seinem
Leben meistert.“ Der Firmengründer erin-
nert sich: „Da hat es mir einen Stich ge-
geben und für mich war klar: Wenn es in
Russland solche Leute gibt, dann ist das
ein Land für Backaldrin.“ Später habe er
auch noch das „schönste Erlebnis seines
Geschäftslebens“ in Russland gehabt: In
einem Supermarkt hat eine Kundin „Dva
Kornspitz paschalsta“, also „Zwei Korn-
spitz bitte“, neben dem Kornspitz-Erfinder
bestellt. „Wenn ich es live erlebe, dass ein
Konsument weit weg von unserer Heimat
in einer anderen Sprache nach unserem
Produkt verlangt, dann berührt mich das
emotional“, erzählt Augendopler.
„Wir sind immer davon ausgegangen, dass
wir irgendwann auch in Russland produ-
zieren werden und haben nun die Chance
ergriffen und das Projekt früher gestartet“,
erklärt der Backaldrin-Eigentümer, dass
Kunden bereits gefragt hätten, ob sie auch
bei einer möglichen Verschärfung der
Sanktionen mit deren Lieferung rechnen
könnten. Die Russen seien sehr große Pa-
trioten und schätzen es, wenn im eigenen
Land produziert werde, bestätigt Augen-
dopler den Eindruck des österreichischen
Wirtschaftsdelegierten. So kamen etwa
doppelt so große Bestellungen aus Russ-
land nach Asten, nachdem Österreich Prä-
sident Putin in Wien empfangen hatte.
Chancen am Markt
Firmen sollten laut Augendopler immer
„ein Motiv“ für Investitionen in einem neuen
Land haben und vorab genau recherchie-
ren, ob sie die richtigen Produkte für den
Markt herstellen. Russland habe eine star-
ke Brotkultur. Gästen werde als Willkom-
mensgeschenk ein Brot gereicht, zu jeder
Art von Essen wird Brot dazu gegessen.
Fellner sieht noch gute Chancen auf dem
russischen Markt für Firmen im Konsum-
güterbereich. Textilien und Schuhe seien
bisher ausschließlich von China und an-
deren Billiglohnländern importiert worden,
nun sei es auch rentabel, diese in Russland
zu produzieren. Auch im Bereich der Ver-
arbeitung von Rohstoffen könne es sich
lohnen zu investieren – Russland hat etwa
große Holzvorräte. Es gibt 100.000 Hektar
unbearbeitetes Land, wo man landwirt-
schaftliche Produktionen errichten kann.
Im Nordkaukasus haben Südtiroler Obst-
bauern mit der Errichtung von Apfelplanta-
gen begonnen. „Dort gibt es brachliegen-
de Weinanbaugebiete, die österreichische
Winzer wieder reaktivieren könnten“, nennt
Fellner eine weitere Möglichkeit. In den
vergangenen Jahren sei auch stark in den
IT-Bereich investiert worden.
Als Familienunternehmen habe Backal-
drin in allen Märkten klein begonnen,
dabei alles kennen gelernt, passende
Mitarbeiter gesucht und sich langsam
vergrößert. „Wenn man groß einsteigt und
dann erst zum Lernen beginnt, kann das
viel Geld kosten“, warnt Augendopler. Es
gebe kein „schweres oder leichtes“ Land,
Unternehmen müssten die jeweiligen Spe-
zifika verstehen und sich darauf einlassen.
Augendopler hat die Russen als sehr ge-
bildete und kulturinteressierte Menschen
kennengelernt. Viele Leute wollen in
Russland schnell abkassieren und hätten
dementsprechend Menschen nicht kor-
rekt behandelt. „Wenn der russische Ge-
schäftspartner aber sieht, dass er sich auf
jemanden verlassen kann, dann ist er treu.
Die Russen sind einer unserer treuesten
Kunden der Welt.“ Als schweren Fehler
von westlichen Firmen am russischen
Markt hat Augendopler bereits beobachtet,
dass manche mit einer gewissen Arroganz
hingehen: „Man muss bescheiden auftre-
ten. Die Leute haben zwar einen niedri-
geren Lebensstandard als wir, sind aber
deswegen nicht dümmer.“
Fellner empfiehlt Firmen, sich beim Ein-
stieg in den russischen Markt helfen zu
lassen: „Ganz ohne russische Begleitung
ist es oft nicht möglich.“ Der Wirtschafts-
delegierte warnt davor, sich blindlings auf
jeden Russen, den man zufällig kennen ge-
lernt hat, zu verlassen und eine Geschäfts-
beziehung einzugehen. Es gibt Firmen
in Russland, die sich darauf spezialisiert
haben, ausländische Unternehmen in den
russischen Markt einzuführen. Notwendig
sei auch ein Dolmetscher – mit Englisch
komme man nicht weit. Von Wien fliegt
man zweieinhalb Stunden in die russische
Hauptstadt und es gibt eine Zeitverschie-
bung von noch einmal zwei Stunden. Von
Moskau gibt es in alle anderen russischen
Städte gute Flugverbindungen.
Rasch reagieren
Über Korruption oder eine Armutskluft
müsse man sich keine Sorgen machen.
„Die Armut ist gestiegen, aber jeder hat
eine Grundsicherung und daher gibt es
keine Slums oder Ähnliches“, weiß Fellner.
Korruption gebe es fast ausschließlich in-
nerhalb russischer Firmen. Die Bürokratie
könne man stark durch Vereinbarungen
mit den regionalen Regierungen der 85
Die Russen sind einer unserer
treuesten Kunden der Welt.
PETER AUGENDOPLER
Eigentümer, Backaldrin
von rechts: Firmengründer von Backaldrin, Peter Augendopler mit
Tochter Regina und Sohn Peter, bei der Grundsteinlegung für den
weltweit sechsten Produktionsstandort in Russland.