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III. Gebot
„Heute ist der beste Tag, das Bewusstsein
zu entwickeln und zu schauen: Was ist der
Sinn meines Lebens?“, sagt Michael Stin-
geder, der seinen Klienten in vier bis sechs
Terminen ein Grundwerkzeug für die Ent-
wicklung des Bewusstseins geben möchte.
Fragen wie „Was sind die geistigen Lern-
aufgaben in meinem Leben, wie kann ich
meinen Geist kultivieren, was ist mein
Geist überhaupt, wie kann ich meine Intui-
tion nutzen?“ stehen dabei am Programm.
Oft sind es Manager, die den Weg in seine
Praxis suchen – meist mit körperlichen
Beschwerden, die sich nicht einfach mit
einem Medikament wegschlucken lassen.
„Der Körper ist ein gutes Messinstrument
für Dinge, die im Geist nicht in Ordnung
sind“, so Stingeder. Wer aber von früh
bis spät von einem Termin zum nächsten
hetzt und nebenbei zehn Dinge gleichzei-
tig macht, der hört die Hilfeschreie seines
Körpers meist gar nicht. Erst wenn plötz-
lich der Druck nachlässt, abends oder im
Urlaub, wird einem bewusst: Irgendetwas
stimmt nicht. „Das ist das klassische Phä-
nomen des Überlebenszustandes“, erklärt
Macher. Das Gefährlichere überlagere das
Einfachere. „Erst in der Auszeit merke ich,
dass ich ständig schwitze, einen Hexen-
schuss habe oder blass bin. Manchmal
wird der Druck auch so hoch, dass sich das
auf die Bandscheiben niederschlägt und
man einen Bandscheibenvorfall bekommt
oder auch einen Herzinfarkt“, so Macher.
Sinnfragen stellt man sich für gewöhnlich
erst dann, wenn man dazu gezwungen
wird – nach einschneidenden Erlebnis-
sen oder lebensbedrohenden Krankhei-
ten. Weil einem erst dann bewusst ist, wie
sich unsere Entscheidungen auf unsere
Gesundheit auswirken. „Auch in der Burn-
out-Therapie geht es sehr stark darum,
wieder zu lernen, bewusst wahrzunehmen.
„Eine achtsame Haltung verankert einen im
gegenwärtigen Erleben“, erklärt Michaela
Schöny.
IV. Gebot
Wer das macht, was ihn (mit Sinn) erfüllt,
der ist nicht nur gut dabei, sondern auch
gesund. Und wieder sind Klosterschwes-
tern ein lebender Beweis dafür: Niemand
geht ins Kloster, weil es sich gerade eben
so ergeben hat. Wer diese Entscheidung
trifft, der fühlt sich dazu berufen. „Als
Ordensleute wissen wir einfach, warum
wir leben. Dieser Sinn gibt ungemein viel
Kraft und Ruhe. Wir spüren den Sinn in der
Tätigkeit, am Dienst, an unserem – wie wir
sagen – Sendungsauftrag, den wir auch
immer wieder ins Gebet mit reinnehmen“,
erzählt Beatrix Mayrhofer. Und genau das
sieht Josef Macher als die Hauptaussage
der Nonnen-Studienergebnisse: „Schon
in den alten Philosophien war die Sinnsu-
che die treibende Kraft der Menschheit.“
Er selbst habe das große Glück, sowohl
als Arzt als auch als Geschäftsführer der
Klinik Diakonissen Linz, sinnerfüllende
Aufgaben gefunden zu haben. „Zum ei-
nen ist es das medizinische Begleiten
von Menschen, zum anderen das Mana-
gen des Betriebes – das ja weit über das
Finanzdenken hinausgeht, sondern viel-
mehr Gestalten und Ermöglichen ist. Das
alles bringt mir Erfüllung.“ Nicht jeder
spürt das auf diese Art und Weise – ist
aber oft dennoch erfolgreich. „Doch plötz-
lich kommt die Frage: Für was?“, weiß
Stingeder. Und das führe bei vielen in eine
Leere. „Wofür bin ich auf der Welt? Die-
se Frage stellt man sich vielleicht genau
dann, wenn man alles erreicht hat – Fa-
milie gegründet, beruflich erfolgreich,
Schulden vom Haus abbezahlt. Dann ist
da auf einmal die Frage nach dem ei-
gentlichen Sinn im Leben.“ Stingeder ist
überzeugt, dass man erst dann in seiner
Mitte ist, wenn man seine Berufung lebt.
Wie man diese erkennt? „Das hat viel mit
Spirit zu tun – wobei spirituell in dem Fall
konfessionsfrei zu sehen ist – es geht da-
rum, meine Talente zu nutzen.“ Und das
ist nicht neu. Schon die antiken Griechen
wiesen darauf hin, dass nur jene Men-
schen ein glückliches, erfülltes Leben
führen können, die wissen, was ihnen in
die Wiege gelegt wurde und die diese Fä-
higkeiten auch leben.
FAZIT
_Wer bewusst lebt,
der spürt die Signale seines
Körpers rechtzeitig und
stellt sich die entscheiden-
den Fragen für sein Leben
freiwillig.
FAZIT
_Wer seine Talente
lebt, der wird dafür belohnt:
mit Erfolg und Gesundheit.
„Wir sind
selbst verantw
ortlich
dafür, uns einen Filter
zu schaffen: W
as ist jetzt
relevant, was kann bis
morgen warten und was
ist gar nicht r
elevant.“
Josef Macher
Geschäftsführung Klinik
Diakonissen Linz,
Spezialist Schmerzther
apie