9
SCHÖN. UND GUT?
Der Wunsch nach körperlicher Perfektion steigt und steigt – darüber freut sich ein ganzer Industriezweig.
Schönheit ist aber nicht nur ein
bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern wird zunehmend zum
Karrierefaktor. Haben es attraktive Menschen tatsächlich leichter, warum spielt das Aussehen eine
immer größere Rolle und wie kann man das für sein Geschäftsmodell nutzen? Ein Blick hinter die
(schöne) Fassade unserer Gesellschaft.
Eine Gesellschaft, die sich längst alle Wün-
sche erfüllt hat. Schickes Zuhause, Pool,
Auto, Flatscreen sind zur Selbstverständ-
lichkeit geworden. Der Freundeskreis ist
groß, die Sorge um Sicherheit klein, der
Kühlschrank prall gefüllt. Würde jetzt die
berühmte Fee mit den freien Wünschen
kommen, wären wir im ersten Moment
wohl sprachlos. Was könnten wir uns denn
noch wünschen? Ach ja ... da wär schon
noch etwas. Denn wenn alles rundherum
nahezu perfekt ist, dann suchen wir die
Fehler bei uns selbst. Oder andersrum:
Je kleiner die Sorgen, desto größer der
Wunsch nach Perfektion.
Das spürt vor allem die Schönheitsindus-
trie – sie boomt in sämtlichen Bereichen
von Mode über Kosmetik bis hin zur Plas-
tischen Chirurgie. Konjunkturforscher
sprechen davon, dass wir uns derzeit im
sechsten Kondratieff-Zyklus befinden, in
dem erstmals nichts Materielles, sondern
das Gesundheitswesen im Vordergrund
steht. In Zahlen ausgedrückt: Mehr als 35
Milliarden Euro werden in Österreich für
Gesundheit im weitesten Sinne ausgege-
ben. Dazu zählt auch die Schönheitsbran-
che – so gaben die Österreicher 2015 etwa
1,5 Milliarden Euro für Kosmetikartikel
aus, rund 40.000 ästhetische Operationen
werden jährlich durchgeführt und auch
die über 23.300 Mode- und Freizeitartikel-
händler leben hierzulande vom aktuellen
Optimierungsdrang.
Spieglein, Spieglein …
Dass Menschen ihren Körper so schön wie
möglich präsentieren möchten, ist nichts
Neues. „Das ist ein Urbedürfnis“, erklärt
Werner Schöny, Vorstands-Vorsitzender
von pro mente Oberösterreich und jahre-
langer Leiter der Linzer Landesnervenkli-
nik. „Die Entwicklung bei uns ist jetzt inso-
fern besonders bedeutend, weil sie so stark
ins Wirtschaftliche geht. Für die westliche
Welt ist daraus eine Industrie geworden.“
Der Wunsch nach Schönheit sei an sich et-
was Positives, so Schöny weiter. Problema-
tisch werde er nur dann, wenn er zwang-
haft verfolgt wird und man den Boden des
Realismus verlässt. „Werbung, Medien und
realitätsferne Fotografie propagieren zum
Teil Schönheitsideale, die gesundheitlich
nicht mehr vertreten werden können.“ Das
führe besonders bei Menschen, die zwang-
hafte Persönlichkeitsstrukturen haben, zu
schweren Beeinträchtigungen wie Mager-
sucht, Kaufzwang, Depressionen oder auch
zur Sucht nach Schönheits-Operationen.
„Wenn man mit seinem Körperbild immer
unzufrieden ist und deshalb eine Schön-
heitsveränderung nach der anderen macht,
dann wird’s krankhaft.“ Wer grundsätzlich
unzufrieden ist mit sich selbst, der sucht
natürlich etwas, worauf er dieses Gefühl
aufhängen kann – da würde einem die
neue Nase oder größere Brust aber nichts
helfen, ist der Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapeutische Medizin über-
zeugt. „Wenn Sie nicht lernen, ein Mensch
zu werden, der mit sich im Reinen ist, dann
werden Sie immer etwas finden, was Sie
anders haben möchten. Gute ästhetische
Chirurgen nehmen das auch wahr.“
Zu den guten ästhetischen Chirurgen zählt
wohl auch der Oberösterreicher Georg
Huemer. Er machte sich schon in jungen
Jahren einen Namen in der Rekonstruk-
tiven Chirurgie. Dass der psychologische
Aspekt in seinen beiden Privatordinationen
in Linz und Wels tatsächlich eine wesentli-