89

Es ist sehr wichtig für mich, 

genau zu wissen, wo unsere 

Nahrungsmittel herkommen.

KATRIN MAYRHOFER-SCHMIRL

Unternehmerin, Katrins Kulinarik

auf Kriege und den NSA-Skandal ist also 
die Flucht in das Bewährte. Dieser Trend 
zeigt sich in Deutschland bereits auf dem 
Wohnungsmarkt. Wäre der Großstadt-
mensch bisher ein Individualist gewesen, 
könne man mittlerweile eine verstärkte 
Gruppenbildung beobachten.  Während 
der Bau gewerblicher Gebäude und Ver-
waltungsgebäude leicht zurückging, stieg 
2013 besonders stark die Zahl der neu ge-
bauten Wohnungen in Mehrfamilienhäu-
sern und Doppelhäusern. 

Weitere Ursache für den zunehmen-
den Rückzug ist für Barth die steigende 
Wahrnehmung von internationalen Krisen 
und komplexen Ereignissen. „Die Infor-
mationsaufnahme über soziale Medien 
ist oftmals sehr zugespitzt und verdich-
tet, sodass bei den Menschen ein Gefühl 
des Kontrollverlusts aufkommt“, sagt er.  
Überforderung muss aber nicht unbedingt 
die Ursache für den Rückzug ins eigene 
Heim sein. „In einer sehr komplex gewor-
denen Welt wird der eigene Garten, das 
eigene Heim auch bewusst dazu genutzt, 
um Kraft zu tanken und die Batterien auf-

zuladen“, sagt Varga.

Kontrollverlust ist kaum der Grund, wa-
rum Mayrhofer-Schmirl in ihrem Garten 

tember gäbe es eine Trendumkehr. „Das 
Bedürfnis nach Sicherheit und Verläss-
lichkeit ist größer geworden“, sagt Barth. 
Mehr als 2.000 Interviews hat Integral seit 
2011 geführt. Das Ergebnis: 62 Prozent der 
Befragten stimmen mittlerweile der Aus-
sage „Ich suche Halt im Leben“ zu – das 
sind neun Prozent mehr als noch 2011.  Bei 
den unter 30-Jährigen ist die Zustimmung 
in diesem Zeitraum besonders gestiegen, 
und zwar gleich um vierzehn Prozent auf 
insgesamt 68 Prozent. 

Die Flucht ins 
Kontrollierbare 

Einen Rückzug in die Alltäglichkeit, eine 

„Neo-Biedermeier-Zeit", beschreibt der 

Immobilienreport 2015 des Zukunfts-
instituts mit Sitz in Wien, München und 
Frankfurt. Wie schon im 19. Jahrhundert 
gäbe es auch jetzt durch politische Res-
triktionen, gesellschaftliche Turbulenzen 
und Umwälzungen einen Rückzug des 
Bürgertums in die „scheinbare Sicherheit“ 
des Heims. „Die Menschen schaffen sich 
in ihren eigenen vier Wänden ein Umfeld, 
dass sie wieder kontrollieren können“, 
sagt Christiane Varga vom Zukunftsinsti-
tut. „Man fängt wieder an, Marmelade ein-

zukochen und zu garteln“. Die Reaktion 

nun Hühner hält. Aber die Motivation dazu 
begründet sie auch etwa in Lebensmit-
telskandalen. „In Zeiten von spanischen 
Gemüseskandalen und wo niederländi-
sche Nutztiere bereits auf Containerschif-
fen gehalten werden, damit die Ställe nicht 
ausgemistet werden müssen, ist es sehr 
wichtig für mich, genau zu wissen, wo un-
sere Nahrungsmittel herkommen“, sagt 
sie. Im Garten finden sich nicht nur Hüh-
ner, sondern auch ein Hoch- und Kräuter-
beet sowie Beerensträucher. Auch viele 
ihrer Freunde hätten sich bereits einen 
großen Gemüsegarten zugelegt. Für die 
Unternehmerin ein Statement gegen den 
Billig- und Massenkonsum und für ein 
bewussteres Leben. Mayrhofer-Schmirl 
studierte im Ausland und lebte in Groß-
städten. „Ich schätze zwar die Nähe zu 
solchen Zentren, aber würde mittlerweile 
nicht mehr in einer Stadt wohnen wollen“, 
sagt sie, „dazu genieße ich das ländliche 
Umfeld und die Ruhe an einem lauen 
Sommerabend im Garten zu sehr“. Der 
Garten soll übrigens bald ein paar neue 
Bewohner bekommen – noch weitere 
Hühner. Diesmal wahrscheinlich Grünle-
ger, also Haushühner, die Eier mit grüner 
Eierschale legen. Der Vorteil: Das mor-
gendliche Spiegelei enthält dann weniger 
Cholesterin._