88

DIE NEUE SEHNSUCHT NACH ZUHAUSE

Durch die Digitalisierung und Globalisierung rückt die Welt immer enger zusammen - das macht sich auch 
in Krisenfällen bemerkbar. Seit einiger Zeit gibt es einen Gegentrend: Das häusliche Glück in den eigenen 
vier Wänden, das eigene Umfeld und die Regionalität bekommen wieder einen höheren Stellenwert. 
Zukunftsforscher sprechen sogar schon von einer 

Neo-Biedermeier-Zeit

REDAKTION_VALENTIN LISCHKA

FOTOGRAFIE_MARIO RIENER, THINKSTOCK

ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK

Katrin Mayrhofer-Schmirl stapft in Burber-
ry-Gummistiefeln durch ihren Garten, in 
der linken Hand ein kleiner Plastiksack mit 
Vogelfutter. Sie will nicht etwa Spatzen oder 
Meisen bei ihrer Nahrungssuche unter-
stützen, nein, die Körner sind quasi ein In-
vestment in die hauseigene Nahrungsmit-
telproduktion. Denn seit kurzem kümmern 
sich Luna, Pepita und Felix um das tägliche 
Frühstück der Mayrhofer-Schmirls. Die 
drei Hühner leben in einem einige Quadrat-
meter großem Käfig mit kleiner Holzhütte 
und Wasserspender. „Wir haben eine sehr 
tierliebende Tochter, und nachdem sie 
schon jede Menge Spielsachen hat, haben 
wir uns für ihren Geburtstag etwas ande-
res überlegt“, sagt Mayrhofer-Schmirl und 
öffnet den Stall, um die Tiere herauszulo-
cken und zu füttern. Immerhin ein Ei findet 
sie – keine schlechte Ausbeute, denn Luna, 
Pepita und Felix sind noch nicht ausge-
wachsen und legen dementsprechend sel-
tener. „Die Eier sind aber momentan noch 
alle meiner Tochter vorbehalten“, sagt die 
Unternehmerin und lacht. 

Trendumkehr Anfang 2000

Der Aufwand für die drei Tiere hält sich 
in Grenzen. Füttern, bei Dämmerung das 
Hühnerhaus abschließen. Die Trinkanla-

ge ist beheizt, um die Wassertemperatur 
auch im Winter konstant bei einem Grad 
zu halten. Neben Körnern freuen sich die 
Hühner auch über übriggebliebene Nudeln, 
Salatreste und Reis. Bei der Anschaffung 
haben sich die Mayrhofer-Schmirls vom 
näheren Umfeld inspirieren lassen. „Wir 
sind damit quasi einem Trend gefolgt“, 
sagt Mayrhofer-Schmirl, „meine Tochter 
hat Hendln schon bei ihrer Patentante ge-
sehen.“ Hendln seien die neuen Hunde in 
ihrem Bekanntenkreis. 

Marktforscher und Geschäftsführer der 
Integral Markt- und Meinungsforschungs 
GmbH, Bertram Barth,  beobachtet schon 
seit Jahren einen Trend, den er Reground-
ing nennt. Das nächste Umfeld, das häusli-
che Glück in den eigenen vier Wänden, der 
Garten und die Regionalität werden in Zei-
ten zunehmender Digitalisierung und Glo-
balisierung immer wichtiger. „Man kann 
von einem Rückzug reden, der geografisch 
definiert ist“, sagt Barth. Eine neue bürger-
liche Mitte entstünde, deren Idealbild ein 
klar definierter Lebenslauf und ab 30 Jah-
ren Kinder, ein Eigenheim mit Garten und 
Haustieren wäre. Der Grund: „Die Sehn-
sucht nach einem festen Boden unter den 
Füßen, ausgelöst durch globale Krisen“. 
Seit der Dotcom-Blase und dem 11. Sep-

Es gibt eine zunehmende 

Sehnsucht nach festem 

Boden unter den Füßen und 

Regionalität – ausgelöst 

durch globale Krisen.

BERTRAM BARTH

Marktforscher & Geschäftsführer, 

Integral Markt- und Meinungsforschung