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„WIR JUNGEN HABEN DIE
SCHNAUZE VOLL“
Der Vorsitzende der
Jungen Industrie (JI) Oberösterreich, Mario Haidlmair, und der Vorsitzende der
Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) Oberösterreich, Dominik Wührer, an einem Tisch.
Eine Konstellation, die viel Konfliktpotential erwarten lässt. Doch die Jungen überraschen. Mit klaren
Worten in der gleichen Sprache.
Die Jungen gelten oft als revolutionär
und aufmüpfig. Wie ist das bei euch?
HAIDLMAIR_Für die Revoluzzer, die es
einmal gegeben hat, ist nicht mehr die
richtige Zeit. Aber der Frust über den
Stillstand, den es aktuell gibt, ist ge-
waltig. Das Hauptproblem ist, dass die
Politik populistischer wird und auch die
Verbände hinter den Parteien zu sehr
damit beschäftigt sind, sich zu profi-
lieren und gegenseitig anzuschwärzen
und daher wenig zusammenbringen.
Das Gegenseitige wird vorne und das
Gemeinsame hinten angestellt. Ich
sehe durch mein freiwilliges Engage-
ment sehr oft, dass es um persönliche
Sachen geht, wo Leute nicht miteinan-
der reden, bei denen es aber dringend
notwendig wäre. Oder dass eine Person
einen Posten ohne ausreichende Quali-
fikationen bekommt, weil sie ein Spezi
von irgendjemanden ist.
WÜHRER_Auch
wenn
Maßnahmen
richtig sind, werden sie von anderen
Standpunkten so lange unter Kritik ge-
nommen und darüber geredet, bis das
Thema nicht mehr aktuell ist und man
es in die Schublade legt. Und dann holt
man sich das nächste Thema und redet
darüber. So ist es auch in der derzei-
tigen Sozialpartnerschaft, die einmal
sehr erfolgreich war und das Land nach
dem Krieg vorangebracht hat. Solange
man nur darüber redet und nichts tut,
hat man genau diesen Stillstand, den
wir nicht wollen und den wir uns nicht
leisten können. Denn es geht um unse-
re Zukunft.
HAIDLMAIR_Wir Jungen haben die
Schnauze voll.
Könnt nicht ihr Jungen den nötigen An-
stoß für mehr Bewegung in der Politik
geben?
HAIDLMAIR_Wir sind jung und müs-
sen den Umgang mit den Medien und
der Politik einmal lernen und bis man
das hat, ist man schnell wieder bei der
nächsten Stufe angelangt. Die Älteren
und die Pensionisten haben schon viel
mehr Erfahrung und wissen, wie Öster-
reich tickt und welche Fäden man zie-
hen muss. Es kann nicht sein, dass die
Pensionisten, die im letzten Lebens-
abschnitt sind, sehr viel bestimmen,
und das Thema Bildung, das unsere
Zukunft ist, immer wieder untergeht.
Jeder fünfte Steuereuro geht in die
Pensionen. Wir werden als Betrieb
(Haidlmair-Gruppe)
angeschrieben,
damit wir den Schulen Sessel kaufen,
weil keine Gelder da sind, um die 30
Jahre alten Sessel auszutauschen. Ein
anderes Beispiel ist die HTL Steyr, die
sicher eine der besten HTL in Öster-
reich ist und trotz allem noch immer
dieselben Maschinen hat wie vor fünf-
zehn Jahren, als ich die Ausbildung ge-
macht habe.
WÜHRER_Die Fluktuation in unseren
Ausschüssen ist eine große Herausfor-
REDAKTION_SABRINA KAINRAD
FOTOGRAFIE_BRIGITTA BEDE, THINKSTOCK