9
WIE DER FALL NACH UNTEN
ZUM SPRUNG NACH OBEN
WERDEN KANN
Die Karriere von
Ex-Skirennstar Hans Knauß lässt selbst den hartgesottensten Manager erblassen:
triumphale Siege, schmerzhafte, denkbar knappe Niederlagen und ungerechtfertigte Betrugsvorwürfe.
Heute motiviert der 44-Jährige mit seinen Erfahrungen Angestellte und Geschäftsführer und ist
ORF-Co-Kommentator. Ihm ist gelungen, was kaum jemand schafft – er ist auch nach seiner aktiven
Zeit als Sportler als Testimonial und Werbeträger erfolgreich. Im Gespräch erzählt er, was ihn antreibt.
Und wie man andere antreibt.
Wir treffen Hans Knauß zum Interview im
Falkensteiner-Hotel in Schladming, sei-
nem Heimatort. Knauß spaziert durch die
Tür und schüttelt unsere Hände. „Servas
griaß euch, wie geht’s denn?“ In den Ber-
gen ist man generell per Du und diese Re-
gel gelte bitteschön auch in Schladming,
erklärt uns der 44-Jährige. Gut, dann füh-
ren wir das Interview natürlich gerne in
der Du-Form.
Mal ehrlich: Hättest du vor mehr als
zehn Jahren gedacht, heute noch
Interviews zu geben? Nach der Sperre
wegen eines verunreinigten Vitamin-
präparates hast du 2005 deine Karriere
beendet und damals nach eigenen
Angaben völlig mit der Medienwelt
abgeschlossen.
KNAUSS_Damals habe ich komplett damit
aufgehört, Interviews zu geben und mich
relativ aus der Öffentlichkeit zurückgezo-
gen, ich hatte nicht eine Minute das Gefühl,
dass mir das abgeht. Was die Zukunft brin-
gen würde, wusste ich nicht, trotzdem habe
ich mich darauf gefreut. Nach diversen
kleineren Tätigkeiten kam dann der Anruf
vom ORF, man wollte mich als Co-Kom-
mentator. Das Leben nimmt eben seinen
Lauf. Dass ich auch heute noch als Wer-
beträger für Gösser, Audi oder Sport 2000
tätig bin, hätte ich selbst nicht geglaubt.
Damals warst du am Höhepunkt
deiner Karriere und konntest deinen
Beruf von einem Tag auf den anderen
nicht mehr ausüben – ohne Eigenver-
schulden. Wie geht man mit so einer
Situation um?
KNAUSS_Rein aus sportlicher Sicht war
es meine schwerste Zeit. Es war ein Alb-
traum. Ich war sicher immer einer der
fairsten Sportler im Business, und dann
hat es mich wegen so einem Blödsinn
erwischt, das tat schon weh. Es hat lange
gedauert, bis ich alles wieder ins richti-
ge Eck gestellt habe. Heute bin ich aber
der Meinung, dass dieses erzwungene
Karriereende für mich ein besserer Aus-
stieg für das weitere Leben war als ein
Doppel-Olympiasieg.
Wie bitte?
KNAUSS_Natürlich war es anfangs wie
ein Schlag ins Gesicht für mich. Aber ich
wurde von der Vorsätzlichkeit sofort frei
gesprochen und nach dreieinhalb Jahren
gab es einen außergerichtlichen Vergleich
mit dem Hersteller des Vitaminpräpara-
tes zu meinen Gunsten. Der Prozess hat
sich in die Länge gezogen, aber man lernt
auch viel dabei. Heute stehe ich durch die
Schwierigkeiten besser im Leben als je
zuvor.
Du hältst Vorträge in Unternehmen,
erzählst vor versammelten Abteilungen
von deinem Leben und deinen Lektio-
nen daraus. Probleme also am besten
als Chance betrachten – ein Ratschlag
für deine Zuhörer?
KNAUSS_Es schadet nicht, auch die an-
dere Seite kennenzulernen und zu sehen,
wie manche Leute darauf reagieren, dann
weiß man seine eigene Familie und den
Freundeskreis viel stärker zu schätzen,
sein restliches Leben lang. Egal ob im
Sport oder in der Wirtschaft, es gibt schon
Menschen, die einen nur benutzen. Wenn
es dann bergab geht, lernt man diese ken-
nen. Für mich war dieser Knackpunkt eine
sehr wertvolle Erfahrung.
Welche Parallelen siehst du zwischen
dem Sport und der Wirtschaft?
KNAUSS_In beiden Bereichen ist es wich-
tig, sich Ziele zu setzen. Allerdings ist
diese Zielsetzung als Sportler meist viel
eindeutiger und klarer als bei anderen Be-
rufsgruppen, man arbeitet viele Jahre auf
konkrete Dinge hin.
Extreme „Alles oder Nichts“-Situationen
sind im Sport nichts Ungewöhnliches.
Über Sieg oder Niederlage wird in Se-
kunden entschieden. In der Wirtschaft
eher ungewöhnlich – inwiefern lassen
sich deine persönlichen Erfahrungen
aus dem Sport übertragen?
KNAUSS_Auf jeden Fall muss die Vorbe-
reitung passen – sowohl im Sport als auch
in der Wirtschaft. Ohne die passende men-
tale Einstellung wird es schwer. Wahnsin-
nig wichtig ist das richtige Bauchgefühl,
auf das man sich nur durch intensive Vor-
bereitung verlassen kann. Immer nur hin-
terfragen wird aber auch nicht funktionie-
ren. In der Wirtschaft gibt es ebenso keine
Entscheidung ohne Restrisiko. Wenn man
sich aber einmal entschieden hat, sollte
man den Weg durchziehen.
Den eigenen Weg durchziehen: Als
Spitzensportler muss man seine Schwä-
chen ständig überwinden, um auf