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Und Abflug
Auch für Reisebüros spielt die Zielgruppe
„Brautpaare“ eine wesentliche Rolle. „Die
Hochzeitsreise ist meist die wichtigste Rei-
se im Leben. Wenn es gelingt, diese per-
fekt zu organisieren, dann hat man Kun-
den für’s Leben gewonnen. Viele unserer
Mitarbeiter buchen jahrelang sämtliche
weitere Reisen dieser Kunden, in weiterer
Folge auch mit deren Kindern“, erzählt Do-
ris Huber-Matura vom Reisebüro „World
of Travel“, das sich auf Hochzeitsreisen
spezialisiert hat. Weil Brautpaare nicht nur
bei der Auswahl der Schuhe und bei der
Vorbereitung des Festes nichts dem Zufall
überlassen wollen, sondern auch nicht bei
der Hochzeitsreise, wird diese nur selten
online gebucht. Flitterwochen sind meist
individuelle, maßgeschneiderte Reisen,
die touristische Kompetenz und Feinge-
fühl erfordern. „Gerade bei Hochzeitsrei-
sen – wo ja alles perfekt sein soll – setzen
die meisten auf jahrelange Erfahrung und
Know-how von Experten“, weiß Huber-Ma-
tura. Dazu brauche es schließlich Vertrau-
en. „Und Vertrauen kann man nur durch
persönlichen Kontakt aufbauen – das wird
das Internet nie ersetzen können.“ Wurden
früher sehr viele Pauschalreisen gebucht,
geht der Trend heute mehr in Richtung In-
dividualität der Gäste, also Buchungen im
Bausteinsystem. „Fast jeder möchte seine
Urlaubsdestination zum Beispiel auch mit
dem Mietauto erkunden oder bequeme,
geführte Kurzrundreisen einbauen oder
einfach mehrere Ziele miteinander kombi-
nieren“, weiß Doris Huber-Matura.
Wenn Hochzeitspaare also eine derart
spannende Zielgruppe für verschiedenste
Wirtschaftszweige sind, dann stellt sich
nun die Frage: Welche Bedeutung haben
eigentlich Scheidungen für die Wirtschaft?
Immerhin beträgt die Zahl der aufgelösten
Ehen 2014 in Österreich 16.647._
Trends. Aber ich glaube nicht, dass die
Ehe ein Auslaufmodell ist.“ Die Statistik
gibt ihm Recht – seit 2010 ist die Zahl
der Hochzeiten in Oberösterreich sogar
gestiegen und liegt durchschnittlich bei
6.500 im Jahr. Viele davon nehmen den
oft weiten Weg nach St. Veit im Mühlkreis
auf sich, um bei Neundlinger die passen-
den Hochzeitsschuhe zu finden. „Unsere
Mitbewerber bieten Brautschuhe als Ne-
benprodukt. Bei uns spielt der Schuh die
Hauptrolle, sodass wir unseren Kunden
eine wesentlich bessere Gesamtleistung
bieten können“, sagt Neundlinger. Er
meint damit Serviceleistungen wie das
individuelle Anpassen an die Füße der
Kunden, wofür er in seiner Werkstatt
viele Möglichkeiten hat oder auch das
Service nach der Hochzeit, die Schuhe
umzufärben, um aus dem Hochzeits-
schuh einen bequemen Ballschuh zu
machen. Darin sieht er den Hauptgrund
für seinen Umsatzzuwachs, welcher we-
sentlich über dem Branchenschnitt liegt
– und das, obwohl sein Geschäft fernab
einer stark frequentierten Einkaufsstra-
ße liegt. „Unser handwerklicher Hinter-
grund ist eine Einzigartigkeit, die bei den
Kunden sehr gut ankommt und schwer
zu kopieren ist.“ Diese Strategie sehe er
auch als einen guten Weg für die Zukunft
regionaler Händler. „Mit individuellem
Service ist man näher an den Kunden,
es kann von den großen Mitbewerbern
oder von Online-Händlern kaum gebo-
ten werden und die Rolle des Preises ist
weniger wichtig.“
Ob er je überlegt habe, eine weitere Fi-
liale – etwa im Zentrum von Linz – zu
eröffnen? Neundlinger schmunzelt: „In
der Vorbereitung unserer Geschäftser-
weiterung von 2012 war eine der ers-
ten Fragen unseres Architekten: Wollt
ihr wirklich HIER bauen?“ Doch genau
das wollte er und auch in Zukunft habe
er keine Filialen geplant. „Bei Filialen
muss man viele Abläufe reglementie-
ren und standardisieren – individuelles
Eingehen auf die Kunden wäre kaum
möglich, wir wären ein Schuhgeschäft
wie jedes andere“, erklärt Neundlinger.
Nachdem eine Braut aber nichts dem
Zufall überlassen möchte – schon gar
nicht, das Risiko, dass ihre Schuhe am
Hochzeitstag drücken könnten – ist ge-
rade dieser persönliche Faktor ein ganz
entscheidender. Natürlich sei es nicht
einfach, am Standort Sankt Veit einen
Handelsbetrieb erfolgreich zu führen.
„Wir setzen uns intensiv damit auseinan-
der, eine große Anziehungskraft für un-
sere Kunden zu schaffen – mit Faktoren
wie Sortiment und Service, Mitarbeiter,
Standort, Marketing, Betriebsführung.
Unser Konzept ist damit stimmig für ein
Landgeschäft und wäre in einem Zen-
trum mit hoher Basisfrequenz wahr-
scheinlich nicht erfolgreich umsetzbar“,
ist Neundlinger überzeugt.
Für die Kontaktaufnahme zu Neukun-
den spielen Hochzeitsmessen eine we-
sentliche Rolle – er stellt auf den gro-
ßen oberösterreichischen Messen wie
die Hochzeitswelt in Linz und in Wels,
die Innviertler Hochzeitsausstellung bei
Fussl sowie bei der Hochzeitsausstel-
lung in Freistadt aus. Besonders wich-
tig seien aber ebenso die Empfehlungen
seiner Kunden, von Hochzeitsplanern,
Brautsalons und anderen Schuhhänd-
lern, die keine Brautschuhe führen. Wie
aber geht er mit der Herausforderung
um, dass seine Zielgruppe „Brautpaare“
meist nur einmal im Leben Hochzeits-
schuhe braucht? „Positive Einkaufser-
lebnisse prägen sich bei den Brautpaa-
ren ein und so schaffen wir es, mit der
Produktgruppe ‚Brautschuhe’ viele neue
Stammkunden für unser gesamtes Sor-
timent zu gewinnen“, sagt Neundlinger.
Die Kunden erleben bei uns eine
Atmosphäre und Serviceangebote,
die es in der Branche kaum gibt.
So schaffen wir es, mit der Produkt-
gruppe Brautschuhe viele neue
Stammkunden für unser gesamtes
Sortiment zu gewinnen.
FRANZ NEUNDLINGER
Inhaber, Neundlinger Schuhmode