75
einen Raum für sich alleine – zur Verfü-
gung gestellt werden. „Eine 24-Stunden-
Betreuung kann sich nicht jeder leisten.
Oftmals zahlt die Familie zusammen“,
sagt Tischler. Häufig wird in der Öffentlich-
keit kritisiert, dass man die Pflegekräfte in
die Selbstständigkeit drängt, doch anders
wäre diese Art der Pflege gar nicht leistbar,
wenn man etwa an die Lohnnebenkosten
oder einen Kollektivvertrag mit 13. und 14.
Gehalt denkt. Im Vergleich dazu kostet ein
Altenheimplatz zwischen 2.400 und 3.000
Euro. Je nach Einkommen zahlt der Pfle-
gebedürftige 80 Prozent seiner Pension
und das Pflegegeld an das Altenheim, den
Rest der Kosten zahlt die öffentliche Hand.
Krankheit und Tod
Penova ist ausgebildete Lehrerin und hat
fünf Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet.
Als sie vor einigen Jahren für die Pflege
nach Österreich gegangen ist, wollte sie
in erster Linie ihre Deutschkenntnisse ver-
bessern und neue Erfahrungen sammeln.
Doch dann ist sie bei der Pflege hängen
geblieben und möchte damit auch in Pen-
sion gehen. „Die Arbeit macht mir Spaß“,
sagt Penova und wenn sie ihrem Klienten
liebevoll über die Wange streicht und von
ihrem Tagesablauf erzählt, sieht man das
auch ganz deutlich. In der Slowakei wür-
de sie als Lehrerin 500 bis 600 Euro Brutto
verdienen. In Österreich sei es zwar „etwas
mehr“, aber durch die ständig steigenden
Abgaben „nicht so viel mehr“. Nur wegen
dem Geld könne man den Beruf auch gar
nicht ausüben. „Man muss die Arbeit mit
Liebe machen, damit sich die Menschen
wohlfühlen und dann bekommt man
auch alles zurück“, sagt Penova und erin-
nert sich an ihre Anfangszeit zurück: „Ich
wollte alles schneller machen, doch die
Menschen haben mir gelernt, ruhiger und
langsamer zu arbeiten. Man muss sich an
die Menschen anpassen und dafür viel mit
der Familie reden, wie die alten Menschen
früher gelebt haben.“ Daher sei auch eine
gute Beziehung zur Familie der pflege-
bedürftigen Person sehr wichtig. Tischler
stimmt dem zu: „Nicht jeder ist für einen
Pflegeberuf geeignet.“ Daher sei es auch
relativ, wenn es immer wieder den Ruf
nach Attraktivierung des Berufsfeldes
gebe.
Der Umgang mit Krankheiten und dem
Tod gehört zum Pflegeberuf dazu. Einmal
musste eine Frau im letzten Stadium von
Alzheimer in ein spezielles Heim – Penova
musste die 24-Stunden-Betreuung abbre-
chen, da die Klientin besonders aggressiv
wurde: „Meistens sind die Menschen aber
sehr ruhig und dankbar, wenn ich kom-
me.“ Den Tod von Klienten verarbeitet sie
zu Hause: „Wenn so etwas passiert, dann
muss ich länger zu Hause bleiben.“ An-
gesprochen auf die immer weit entfernte
Familie, sagt Penova: „Manchmal über-
kommt mich das Gefühl, dass mir meine
sozialen Kontakte fehlen und ich gerne et-
was mit meinen Kindern machen möchte.“
Penova muss sich dann aber bis zu zwei
Wochen gedulden, bis sie wieder für zwei
Wochen in die Slowakei zu ihrer Familie
fahren kann. Sie braucht dafür fünf Stun-
den mit einem von der Agentur organi-
sierten Taxi. Die Kinder der Slowakin sind
mittlerweile über 20 Jahre und waren auch
nicht mehr so klein, als sie in Österreich zu
arbeiten begonnen hatte. Der Wechsel der
Pflegerinnen alle zwei Wochen mit einer
Kollegin ist die Norm. Da viele aber einen
längeren Weg als Penova zu ihrem Ar-
beitsplatz haben und wegen des erhöhten
Bedarfs an Pflegepersonal in Österreich
der Weg immer länger werde, würden ei-
nige auch nur alle vier Wochen tauschen
und heimfahren. Betrachtet man die Zah-
len der positiv erledigten Förderanträge in
den vergangenen Jahren, sieht man eine
deutliche Steigerung. Ende September
2015 haben rund 22.400 Personen eine
Förderung zur 24-Stunden-Betreuung be-
kommen. Ende 2014 waren es noch nicht
ganz 21.000 – das waren aber bereits um
18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum
und mehr als doppelt so viele wie im Jahr
2010. Ob der Bedarf an selbstständigen
Pflegekräften auch zukünftig gedeckt wer-
den könne, sei ungewiss, so Tischer: „Das
hängt auch stark mit der Entwicklung des
Lohnniveaus in der Slowakei und Rumä-
Es müssen neue Formen der
Betreuung älterer Menschen
entstehen.
VIKTORIA TISCHLER
Fachgruppenobfrau Personenberatung & Personenbetreuung,
Berufsgruppensprecherin Personenbetreuung der WKOÖ,
Geschäftsführerin, OÖ. Hilfswerk
INFORMATIONSSTELLEN FÜR BETREUUNG
PFLEGEBEDÜRFTIGER MENSCHEN
Sozialberatungsstellen bei den Bezirkshauptmannschaften
Gemeinden
Überleitungspflege im Krankenhaus bei der Entlassung
Betreuungseinrichtungen wie Hilfswerk, Caritas oder Volkshilfe
24-Stunden-Betreuung: www.amliebstenzuhause.at