74
HERAUSFORDERUNG:
PFLEGE
Die Gesellschaft altert, der Bedarf an Pflegepersonal steigt. Rund 55.000
selbstständige Pflegekräfte sind in Österreich aktiv - viele davon aus
der Slowakei und Rumänien. Anders wäre das System der 24-Stunden-
Pflege nicht leistbar. Daneben hat Oberösterreich viele Altenheimplätze
– die teuerste Form der Pflege. Bei den mobilen Diensten müssen neue
Formen entwickelt werden.
Ein Überblick.
Maria Penova ist 24 Stunden am Tag für
ihren Klienten da. Sieben Tage die Wo-
che. Die 55-jährige Slowakin pflegt einen
bettläg-rigen alten Mann. Sie kocht, putzt,
macht die Wäsche, erledigt die Einkäufe,
organisiert Arztbesuche und alles, was
sonst noch notwendig ist, damit sich ihr
Klient wohlfühlt. Penova ist eine von fast
9.000 24-Stunden-Betreuern in Oberöster-
reich. 4,6 Prozent der Pflegebedürftigen in
Oberösterreich werden von einer 24-Stun-
den-Pflege betreut. In ganz Österreich gibt
es mehr als 55.000 selbstständige Pfleger
mit einem Gewerbeschein. Richtigerweise
muss es aber Pflegerinnen heißen, denn
die meisten sind Frauen. Wolfgang Schüs-
sels Schwiegermutter war der Auslöser,
dass die 24-Stunden-Betreuung vor acht
Jahren aus der Illegalität geholt wurde.
Das Gesetz sei auch erfolgreich, es soll
kaum mehr illegal beschäftigte Pflegerin-
nen geben. Die Frauen kommen wie Peno-
va meist aus der Slowakei und Rumänien.
Es ist ein freies Gewerbe, das jeder aus-
üben darf. Die 24-Stunden-Betreuerinnen
kommen auf zwei verschiedene Arten zu
den pflegebedürften Menschen: Sie orga-
nisieren sich alles selbst oder eine Agentur
vermittelt sie. Penova ist seit zwei Jahren
beim Hilfswerk unter Vertrag. Sie kennt
Pflegerinnen, die sich alles selbst organi-
sieren, aber für sie war das nie ein Thema:
„Die Organisation gefällt mir sehr gut und
da habe ich eine Sicherheit, wenn etwas
passieren sollte.“ In einem Vertrag mit der
Familie ihres Klienten sind alle Pflichten
und Ansprüche festgelegt. Penova erklärt
die Aufzeichnungen über die Haushalts-
ausgaben und die Pflegetätigkeiten, lange
und penibel geführte Listen liegen ausge-
breitet auf dem Tisch. Gleich daneben liegt
ein Handy. Penova zeigt darauf und erklärt:
„Ein weiteres Plus bei einer Agentur ist das
Diensthandy. Damit tausche ich mich auch
mit anderen Kolleginnen aus.“ Regelmä-
ßig kommt eine Krankenschwester der
Agentur zur Kontrolle vorbei.
Drang in Selbstständigkeit?
In Oberösterreich wird die Zahl der Agen-
turen auf rund 60 geschätzt. Eine genaue
Zahl gibt es nicht, da der Gewerbeschein
die zwei Arten der Vermittlung nicht unter-
scheidet. „Um die Qualität der vermittelten
Personen zu heben, wird das Gewerbe
gerade in zwei Gewerbescheine für selbst-
ständige Personenbetreuung und Agentu-
ren getrennt und eine Verordnung für Aus-
übungs- und Standesregeln für Agenturen
erarbeitet“, sagt Viktoria Tischler, Fach-
gruppenobfrau der Personenberatung
und Personenbetreuung sowie Berufs-
gruppensprecherin Personenbetreuung
der Wirtschaftskammer Oberösterreich
(WKOÖ) und Geschäftsführerin des ober-
österreichischen Hilfswerks.
Für die Betreuung gebe es einen Markt-
preis von 30 bis 70 Euro am Tag je nach
Qualifikation. Dazu kommen die Kosten
der Versicherung und die Vermittlungspro-
vision für die Agentur. Eine 24-Stunden-
Betreuung kostet in Österreich damit mo-
natlich rund 1.800 bis 2.500 Euro je nach
Ausbildung der Pflegerin. Die Agenturen
schauen darauf, dass die Frauen mindes-
tens die Heimhilfe oder eine gleichwerte
Ausbildung haben. „Die meisten sind sehr
gut ausgebildet – oft sogar diplomierte
Krankenschwestern“, weiß Tischler. Wenn
die betreuungsbedürftige Person min-
destens Pflegestufe drei hat und die Ein-
kommensgrenze von 2.500 Euro (erhöht
sich für unterhaltsberechtigte Angehöri-
ge) nicht überschritten wird, gibt es eine
staatliche Förderung von bis zu 550 Euro
pro Monat. Neben dem Gehalt müssen
Kost und Logis – die Pflegekraft braucht
REDAKTION_SABRINA KAINRAD
FOTOGRAFIE_THINKSTOCK, MARIO RIENER
ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK