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Vor welchen Herausforderungen stehen
Ärzte heute im Gegensatz zu früher?
NIEDERMOSER_Die wirkliche Heraus-
forderung ist jene, dass sich Patienten
in Gesundheitsbelangen schon sehr gut
vorab informieren. Was auch gut ist! Das
bedingt, auf ihre Fragen intensiv einzuge-
hen. Diese Gesprächsmedizin – dem Be-
dürfnis zu entsprechen, über die Krank-
heit und den möglichen Heilungsprozess
ausreichend informiert zu werden - wird
längst praktiziert. Gemeinsam mit dem
Patienten die richtige Entscheidung zu
treffen, ist die tägliche Herausforderung,
die uns beschäftigt. In Zukunft werden
wir – auch aufgrund der Fortschritte und
der zunehmenden Überalterung – vor
weiteren Herausforderungen mit „neuen“
Krankheiten stehen und davor, die ent-
sprechende Medizin anbieten zu können
und zu müssen.
Sehen Sie unter der großen Anzahl
der Flüchtlinge ein Potenzial, um dem
Ärztemangel entgegenzuwirken?
NIEDERMOSER_Prinzipiell sicher. Ich
weiß aus vielen persönlichen Gesprächen
auch noch aus meiner Studienzeit, dass
vor allem Kollegen aus Syrien eine aus-
gezeichnete Ausbildung genossen haben.
Unter ihnen gibt es bestimmt viele, die
nach der notwendigen Nostrifikation und
der sehr guten Beherrschung der deut-
schen Sprache – als eine wichtige Voraus-
setzung – hier einen Arbeitsplatz finden
können.
Demografischer Wandel, Fehlanreize
im Gesundheitssystem, medizintechni-
scher Fortschritt: Wie geht man in der
Gesundheitsbranche damit um, mehr
Effizienz zu schaffen, Kosten zu senken
und gleichzeitig Innovationen möglich
zu machen?
NIEDERMOSER_Manchmal ist es sehr
schwierig, mit dieser Spagat-Situation
umzugehen. Wir Ärzte wurden ausge-
bildet, den Menschen die beste Medizin,
unabhängig von Alter, Geschlecht und
finanziellen Möglichkeiten, zukommen zu
lassen. Ich selbst möchte nie einen Arzt
vor mir haben, der überlegt, ob sich die
Behandlung nun rechnet oder nicht. Das
heißt aber nicht, dass wir mit den Mitteln,
die wir haben, nicht effizient umgehen. Es
kann jedoch nicht sein – außer die Gesell-
schaft möchte das so – dass die Behand-
lung kranker Menschen an finanziellen
Mitteln scheitern sollte. Wir haben derzeit
aber leider schon die Situation, dass die
Geldgeber die ausreichenden Mittel in
manchen Bereichen nicht mehr zur Ver-
fügung stellen können und es sicherlich
bereits jetzt zu Leistungseinschränkun-
Aus vielen persönlichen
Gesprächen weiß ich, dass vor
allem Kollegen aus Syrien eine
ausgezeichnete Ausbildung
genossen haben.
PETER NIEDERMOSER
Präsident,
Ärztekammer OÖ
Der gebürtige Steyrer und
Facharzt für Pathologie am
Krankenhaus der Barmher-
zigen Schwestern in Linz
scheut als Interessensvertre-
ter der oberösterreichischen
Ärzte Auseinandersetzungen
nicht – er versteht es, seine
Botschaften wirksam und
beharrlich zu platzieren.
Eine wesentliche davon: „Es
herrscht allgemein Ärzteman-
gel, das ist nicht zu leugnen!“
gen kommt. Darum sollte die Politik jetzt
endlich ehrlich sein und dies den Men-
schen auch sagen!
Wie motiviert sind Ärzte heute, sich
selbstständig zu machen?
NIEDERMOSER_Derzeit sind sie sicher
nicht motiviert, weil die Rahmenbedin-
gungen in manchen Bereichen nicht mehr
optimal sind. Es gibt immer mehr Aufla-
gen, die das freie Arbeiten zunehmend
behindern. Hier muss es zu einer Ent-
bürokratisierung kommen, Leistung
muss sich auszahlen.
Was tun Sie für Ihre Gesundheit?
NIEDERMOSER_Regelmäßig laufen und
gesund ernähren – mein Credo: Man soll-
te nicht mehr zu sich nehmen als man
verbrauchen kann!
Stichwort
personalisierte Medizin.
Es war schon immer unsere Aufgabe,
personalisierte Medizin anzubieten und
auf den Patienten und seine persön-
liche Situation einzugehen. Jetzt ist
damit gemeint, eine punktgenaue, auf
Basis genetischer Untersuchungen
ausgearbeitete, Medikation anzubieten.