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tion noch zu nützen und gleichzeitig die
Jungen schon machen zu lassen ist eine
Gratwanderung“, weiß Ferch-Fischer.
Laut Statistik ist der Vorgänger nach
dem Übergabezeitpunkt durchschnitt-
lich noch rund drei Jahre formell oder
informell im Unternehmen aktiv. Ein flie-
ßender Übergang sei grundsätzlich zu
begrüßen, aber oftmals könne die ältere
Generation dann nicht loslassen, sagt
Ferch-Fischer. Besonders schwierig sei
es immer dann, wenn die Vorgänger dort
weiterleben wo auch der Betrieb ange-
siedelt ist - dies sei aber häufig der Fall
bei Familienbetrieben. Bei der Übergabe
in mehreren Schritten müsse man be-
denken, dass dies jedes Mal mit Kosten
verbunden sei.
Selmers Vater gehörte zu denjenigen, die
nur schwer loslassen konnten. Daher war
mit der Übernahme der Geschäfte im Ap-
ril 2015 ein Cut ganz wichtig, so Selmer:
„Wir haben in aller Freundlichkeit, aber mit
Konsequenz gesagt, dass sich unser Vater
in der Firma nicht mehr einmischen darf.“
Der Vater brauche einmal eine Ruhepha-
se von ein bis zwei Jahren, um einen Ab-
stand und damit einen objektiveren Blick
auf den Betrieb zu bekommen. Ganz an-
ders lief es beim Autocenter Kneidinger:
Der Vater freute sich schon länger, dass
er seinen privaten Interessen mehr nach-
gehen kann und hat sich mit dem Einstieg
der Tochter in die Geschäftsführung im-
mer weiter aus dem Tagesgeschäft zu-
rückgezogen. Auch Investitionen für die
Zukunft wurden mit den Töchtern abge-
sprochen: „Er sagte immer, ihr müsst
das entscheiden, weil ihr müsst auch die
nächsten Jahre damit leben und die Firma
führen.“ Kneidingers Vater wollte schon
ein halbes Jahr früher in Pension gehen,
hat dann aber noch seiner Tochter Anna
im ersten halben Jahr nach der Geburt
ihres Kindes den Rücken freigehalten. Die
offizielle Verabschiedung im Oktober die-
ses Jahres war laut Kneidinger „ein Zei-
chen für die Mitarbeiter und Kunden, da-
mit die Zuständigkeiten klar sind und das
öffentlich gemacht wurde“. Speziell im
Bereich Finanzwesen wollen die Schwes-
tern auch zukünftig nicht auf die Expertise
des Vaters verzichten: „Wir werden ihn si-
cher öfters mal um Rat fragen.“
Herz und Leidenschaft
Laut KMU Forschung Austria haben im
Zeitraum 2008 bis 2012 erstmals gleich
viele Frauen wie Männer eine Nachfolge
in einem Unternehmen in Österreich an-
getreten. 1999 waren nur 31 Prozent der
Übernehmer weiblich. Den Einstieg der
beiden Kneidinger-Schwestern in eine
Männerdomäne hätten die langjährigen,
loyalen Mitarbeiter sehr unterstützt und
die Reaktionen seien überall positiv ge-
wesen. „Ich habe mir im Vorhinein selber
zu viele Gedanken gemacht“, erinnert
sich Kneidinger zurück und appeliert
an junge Unternehmerinnen: „Frauen
haben das kleine Manko, dass sie sich
manchmal zu wenig zutrauen, während
Männer oft schon in jungen Jahren sehr
selbstbewusst sind.“ Kneidinger sieht
es jetzt sogar als gewissen Vorteil als
Frauen-Führungsduo in einer von Män-
nern dominierten Branche ein gewisses
Alleinstellungsmerkmal zu haben und so
aufzufallen.
Kapsamer-Fellner ist mit dem Einstieg
in die Möbelbranche zwar nicht in eine
Männerdomäne eingedrungen, passt
aber durch ihr Alter nicht in die Statistik.
Laut KMU-Forschung waren die Firmen-
übernehmer im Schnitt 36,5 Jahre alt.
Kapsamer-Fellner hat im Mai 2012 mit
nur 27 Jahren die Geschäftsleitung von
Marketing und Vertrieb der Joka-Werke
in Schwanenstadt übernommen. Der
Einstieg in das Unternehmen direkt nach
dem Studium habe sich ergeben, da der
externe Geschäftsführer für den Bereich
das Unternehmen verließ „Ich hatte die
Gelegenheit, die Sachen, die ich theore-
tisch auf der Uni gelernt habe, gleich in
der Praxis umzusetzen.“ Ihr Vater habe als
geschäftsführender Gesellschafter zwar
das letzte Wort, Kapsamer-Fellner könne
aber in ihrem Bereich sehr „selbstständig
und eigenverantwortlich“ arbeiten: „Es ist
ein Miteinander, ich berate mich gerne
mit ihm und habe nicht das Gefühl, dass
er mich bevormunden möchte oder ich
zu wenige Freiheiten habe.“ Das junge
Einstiegsalter war nie ein Problem, die
heute 30-Jährige habe die Mitarbeiter im
Familienunternehmen bereits durch Fe-
rialarbeit und Messeauftritte gekannt, es
seien ihr alle mit Respekt begegnet. Ihr
Erfolgsrezept dafür: „Das Wichtigste ist,
dass man es wirklich gerne macht und
mit Herz und Leidenschaft dabei ist.“_
Das Wichtigste ist, dass man
es wirklich gerne macht und
mit Herz und Leidenschaft
dabei ist.
ANNA KAPSAMER-FELLNER
Geschäftsleiterin, Marketing und Vertrieb
Joka-Werke und JW-Bezirksvorsit-
zende-Stellvertreterin in Vöcklabruck
Wir haben in aller
Freundlichkeit, aber mit
Konsequenz gesagt, dass sich
der Vater in der Firma nicht
mehr einmischen darf.
CARL ALEXANDER SELMER
Geschäftsführer, Selmer