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er die Stunden auch in Anspruch nimmt.
Ein Beispiel für eine flexiblere Einteilung
der Arbeitszeit sind Zeitwertkonten, die es
aktuell in Deutschland in einigen Firmen
bereits gibt. Dabei werden Überstunden
auf einem lebenslangen Konto gespeichert
und die Arbeitnehmer können sich dieses
auch zum nächsten Job mitnehmen. „Das
Tolle daran ist, dass die Überstunden so
nicht verfallen. Man kann sich jahrelang
welche ansammeln und dann etwa eine
Auszeit nehmen oder sich einen Extra-Bo-
nus auszahlen lassen“, erklärt Bartz. Wie-
derum verschwimmen dabei die Interessen
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern,
denn in Zeiten, wo ein größerer Auftrag
zum Abarbeiten ist, können Überstunden
angesammelt werden. „Wenn man die
neue Welt des Arbeitens gut umsetzt, ist
es eine Win-Win-Situation für die Arbeit-
nehmer und Arbeitgeber“, nennt Bartz als
Beispiel das Zeitwertkonto.
Trend 3_Traditionelle
Organisationsstrukturen
weichen auf
Es entstehen neue Organisationsstruk-
turen, die auf mehr Selbstorganisation
hinauslaufen. Es wird in Teams zusam-
mengearbeitet. Dazu auch Izmir: „Die
Leute sollten in Teams mit fünf bis zwölf
Personen zusammenarbeiten.“ Denn für
diese Größe brauche es keine klassische
Führung, diese Personen würden sich von
selbst führen. Schumacher rät Unterneh-
men die „MIT-Arbeiter“ zu „MIT-Gestalter“
und „MIT-Streiter“ zu machen. Eine große
deutsche Spendenplattform komme völ-
lig ohne Hierarchien aus. Jeder habe die
selbe verantwortungsvolle Position und
müsse daran arbeiten, dass sich das Un-
ternehmen weiterentwickeln würde. „Völlig
undenkbar für viele von uns, aber es funk-
tioniert anscheinend sehr gut“, weiß Schu-
macher.
Trend 4_Arbeit als
Bezeichnung eines Ortes
verliert an Bedeutung
Skype, Facetime, Smartphones, Tablets
und viele weitere neue Technologien ma-
chen das Büro überflüssig. „Wir sind heute
in der Lage, vieles von wo auch immer zu
machen“, erklärt Izmir. Den klassischen
Arbeitsplatz brauche man nicht mehr,
stattdessen könnten die Arbeitsplätze
nach deren unterschiedlichen Aktivitäten
wie konzentriertes Weiterarbeiten oder
Besprechungen gestaltet werden. Weiters
hätten die Firmen durch Desk-Sharing in
Kombination mit Home-Office großes Ein-
sparungspotenzial, so Izmir.
Die heimischen Firmen hinken aber gerade
in diesem Bereich noch stark nach. „Infra-
strukturkosten sind eine der ineffizientes-
ten Mittelverwendungen in Büros“, erklärt
Bartz, warum es sich dabei nach den
Personalkosten um die nächsthöchsten
handelt. Wenn die Arbeit räumlich flexibler
gestaltet wird, könnten Firmen bis zu 30
Prozent der Fläche eines Büros einsparen
und das Geld viel effizienter, etwa für die
Innovation von Produkten sowie Forschung
und Entwicklung einsetzen.
Bereits über 60 Prozent der Österreicher
suchen ihren Arbeitgeber danach aus, ob
dieser mobiles Arbeiten unterstütze oder
nicht. Mehr als 500.000 Erwerbstätige in
Österreich pendeln täglich sogar bundes-
länderübergreifend ins Büro. „Pendeln
gilt in über 90 Prozent der Fälle nicht als
Arbeitszeit. Das ist oft absurd, denn wer
eine halbe Stunde oder sogar eine ganze
Stunde mit dem Zug fährt, nutzt die Zeit als
Arbeitszeit“, so Bartz. Würde man eine hal-
be Stunde anerkennen, seien das in einer
Woche bereits fünf Stunden und damit fast
ein ganzer Arbeitstag.
Trend 5_Eine Vielzahl
von Arbeitsstilen existiert
parallel
„Digital Natives wachsen in einer offenen
Kommunikationskultur auf und verstehen
daher nicht, warum sie über den Chef kom-
munizieren müssen und nicht direkt mit
den Kollegen in anderen Abteilungen reden
dürfen“, nennt Izmir ein Beispiel für die an-
deren Erwartungen der jungen Generation.
Und auf diese müssen sich Firmen einstel-
len, um die richtigen Talente anzuziehen
und den Nachwuchs zu binden – Stichwort
Fachkräftemangel. In Zusammenhang da-
mit müssen die Unternehmen gleichzeitig
auch darüber nachdenken, wie sie erfahre-
ne Mitarbeiter länger im Arbeitsleben hal-
ten können und passende Arbeitsmodelle
dafür entwickeln._
WIN-WIN-SITUATION FÜR ARBEITNEHMER UND ARBEITGEBER
Unternehmen, die sich in die Welt des neuen Arbeitens begeben, haben klare
wirtschaftliche Vorteile:
Die Produktivität steigt im Bereich von fünf bis fünfzehn Prozent.
Mitarbeiter arbeiten zehn bis fünfzehn Prozent mehr, wenn mobiles
Arbeiten zugelassen wird.
Die üblichen Fluktuationsraten von bis zu zwölf Prozent reduzieren sich
auf fünf bis sechs Prozent.
Die Krankentage pro Mitarbeiter halbieren sich um mehr als die Hälfte
von zwölf bis 18 Tage auf drei bis sechs Tage.
Die Infrastrukturkosten können um bis zu dreißig Prozent reduziert
werden.
Wenn man die neue Welt des Arbeitens gut umsetzt, ist es eine
Win-Win-Situation für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
MICHAEL BARTZ
Professor, IMC Fachhochschule Krems