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Die Unternehmen müssen endlich raus aus der Komfortzone und
sich jeden Tag neu erfinden. Gelernte Muster gelten nicht mehr.
CHRISTOF SCHUMACHER
Spartenobmann Information und Consulting, Wirtschaftskammer Oberösterreich
Bankenwesen, welches vor einem völligen
Umbruch stehe oder auch das Versiche-
rungswesen. Durch die Digitalisierung
stehen Firmen plötzlich in unmittelbarer
Konkurrenz zu weltweiten Unternehmen,
von denen sie vorher noch nie etwas gehört
haben. Kunden werden mobiler und flexi-
bler und fordern das auch von den Firmen.
Die Adaptionsfähigkeit werde ein ganz ent-
scheidendes Wettbewerbskriterium für er-
folgreiche Firmen, so Schumacher. Treiber
des neuen Arbeitens sind aber auch die
Mitarbeiter der neuen Generation. Sie ha-
ben durch das Aufwachsen mit den neuen
Technologien und den direkten Kommuni-
kationsmöglichkeiten andere Erfordernis-
se und Bedürfnisse an ihren Arbeitsplatz.
„Die Arbeitnehmer wollen sich selbstver-
wirklichen, ihre Talente einsetzen und da-
für wertgeschätzt werden“, sagt der visio-
näre Impulsgeber Marcus Izmir, der unter
anderem die Initiative Das Neue Arbeiten
(DNA) entwickelt hat. Gleichzeitig hänge
die digitale Kompetenz aber nicht mehr
klar mit dem Alter zusammen, so Bartz.
Die Einführung von Tablet-Computern und
die Verbilligung der Hard- und Software
führt bei allen Altersgenerationen zu einer
Veränderung des Verhaltens und Aufbau
digitaler Kompetenz. Daher würden auch
zunehmend alle Generationen die neue
Welt des Arbeitens einfordern.
Enterprise 4.0
Aktuell wird noch unterschieden zwischen
dem neuen Arbeiten als Veränderung der
Büro- und Wissensarbeit und der Verände-
rung der Produktion mit dem Begriff Indus-
trie 4.0. Diese klassische Trennung werde
sich aber nach und nach auflösen, die
Grenzen werden zunehmend verschwim-
men. „Wir sprechen dann von Enterprise
4.0“, sagt Bartz, dass es sich dabei aber
erst um den „übernächsten Schritt“ han-
deln werde, da die heimischen Unterneh-
men den Schritt in die neue Welt des Ar-
beitens Großteils noch gar nicht gemacht
hätten. Untersuchungen zeigen, eine Quote
von weniger als 20 Prozent. Zu diesen Vor-
zeigebetrieben gehört der Autozulieferer
Miba mit Sitz in Laakirchen, der bis zum
Frühjahr 2017 ein neues Headquarter baut,
wo die neuen Arbeitsformen intensiv mit-
gedacht werden. „Das ‚Miba Forum’ soll
ein Kunden-, Technologie- und Lernzen-
trum werden, wo auch neue Formen des
Arbeitens, Lernens und Zusammenarbei-
tens ermöglicht werden“, heißt es in einer
Presseaussendung zum Spartenstich im
Sommer. Nähere Details wollte der Kon-
zern auf Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht verraten.
Gesellschaftliche
Veränderungen
Österreich sei auch bei allen Themen in der
Vergangenheit langsamer gewesen. Das
Vereinigte Königreich und die skandina-
vischen Länder seien uns da weit voraus:
„Die sind einfach progressiver was die In-
novation von Arbeit und Unternehmens-
organisation betrifft“, betrachtet Bartz die
Historie. Er erwartet, dass bis 2025 bis zu
50 Prozent der Unternehmen in die neue
Welt des Arbeitens eingedrungen sein
werden. Ganz wesentlich dafür seien aber
noch die passenden gesetzlichen Rah-
menbedingungen: „Da ist die Politik jetzt
extrem gefordert“, sagt Schumacher. Un-
ternehmerseite und Arbeitnehmerseite
müssten viel mehr an einem Strang ziehen,
fügt Bartz hinzu: „Der Klassenkampf funk-
tioniert nicht mehr.“Die Veränderungen der
Arbeitsweisen seien neben der Sicherung
der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit
auch notwendig, um den gesellschaftli-
chen Wandel gewachsen zu sein. Das The-
ma Pflege wird zu einer immer größeren
Herausforderung und durch flexibleres Ar-
beiten können die älteren Menschen einfa-
cher gepflegt werden. Außerdem brauchen
wir eine höhere Frauenbeschäftigung und
ein Bevölkerungswachstum, damit das
Pensionssystem weiter funktionieren kön-
ne. „Das gelingt nur, wenn sich Familie und
Beruf vereinbaren lassen. Es muss peinlich
werden, sich als Vater nicht um die Kinder
zu kümmern“, nennt Bartz eine Reihe von
Argumenten für die neue Welt des Arbei-
tens. Die häufig genannte Rechtfertigung,
dass kleine und mittelständische Unter-
nehmen solch hochflexible Arbeitsweisen
nicht umsetzen könnten, lässt Bartz nicht
gelten: „Start-ups kennen nur das smarte
Arbeiten und würden ohne gar nicht exis-
tieren.“ Bei ihnen sind die fünf Trends be-
reits in das Unternehmen eingezogen.
Trend 1_Komplexe
Ökosysteme lösen lineare
Wertschöpfungsketten ab
Unternehmensgrenzen lösen sich immer
mehr auf: Bereits 70 Prozent der Firmen
haben Teile der Wertschöpfungsketten auf
Outsourcing-Partnern verlagert. „Früher
hat man jeden Marktbegleiter als Mitbe-
werber gesehen“, erklärt Schumacher,
dass dieses Silodenken aufhören muss.
Unternehmen hätten gemeinsam Erfolg,
wenn sie sich zu „Wissens-Task-Forces“
zusammenschließen würden. Daneben
werden auch die Lieferanten und Kunden
enger in die Organisation mit eingebunden.
Firmen müssen Kanäle öffnen, um den
Kunden einen tieferen Zugang zu ermögli-
chen. Prominentestes Beispiel dafür: Soci-
al Media. Den Durchbruch dafür werde es
laut Bartz aber nicht mehr mit der aktuel-
len Generation, den Digital Natives, geben,
sondern erst mit der nächsten: „Die Kin-
der machen die Hausaufgaben heute über
WhatsApp, tauschen sich permanent aus
und arbeiten hochgradig vernetzt.“ E-Mails
werden als altbacken angesehen – Doku-
mente werden über Plattformen ausge-
tauscht.
Trend 2_Arbeitsverhältnisse
werden flexibler
Die klassische Vollzeitbeschäftigung geht
zurück und wird durch über zehn alternati-
ve Beschäftigungsformen ersetzt. Teilzeit-
arbeit und Zeitarbeit sind die beiden Alter-
nativen, die sich am stärksten verbreiten.
Unternehmen ersetzen inzwischen bis zu
30 Prozent ihrer Beschäftigten durch Zeit-
arbeitskräfte und das bis zu drei Jahre lang.
Ein weiteres Beispiel ist der Null-Stunden-
Vertrag, bei dem der Arbeitnehmer sich
dazu bereit erklärt, für eine gewisse Ar-
beitszeit zur Verfügung zu stehen. Der Ar-
beitgeber gibt aber keine Garantie ab, dass